Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 11.10.2017 betreffend Immissionsschutz Windkraft und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: In der Antwort auf meine Kleine Anfrage betreffend Schallprognosen Windkraftanlagen (Drucks. 19/4493) hat die Landesregierung eingeräumt, dass die Schallberechnungsmodelle auf der Basis der DIN E ISO 9613-2 die tatsächlichen Belastungen durch Windkraftanlagen unterschätzen. Seit dem Jahr 2014 liegen entsprechende Erkenntnisse vor, die sich aus Messungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen ergaben. Auf Initiative der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) sei ein Arbeitskreis eingerichtet worden, der die LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen überprüft. Die überarbeiteten LAI-Hinweise sollten voraussichtlich Mitte des Jahres 2017 vorliegen. Zwischenzeitlich hat die LAI die Anwendung eines Interimsverfahrens zur Ermittlung der Schallprognosen empfohlen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 25.09.2017 (Az: 28 L 3809/17) festgestellt, dass die in der DIN ISO 9613-2 zu Grunde gelegten Annahmen nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprechen und die DIN ISO 9613-2 keine Bindungswirkung mehr entfalten könne. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Seit wann hat die hessische Landesregierung Kenntnis von den Ergebnissen der in Nordrhein- Westfalen durchgeführten Schallmessungen? Die Landesregierung hat seit der Veröffentlichung der Messergebnisse durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) im Februar 2015 Kenntnis über die Ergebnisse. Frage 2. Warum dauert es drei Jahre bis es überhaupt zu einer Überprüfung der im Rahmen von Genehmigungsverfahren zu Grunde gelegten Berechnungsmodelle kommt? Auf das Ergebnis des LANUV reagierte der Normenausschuss Akustik, Lärmminderungstechnik und Schwingungen (NALS) im DIN E ISO 9613-2 mit der Erarbeitung und Veröffentlichung einer "Dokumentation zur Schallausbreitung - Interimsverfahren zur Prognose der Geräuschimmissionen von Windkraftanlagen (Fassung 2015-05.1)". Um vorhandene fachliche Bedenken auszuräumen, wurden 2015 zwei Fachgespräche zum Interimsverfahren durchgeführt und eine Evaluierung der Ergebnisse der Messung des LANUV beschlossen . Die daraufhin von Betreibern, dem Landesverband erneuerbare Energien und dem Umweltministerium Schleswig-Holstein durchgeführten Messreihen haben die Ergebnisse bestätigt . Daher hat der LAI die Veröffentlichung im August 2017 beschlossen. Frage 3. Wie viele Windkraftanlagen sind in Hessen seitdem die Erkenntnisse des Landesamtes Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen vorlagen auf der Basis der DIN E ISO 9613-2 genehmigt wurden? Seit dem Februar 2015 sind in Hessen 286 Windenergieanlagen (WEA) genehmigt worden, davon sind derzeit 150 WEA im Betrieb (Quelle: Länderinformationssystem Anlagen, HMUKLV, Stand 20.10.2017). Eingegangen am 2. Januar 2018 · Bearbeitet am 8. Januar 2018 · Ausgegeben am 12. Januar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5329 02. 01. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5329 Frage 4. Liegen mittlerweile die überarbeiteten Hinweise der Bund-Länder- Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vor? Die überarbeiteten Hinweise zum Schallimmissionsschutz wurden von der Bund-Länder- Arbeitsgemeinschaft (LAI) beschlossen und zur Anwendung empfohlen. Nach der erfolgten Kenntnisnahme durch die Umweltministerkonferenz am 15. bis zum 17. November sind sie ab sofort bei der Beurteilung der von Windenergieanlagen ausgehenden Geräusche zu berücksichtigen . Frage 5. Inwiefern wurden die Hinweise der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz aufgrund der Erkenntnisse aus Nordrhein-Westfalen konkret verändert? Die Ergebnisse des LANUV und anderer Messreihen zeigen, dass die bisherigen Prognosen in einem für den Immissionsschutz wesentlichen Entfernungsbereich von > 800 m die tatsächlich auftretenden Immissionen um etwa zwei bis drei dB unterschätzt haben. Hauptgrund dafür ist die fehlerhafte Berücksichtigung der Bodendämpfung bei hoch gelegenen Schallquellen. Mit den in den fortgeschriebenen Hinweisen festgelegten Interimsverfahren liegen die Prognoseergebnisse nun "auf der sicheren Seite". Überschreitungen der zulässigen Immissionsrichtwerte sind nicht mehr zu erwarten. Frage 6. Wie werden sich die neuen Hinweise der LAI auf die Genehmigung von Windkraftanlagen in Hessen auswirken und ab wird das sogenannte Interimsverfahren in Hessen zur Anwendung kommen? Sobald die UMK die LAI-Hinweise mit dem neuen Prognoseverfahren zur Kenntnis genommen hat, werden sie in Hessen eingeführt und bei der Genehmigung von WEA berücksichtigt. Die Regierungspräsidien als Genehmigungs- und Überwachungsbehörden wurden über die neuen Prognoseberechnungen bereits informiert. Es ist zukünftig nicht auszuschließen, dass einzelne WEA aufgrund der geänderten Prognoserechnung nur mit eingeschränktem Nachtbetrieb genehmigt bzw. errichtet werden dürfen. Frage 7. Wie viele Windkraftanlagen sind in Hessen bisher auf Grundlage der DIN E ISO 9613-2 genehmigt wurden? In Hessen sind bisher 1225 Windenergieanlagen auf Grundlage der DIN E ISO 9613-2 genehmigt worden, davon sind derzeit 952 WEA im Betrieb. Die sich nicht im Betrieb befindlichen Anlagen sind noch im Bau oder eine Klage verhindert den Bau, die Genehmigung wurde nicht in Anspruch genommen oder die WEA sind bereits wieder stillgelegt. (Quelle: Länderinformationssystem Anlagen, HMUKLV, Stand 20.10.2017) Frage 8. Hat die Landesregierung Kommunen und Anwohner, die bereits über Lärmbelästigungen durch Windkraftanlagen klagen, darüber informiert, dass die bisher zu Grunde gelegten Berechnungsmodelle die Auswirkungen von Lärmbelastungen unterschätzen? Eine umfassende und transparente Information aller Beteiligten über neue Regelungen zur Beurteilung der Lärmemissionen von WEA ist aus Sicht der Landesregierung notwendig und wichtig . Als zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörden mit vielfältigen Kontakten zu Kommunen und Anwohnern übernehmen die Regierungspräsidien in Hessen diese Aufgabe. Frage 9. Mit welche konkreten Informationsmaterialen (Name der Broschüre, Auflage, Verteiler, Zielgruppe , Erstellungs-, Druck- und Verteilungskosten Druckkosten jeweils in Euro) informiert die Landesregierung über den Ausbau der Windkraft in Hessen und welche Informationsmaterialen von Dritten werden durch das Land finanziert (ebenfalls bitte den Namen der Borschüre, Auftraggeber , Auflage, Verteiler, Zielgruppe, Erstellungs-, Druck- und Verteilungskosten jeweils in Euro)? Auf die Antwort der Kleinen Anfrage des Abg. Rudolph (SPD) vom 12.01.2017 betreffend Publikationen der Landesregierung (Drucks. 19/4400) wird verwiesen. In der Antwort vom 03.07.2017 werden auch sämtliche Informationsmaterialien über den Ausbau der Windenergie in Hessen berücksichtigt. Die komplette Drucksache inklusive der Anlage (1.146 Seiten) kann im Landtagsinformationssystem abgerufen werden (www.Hessischer-Landtag.de). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5329 3 Frage 10. Sollen diese Informationsmaterialien (Frage 9) im Zuge der Erarbeitung der neuen LAI-Hinweise überarbeitet werden und werden in diesem Zusammenhang die Bürger in Hessen auf die Gefahren und Lärmbelastungen durch hingewiesen? Es ist gelebte Praxis der Informationsstrategie des Landes Hessen, Fakten und neue Erkenntnisse offen zu kommunizieren und diese bei gegebenem Anlass in die entsprechenden Informationsmaterialien einfließen zu lassen. Im Übrigen finden neue Erkenntnisse unmittelbar Eingang in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, so dass davon ausgegangen werden kann, dass auf dieser Ebene diesen Erkenntnissen Rechnung getragen wird. Wiesbaden, 12. Dezember 2017 Priska Hinz