Kleine Anfrage des Abg. Rudolph (SPD) vom 07.11.2017 betreffend Fall der Untreue im Landeskriminalamt Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Nach einem Bericht des "Wiesbadener Kuriers" vom 5. September 2017 wurde ein ehemaliger Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Hessen für acht Fälle der gewerbsmäßigen Untreue und einen Fall des Betruges zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Herr Tobias L. wurde im Februar 2012 als Sachbearbeiter im Beschaffungswesen beim Landeskriminalamt Hessen eingestellt. Bereits kurz daraufhin kam es zu Unregelmäßigkeiten bei der Beschaffung. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, dann aber wegen Geringfügigkeit eingestellt und im Dezember 2013 wurde Herr L. abgemahnt. Er war weiterhin im Beschaffungswesen tätig. Dabei kam es zu weiteren Unregelmäßigkeiten. Dem LKA soll ein Schaden von rund 40.000 € entstanden sein. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist die Darstellung im "Wiesbadener Kurier" vom 5. September 2017 zutreffend? Wenn ja, warum wurde der Mitarbeiter, nachdem es bereits Verfehlungen im Jahre 2013 gab, weiterhin im Bereich Beschaffung des Landeskriminalamtes eingesetzt? Die Darstellung im Wiesbadener Kurier vom 5. September 2017 trifft nur teilweise zu. Im Jahr 2013 fiel ein einzelner Bestellvorgang von Herrn L. vom 23. August 2013 auf. Im Zuge der Untersuchung dieses Bestellvorgangs leitete das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Herrn L. ein, welches von der Staatsanwaltschaft Wiesbaden wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde. Das HLKA sprach im Februar 2014 gegenüber Herrn L. in diesem Zusammenhang eine Abmahnung aus. Die Abmahnung fußte nicht, wie man nach der Darstellung im Pressebericht vom 5. September 2017 vermuten könnte, auf der Grundlage eines Sachverhalts der Untreue bzw. Betrugs, sondern auf der im Rahmen der Untersuchung des Vorgangs wahrheitswidrigen Angabe von Herrn L. über den Verbleib einer durch ihn am 23. August 2013 bestellten Fotokamera. Frage 2. Wie hat man festgestellt, dass Herr L. Betrugsvergehen zu Lasten des Landes Hessen ausüben konnte? Im Juni 2015 ging beim HLKA die Mahnung eines Lieferanten ein, die keinem Bestellvorgang zugeordnet werden konnte. Nachforschungen ergaben, dass Herr L. unter dem Briefkopf des HLKA mittels eines unzulässigen, selbst erstellten Formblatts in mehreren Fällen Fotoartikel bestellt hatte, für welche keine dienstliche Veranlassung bestand. Die Angaben auf dem vorschriftswidrigen Bestellblatt führten zur persönlichen Abwicklung der Bestellung über Herrn L. Anlässlich dieses Bestellvorgangs wurde augenscheinlich, dass Herr L. private Bestellungen unter systematischer Umgehung von bestehenden Vorgaben im Beschaffungswesen über mehrere Jahre vorgenommen hatte. Das HLKA sprach als Konsequenz gegenüber Herrn L. eine außerordentliche Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis mit Herrn L. wurde schließlich im Wege eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden zum 30.09.2015 aufgelöst. Eingegangen am 19. Februar 2018 · Bearbeitet am 19. Februar 2018 · Ausgegeben am 23. Februar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5388 19. 02. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5388 Frage 3. Welche Kontrollmechanismen sind beim Landeskriminalamt im Bereich Beschaffung vorgesehen, damit nicht ein einzelner Mitarbeiter Betrugstaten ausführen kann? Bei Beschaffungsvorgängen ist zwischen Beschaffungen unter 10.000 € (netto) und Beschaffungen über 10.000 € (netto) zu unterscheiden. Beschaffungen unter 10.000 € werden im HLKA durch den jeweils zuständigen Sachbearbeiter initiiert und an den jeweiligen Hauptsachgebietsleiter (HSGL) bzw. den Abteilungsleiter (AL) weitergeleitet. Durch den HSGL oder AL wird die Beschaffungsmaßnahme erst in Gang gesetzt und zeitgleich der Bedarf bestätigt. Anschließend wird der Beschaffungsantrag an das Hauptsachgebiet 22 (Haushalt) zur Überprüfung und Mittelfreigabe weitergeleitet. Nach erfolgter Freigabe wird der Beschaffungsantrag an das Sachgebiet 242 (Beschaffung) übermittelt und dort nach Eingangsprüfung durch den Sachgebietsleiter bis zur Bestellung von einem Sachbearbeiter bearbeitet. Bei Vorgängen über 7.500 € erfolgt vor der SAP-Bestellung noch eine Prüfung des Vorgangs durch den Sachgebietsleiter. Bei Wareneingang prüft der Lagerverwalter anhand der ursprünglichen Beschaffungsanforderung und der daraus entstandenen SAP-Bestellung den vollständigen Eingang der bestellten Ware und ob der ursprüngliche Beschaffungsansatz mit der SAP-Bestellung übereinstimmt. Ab einem Auftragswert über 10.000 € werden im Bereich der hessischen Polizei weitere Kontrollen der Qualitätssicherung und Regelkonformität durchgeführt nach den Vorgaben des Erlasses zum Beschaffungsmanagement sowie grundsätzliche technische Rahmenvorgaben und Standards in der hessischen Polizei vom 1. April 2016 (StAnz. S. 443). Hierbei werden zunächst seitens einer hessischen Polizeibehörde in Funktion als Bedarfsstelle Qualitätssicherungsstufen der Bedarfs- und Budgetklärung durch die dezentralen Beschaffungsorganisationseinheiten durchgeführt. Im Rahmen der Bedarfs- und Budgetklärung werden die formale Vollständigkeit sowie die Budgetverfügbarkeit geprüft. Diese Prüfung stellt die Ausgangsprüfung des gesamten Beschaffungsvorgangs dar. Die Qualitätssicherungsstufen der fachtechnischen und vergaberechtlichen Prüfung, der Vergabevorbereitung und der vergaberechtlichen Prüfung vor Zuschlagserteilung liegen im Bereich polizeilicher Beschaffungen in der Zuständigkeit des Präsidiums für Technik, Logistik und Verwaltung als einer Zentralen Beschaffungsstelle des Landes Hessen. In den unter Ziffer 3.3 des Erlasses zum Beschaffungsmanagement des Landes Hessen für Lieferungen und Leistungen (ausgenommen Bauleistungen) vom 1. Dezember 2015 (StAnz. 51/2015 S. 1308) aufgeführten Ausnahmefällen kann die Bedarfsstelle in eigener Zuständigkeit und ohne Beteiligung einer Zentralen Beschaffungsstelle des Landes Hessen die Beschaffung durchführen. Die Beschaffungsmaßnahme, einschließlich der Verfahrensdokumentation, obliegt der Eigenverantwortlichkeit der Bedarfsstelle. Auch in diesen Ausnahmefällen ist die Einhaltung der Qualitätssicherungsstufen durch die Bedarfsstelle zu gewährleisten. Hierbei kann beratende Unterstützung der jeweils zuständigen Zentralen Beschaffungsstelle eingeholt werden. Obliegt dem HLKA als Bedarfsstelle im Ausnahmefall die Beschaffung ab einem Auftragswert über 10.000 € (netto) und damit auch die Einhaltung aller Qualitätsstufen, wird dies wie nachstehend aufgeführt gewährleistet. Der Beschaffungsantrag wird analog der Verfahrensweise bei Auftragswerten unter 10.000 € (netto) durch die Bedarfsorganisation erstellt. Die Zweck-Mittel-Relation sowie die Schlüssigkeit der Beschaffung werden dann jedoch durch das Präsidialbüro (P3 Controlling) beim HLKA geprüft. Anschließend erfolgt die Prüfung und Mittelfreigabe der Haushaltsmittel durch das Hauptsachgebiet 22 (Haushalt). Nach der Freigabe der Haushaltsmittel wird der Beschaffungsantrag durch den Leiter des Sachgebiets 242 (Beschaffung) gem. der rechtlichen Vorgaben im Beschaffungswesen und insbesondere im Hinblick auf die formale Vollständigkeit des Gesamtvorgangs geprüft. Im Anschluss werden seitens eines Sachbearbeiters im Sachgebiet 242 (Beschaffung ) die erforderlichen fachlichen Stellungnahmen von den Fachstellen angefordert. Ist die Bedarfsstelle zugleich die Fachstelle muss eine Mitzeichnung des unmittelbaren Vorgesetzten der Fachstelle erfolgen. Nachdem die fachlichen Stellungnahmen und entsprechende Angebote eingeholt wurden, erfolgt die Prüfung und Wertung des Beschaffungsvorgangs unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten durch den Sachbearbeiter, welcher sodann dem Sachgebietsleiter einen Vergabevorschlag vorlegt. Die Vergabeentscheidung (Zuschlagserteilung) erfolgt durch den Sachgebietsleiter nach Prüfung des Vergabevorschlags. Die Umsetzung der Vergabeentscheidung wird wiederum durch den Sachbearbeiter mittels Anlage eines Vorgangs in SAP und Fertigen eines Abrufs (Auftragserteilung) veranlasst. Bei Wareneingang gleicht der Lagerverwalter die ursprüngliche Bedarfsanforderung (Beschaffungsantrag) mit der tatsächlichen Beschaffung und der gelieferten Ware ab. Frage 4. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Landesregierung aus dem vorliegenden Fall gewonnen und wurden Abläufe im Rahmen des Beschaffungsverfahrens geändert? Bei den festgestellten Verfehlungen von Herrn L. handelt es sich um einen Einzelfall, aus dem keine grundsätzlichen generellen Ableitungen möglich sind. Wie in der Antwort zu Frage 3 dar- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5388 3 gestellt, gibt es im Rahmen von Beschaffungsvorgängen bei der Hessischen Polizei Kontrollen der Qualitätssicherung und Regelkonformität, die nach Beschaffungsvorgängen unter 10.000 € (netto) und Beschaffungen über 10.000 € gestuft sind. Diese Regelungen dienen regel- und gesetzeskonformen Beschaffungsverfahren. Dolose Handlungen von Einzelpersonen, die mit krimineller Energie Wege suchen, um sich einem Mehr-Augen-Prinzip zu entziehen, können jedoch leider nicht völlig ausgeschlossen werden. Hierbei ist auch zu betonen, dass die absolute Mehrheit der Beschäftigten in der Hessischen Landesverwaltung, bis auf Einzelpersonen, sich regel- und gesetzeskonform verhält und ein Generalverdacht gegen alle Beschäftigten daher weder erforderlich noch nachvollziehbar wäre. Aufgrund eines einzelnen Beschäftigten mit krimineller Energie ist kein Anlass ersichtlich die bestehenden Regelungen weiter zu verschärfen. Wiesbaden, 31. Januar 2018 Peter Beuth