Kleine Anfrage der Abg. Barth (SPD) vom 05.10.2017 betreffend Anwendung des § 5 Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) vom 19.12.2014 und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragestellerin: Am 1. März 2015 trat das neue Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz in Kraft. Erstmals enthielt das Gesetz auch Regelungen für Verkehrsdienstleistungen. Gemäß § 5 HVTG wurde Auftraggebern von Verkehrsdienstleistungen im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Falle eines Betreiberwechsels die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Ausschreibung mögliche neue Betreiber zu verpflichten, die Beschäftigten , die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt worden waren, zu den bisherigen Arbeitsbedingungen von dem bisherigen Betreiber zu übernehmen. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen sind die Landkreise, kreisfreien Städte und die Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Sie nehmen die Aufgabe des öffentlichen Personennahverkehrs als Selbstverwaltungsaufgabe wahr. Das Land Hessen ist Gesellschafter bzw. Mitglied der in Hessen tätigen Verkehrsverbünde, die die Verkehre auf regionaler Ebene organisieren und bestellen. Daher liegen der Landesregierung nur Daten über die Ausschreibungen auf der regionalen Ebene vor. Aufgrund der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen in den letzten Jahren, der niedrigen Arbeitslosenquote und der Ausweitung der Verkehrsleistungen bei Bussen und Bahnen stellt sich die Situation am Arbeitsmarkt zurzeit derart dar, dass für wichtige Berufsgruppen im ÖPNV wie Busfahrer/in oder Triebfahrzeugführer/in nicht ausreichend Personal rekrutiert werden kann. Daher sieht die Landesregierung die Priorität in der Sicherstellung der Deckung des Personalbedarfs. Hierzu wurde im Mobilitäts- und Koordinierungsrat eine Arbeitsgruppe eingerichtet (siehe Antwort auf Frage 2). Vor diesem Hintergrund sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen derart sein, dass sie den ausschreibenden Stellen sowie den Unternehmen die notwendige Flexibilität bieten, um angemessen auf die genannten Herausforderungen reagieren zu können und weiterhin einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Darüber hinaus ist zu beachten , dass § 5 Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) lediglich unmittelbar geltendes EU-Recht wiedergibt. Dieses enthält eine "Kann"-Bestimmung zur Verpflichtung von neuen Betreibern zur Übernahme von Beschäftigten (siehe Antwort auf Frage 3). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Ausschreibungen von Verkehrsdienstleistungen von Kommunen oder Kreisen wurden seit Inkrafttreten des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes durchgeführt? Seit dem Inkrafttreten des HVTG wurden auf regionaler Ebene im hessischen ÖPNV insgesamt 28 Ausschreibungen (Stand November 2017) durchgeführt und abgeschlossen. Frage 2. Bei wie vielen Ausschreibungen wurde seit Inkrafttreten des § 5 HVTG angewendet, d.h. in wie vielen Ausschreibungen wurde von neuen Betreibern verlangt, die Beschäftigten die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt worden waren, zu den bisherigen Arbeitsbedingungen von dem bisherigen Betreiber zu übernehmen (sowie weitere Anforderungen aus § 5 HVTG)? Nach Inkrafttreten des HVTG wurden entsprechende Berichtspflichten in die Ausschreibungsunterlagen aufgenommen. Teilweise enthalten die Ausschreibungen Verpflichtungen, den Fahre- Eingegangen am 4. Januar 2018 · Bearbeitet am 8. Januar 2018 · Ausgegeben am 12. Januar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5342 04. 01. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5342 rinnen und Fahrern des bisherigen Betreibers ein Einstellungsangebot zu unterbreiten. Der neue Betreiber muss dabei im Rahmen der Personalübernahme die Betriebszugehörigkeit beim Altbetreiber im Rahmen der entgeltlichen Eingruppierung und Urlaubsgewährung wie eine Betriebszugehörigkeit im eigenen Unternehmen werten. Neben der Tariftreuepflicht werden teilweise im Bereich der Arbeitsbedingungen zusätzliche Sozialstandards zur Bezahlung von Pausenzeiten sowie zur Zulässigkeit geteilter Dienste ausgesprochen. Die Landesregierung sieht vor, auf Basis der verpflichtenden Berichte, von Erfahrungen mit der Anwendung des § 131 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie von Ergebnissen aus einer Arbeitsgruppe zur Attraktivitätssteigerung bestimmter Berufsbilder im ÖPNV im Rahmen des Mobilitäts- und Koordinierungsrates die Anwendung von § 5 HVTG zu diskutieren, eine entsprechende Ausgestaltung in Ausschreibungen zu beraten und soweit möglich einheitlich bei den Verkehrsverbünden und auf lokaler Ebene umzusetzen. Frage 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es ausreichend ist, die Verpflichtung neuer Betreiber von Verkehrsdienstleistungen im Bereich des ÖPNV, die Beschäftigten, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt worden waren, zu den bisherigen Arbeitsbedingungen von dem bisherigen Betreiber zu übernehmen, lediglich als "Kann"-Bestimmung zu formulieren, entgegen der Regelung im Gesetz gegen Wettbewerbsbestimmungen (GWB) §131, Abs. 3 für Betreiberwechsel für Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr (SPNV) wo dies als "Soll" Bestimmung formuliert ist? Für die Vergabe öffentlicher Aufträge über Leistungen im öffentlichen Personenverkehr gilt die Verordnung (EG) 1370/2007 vom 23.10.2007 unmittelbar. Sie regelt in Art. 4 Abs. 5 Folgendes : "Unbeschadet des nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts, einschließlich Tarifverträge zwischen den Sozialpartnern, kann die zuständige Behörde den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes verpflichten, den Arbeitnehmern, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt wurden, die Rechte zu gewähren, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG erfolgt wäre….". § 131 GWB ist am 18.04.2016 in Kraft getreten. Er regelt Vergaben von öffentlichen Aufträgen über Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr oberhalb der EU-Schwellenwerte (zz. 209.000 € ohne Umsatzsteuer) und verweist auf die Verordnung (EG) 1370/2007. Lediglich die "Soll-Regelung" über den Betriebsübergang wird explizit aufgeführt. Sie verschärft das EU- Recht. Der Landesgesetzgeber hat keine Kompetenz, die unmittelbar geltende Verordnung der EU abzuändern . Die Regelung im HVTG kann daher nur deklaratorischen Charakter haben. Auch ist die "Kann"-Bestimmung besser geeignet, um flexibel auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts reagieren zu können (auf die Vorbemerkung wird verwiesen). Wiesbaden, 21. Dezember 2017 Tarek Al-Wazir