Kleine Anfrage der Abg. Faulhaber (DIE LINKE) vom 02.10.2017 betreffend sexuelle Belästigung und Übergriffe an hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Kultusministers: Die Vorbeugung und Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen und Gewalthandlungen in Schulen hat für die hessische Landesregierung einen hohen Stellenwert. Grundsätzlich sind die staatlichen Schulämter für Fälle sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe und die darauf folgenden Maßnahmen zuständig (§ 74 Abs. 2 Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses ). Nach Bekanntwerden der Vorfälle an der Odenwaldschule im Jahr 2010 wurde eine Berichtspflicht gegenüber dem Kultusministerium ausdrücklich verankert. Gesetzliche Aufbewahrungsregelungen und datenschutzrechtliche Bestimmungen wie auch das im Vordergrund stehende Schutzbedürfnis der Opfer begrenzen die statistische Datenerhebung. Sofern Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Formen von Übergriffen vorliegen, soll Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erhoben werden, welche die weiteren Ermittlungen leiten und die Anzeige bewerten. Die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält somit die zuverlässigsten Daten zu sexueller Gewalt (vgl. Kleine Anfrage Drs. 19/5154). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Fälle sexueller Belästigung oder sexuell motivierten Übergriffen sind dem Kultusministerium in den Zeiträumen: - 1980 bis 1990, - 1991 bis 2000, - 2001 bis 2010, - 2011 bis 2017 gemeldet worden? Im Zeitraum von 2010 bis 2017 wurde dem Ministerium in 37 Fällen von sexueller Belästigung oder sexuell motivierten Übergriffen einschließlich der Fälle von außerdienstlichem Fehlverhalten (z.B. Fälle des Besitzes von kinderpornografischem Bildmaterial) durch Lehrkräfte berichtet . Es sind elf weitere Hinweise auf sexuelle Belästigung an anderen privaten Internatsschulen im Jahr 2010 gemeldet worden, die im Zeitraum vor 2010 und teils weit zurück lagen. Darüber hinaus gehende Angaben zum Zeitraum 1980 bis 2009 sind nicht möglich; auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Weitere Opferzahlen liegen vor, die jedoch nicht der o.g. Meldepflicht unterliegen. Frage 2. Welche dieser Fälle wurde von Eltern oder Schülerinnen und Schülern angezeigt, welche von den betroffenen Schulen? Darüber liegen keine gesonderten Informationen vor. In der Regel wenden sich die betroffenen Schülerinnen oder Schüler selbst oder deren Eltern an die Schule, die daraufhin das Staatliche Schulamt informiert. Dieses wiederum berichtet sodann dem Ministerium. Die entsprechenden Abläufe sind in der Handreichung zum Umgang mit sexuellen Übergriffen (2. überarbeitete Auflage, Januar 2017) abgebildet. Eingegangen am 14. November 2017 · Bearbeitet am 14. November 2017 · Ausgegeben am 17. November 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5316 14. 11. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5316 Frage 3. In wie vielen Fällen kam es zu Nachforschungen, in wie vielen Fällen zu offiziellem Eingreifen, Disziplinarverfahren, Versetzungen, Suspendierungen, Strafverfahren oder ähnlichem (bitte aufschlüsseln )? Nähere Angaben zu Fällen sexueller Übergriffe und entsprechenden disziplinar- oder strafrechtlichen Maßnahmen sind für in der Vergangenheit liegende Zeiträume aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Aufbewahrungsregelungen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht möglich. Nach § 19 Hessisches Disziplinargesetz unterliegen Disziplinarvorgänge einem je nach Schwere der Disziplinarmaßnahme zeitlich gestaffelten Verwertungsverbot. Nach Eintritt des Verwertungsverbots sind auch entsprechende Eintragungen in die Personalakte zu entfernen und zu vernichten. Vergleichbare Regelungen bestehen für die strafrechtliche Verjährung und Entfernung von Eintragungen in das Bundeszentralregister sowie für die zu den Personalakten genommenen Unterlagen nach §§ 91, 92 Hessisches Beamtengesetz. Frage 4. Welche Maßnahmen wurden nach Bekanntwerden der Vorfälle in den einzelnen Fällen ergriffen? Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Ein Überblick für prinzipiell einzuleitende Maßnahmen verschafft die aktuelle Handreichung zum Umgang mit sexuellen Übergriffen (2. überarbeitete Auflage, Januar 2017). Die Handreichung wurde allen hessischen Schulen zur Verfügung gestellt. Frage 5. Erhielten die Opfer psychologische Betreuung? Die psychologische Betreuung der Opfer entzieht sich der Aktenlage, da dies der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegt. Frage 6. Haben in jedem Fall Gespräche mit den Beschuldigten und den Opfern von Seiten des HKM stattgefunden? Falls nein, warum nicht? Die Verfahrensführung obliegt den Staatlichen Schulämtern. Der Kreis der Verfahrensbeteiligten ist aus Fürsorgegründen gegenüber den Opfern und mutmaßlich Beschuldigten sorgsam auszuwählen . Frage 7. Wie viele Schülerinnen und Schüler, die aus eigener Sicht betroffen waren, wechselten nach Bekanntwerden der Vorfälle die Schule? Gründe für Schulwechsel von Schülerinnen und Schülern werden statistisch nicht erfasst. Wiesbaden, 30. Oktober 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz