Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 28.09.2017 betreffend Notfallsituationen gehörloser und sprachbehinderter Menschen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele gehörlose uns sprachbehinderte Menschen gibt es in Hessen? Hessenweit sind 4.698 Schwerbehindertenausweise mit dem Merkzeichen "Gl" - Gehörlos - erfasst (Stand 30.06.2017). Gehörlose "Gl" ohne einen Schwerbehindertenausweis werden statistisch nicht erfasst. Frage 2. Wie viele Notrufe gehörloser Menschen und sprachbehinderter Menschen wurden in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016 in Hessen abgesetzt? (Bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln) Die eingehenden Notrufe von gehörlosen bzw. sprachbehinderten Menschen werden in den Zentralen Leitstellen im Einsatzleitrechner als "Notruf über 112" erfasst. Es erfolgt kein gesonderter Vermerk, dass es sich um einen gehörlosen bzw. sprachbehinderten Mitteiler handelt. Die Anzahl der Notrufe von gehörlosen bzw. sprachbehinderten Menschen in Hessen für die Jahre 2013, 2014, 2015 und 2016 lässt sich daher nicht mehr ermitteln. Eine Abfrage bei den Trägern der Leitstelle ergab einen geschätzten Wert von ein bis drei Notfällen pro Jahr. Frage 3. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung, um Gehörlosen schnelle Hilfe im Notfall zu gewähren ? Im Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Hessen für den Zeitraum 2012 bis 2015 wurde der Aufbau eines Notrufnetzwerks via SMS zur Erreichbarkeit der Kurzwahlnummern 110 und 112 mit mobilen Kurznachrichten geprüft. Im Bereich 112 (Feuerwehr/Rettungsdienst) wurde die Umsetzung als SMS auf die 112 geprüft und als technisch nicht möglich verworfen. Als bessere Lösung wurde eine Notruf-App für Smartphones favorisiert. Die Umsetzung eines Lastenheftes für eine offiziell autorisierte Anwendung für einen dem aktuellen Telekommunikationsgesetz (TKG) konformen Notruf (EGN) - als im Bereich des Arbeitskreises II (AK II) der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) angesiedeltes Fachgremium wurde vorangetrieben. Die daraus resultierende Lösungsmöglichkeit war jedoch nicht geeignet, eine akzeptable Marktdurchdringung zu erreichen und kann aktuell lediglich als Machbarkeitsstudie angesehen werden. Ab Februar 2014 wurde in der Leitstelle des Polizeipräsidiums Westhessen (110) ein Testbetrieb zur Notfallmeldung mittels SMS, in Zusammenarbeit mit der Björn-Steiger-Stiftung durchgeführt . Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine flächendeckende Einführung einer SMS-Notfallmeldung noch nicht empfohlen werden kann. Weitere Prüfungen und Testgestellungen sind erforderlich. Frage 4. Welche Ausstattungen haben die Rettungsleitstellen, um mit gehörlosen und sprachbehinderten Menschen im Notfall schnell kommunizieren zu können? Für gehörlose bzw. sprachbehinderte Menschen besteht die Möglichkeit, der Zentralen Leitstelle über den Notruf 112 ein Hilfeersuchen per Fax und ggf. dem dafür vorgesehen Faxvordruck Eingegangen am 15. November 2017 · Bearbeitet am 15. November 2017 · Ausgegeben am 17. November 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5321 15. 11. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5321 (Anlage 1) mitzuteilen. Seitens des Landes Hessen wird den Zentralen Leitstellen dazu ein gesondertes Faxgerät bereitgestellt. Frage 5. Wie erreichen gehörlose bzw. sprachbehinderte Menschen die Dispositionszentralen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes? Kontakte mit gehörlosen bzw. sprachbehinderten Menschen sind in der Telekommunikation im Rahmen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) selten. Bundesweit steht allen gehörlosen bzw. sprachbehinderten Menschen als einheitliches Kommunikationsmedium mit dem ÄBD ein Faxformular der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), des Deutschen Gehörlosenbund e.V. und des Deutschen Schwerhörigenbund e.V. zur Verfügung (Anlage 2). Dieses kann u.a. auf der Homepage der KBV selbst, aber auch bei verschiedenen Organisationen sowie der regional zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und auf den Internetseiten der bundeseinheitlichen ÄBD-Rufnummer 116117 www.116117info.de/media/2017-03-20_Faxformular _fuer_Hoer-und_Sprachgeschaedigte_116117.pdf aufgerufen werden. Frage 6. In welcher Form kommunizieren diese Einrichtungen mit den Patientinnen und Patienten? Die bzw. der Hilfeersuchende füllt das oben beschriebene Formular aus und sendet es an die oben genannte Faxrufnummer. Das dahinter stehende Servicecenter der KBV leitet es dann direkt der regional zuständigen ÄBD-Dispositionszentrale der KV Hessen zu. In den beiden ÄBD- Dispositionszentralen an den Standorten Kassel und Frankfurt wird für Hessen die bundesweite ÄBD-Rufnummer 116117 rund um die Uhr entgegen genommen. Die regional zuständige ÄBD- Dispositionszentrale analysiert und priorisiert den Versorgungsbedarf und tritt mit den Patientinnen und Patienten in Verbindung, was mittels E-Mail, Fax oder über einen Angehörigen oder Bekannten erfolgen kann, je nach dem, was die bzw. der Hilfeersuchende bevorzugt. Für die direkte Kommunikation mit gehörlosen oder sprachbehinderten Menschen mittels Fax nutzt der Ärztliche Bereitschaftsdienst zwei Standardisierte Formulare (Anlage 3 und 4). Dort erfährt die bzw. der Hilfeersuchende auch die Faxnummer der ÄBD-Dispositionszentrale, unter der die Kommunikation direkt geführt werden kann. Die Dispositionszentralenlotsen vermitteln die Patientin bzw. den Patienten entweder zur nächstgelegenen Anlaufpraxis (ÄBD-Zentrale) bzw. vermitteln abhängig von der Mobilität der bzw. des Betroffenen niederschwellig eine ärztliche Besuchsbehandlung (Hausbesuch). Tatsächlich haben nach den Erfahrungen des ÄBD gehörlose bzw. sprachbehinderte Menschen oftmals jemanden, der für sie spricht oder hört und sie bei der Kommunikation entsprechend unterstützt. Frage 7. Sieht die Landesregierung vor, in Polizeistationen und Krankenhäusern Kriseninterventionsteams vorzuhalten, die mit den Betroffenen in angemessenem Maß kommunizieren können und somit eine schnelle und umfassende Versorgung sichergestellt werden kann? In den hessischen Polizeistationen und Krankenhäusern ist nicht geplant, besondere Teams vorzuhalten . Die Kommunikation erfolgt wie auch bei fremdsprachigen Menschen in der Regel mit Hilfe von Dolmetschern. Frage 8. Gibt es Konzepte in anderen Bundesländern, die schnelle Hilfen ermöglichen? Die Kommunikation mit gehörlosen bzw. sprachbehinderten Menschen erfolgt auch in den anderen Bundesländern über Faxvordrucke an die Notrufnummern 110 und 112. Auf Bundesebene fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen seiner Strategie "Intelligente Vernetzung" die Entwicklung einer Notruf-App. Das Ziel der Förderung ist eine App, die den Notruf direkt vom Smartphone in die örtlich zuständige Leitstelle von Polizei und Feuerwehr sendet. Die Kommunikation erfolgt anhand eines textbasierten Chat-Systems. Im Laufe der nächsten sieben Monate wird der Prototyp zudem modellhaft mit ausgewählten Leitstellen erprobt. Wiesbaden, 6. November 2017 Stefan Grüttner Anlagen