Kleine Anfrage des Abg. Weiß (SPD) vom 23.06.2014 betreffend Verlagerung Kurzstreckenflüge auf die Bahn und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Gegenwärtig bietet die Lufthansa auf den Strecken Stuttgart-Flughafen Frankfurt, Köln-Flughafen Frankfurt und Düsseldorf-Flughafen Frankfurt im Rahmen des AIRail-Programms stündliche bzw. zweistündliche Angebote auf der Schiene an. Seit 2007 sind Flüge der Lufthansa zwischen Köln und Frankfurt eingestellt worden . Auf den Strecken von Stuttgart und Düsseldorf nach Frankfurt gibt es parallel dazu ein Angebot der Lufthansa für Flüge. Verkehrsminister Tarek Al-Wazir hat sich zuletzt in mehreren Presseveröffentlichungen für eine Verlagerung insbesondere der Flüge der Strecke Stuttgart - Flughafen Frankfurt auf die Bahn ausgesprochen. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Der Flughafen Frankfurt trägt als Kernstück der hessischen Wirtschaft entscheidend zur Wirtschaftskraft des Landes Hessen bei. Zur Erhaltung und Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens Frankfurt dürfen aber nicht allein rein ökonomische Gründe von Bedeutung sein, sondern es muss ebenfalls ein Ausgleich der bestehenden Interessen gewährleistet sein. Wo immer es möglich ist, Flüge und die damit verbundenen negativen Umweltauswirkungen infolge der Bereitstellung eines gleichwertigen oder sogar besseren Schienenverkehrsangebotes zu vermeiden, können die infrastrukturellen Anforderungen an einen modernen Wirtschaftsraum ohne jegliche Abstriche oder Nachteile mit den berechtigten Lärmschutz- und Umweltbelangen in Einklang gebracht werden. Demzufolge hat sich die Hessische Landesregierung im Koalitionsvertrag nicht nur die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens Frankfurt zum Ziel gesetzt, sondern wird auch auf eine Weiterentwicklung des AIRail-Konzeptes hinwirken, um so die Verlagerung von Flugbewegungen auf die Schiene zu fördern. Im Bereich der Luftverkehrswirtschaft ist die Entscheidung über anzufliegende Zielorte größtenteils durch das Nachfrageverhalten der Nutzer geprägt, die damit entscheidenden Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen zur Etablierung neuer Flugstrecken oder zur Aufrechterhaltung der bisherigen Flugverbindungen in Abhängigkeit vom Auslastungsgrad nehmen. Hier sind insbesondere die Reisestellen großer Unternehmen mit vielen Dienstleistern gefordert, die Alternativen einer Bahnanreise vor einem Interkontinentalflug stärker in Betracht zu ziehen. Mithilfe des AIRail-Konzeptes werden für Reisende Anreize geschaffen, anstelle der Anreise zum Flughafen Frankfurt mit dem Flugzeug die Bahn zu nutzen. Für eine Verlagerung des Flugverkehrs zwischen Frankfurt und innerdeutschen Hauptbahnhöfen sind dabei nicht nur die angebotene Bahnverbindung und deren Taktung als solche von Bedeutung, sondern auch die Möglichkeiten für Gepäckaufgabe und Check-in. Nur ein attraktives Reisekonzept kann bestehende Verlagerungspotentiale von Kurzstreckenflügen auf die Bahn aktivieren. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Kann und falls ja wie kann die Landesregierung die Einstellung der parallelen Flüge von Stutt- gart und Düsseldorf zum Flughafen Frankfurt unterstützen? Die Einstellung der parallelen Flüge von Stuttgart und Düsseldorf zum Flughafen Frankfurt ist eine unternehmerische Entscheidung, die allein von den Luftfahrtunternehmen zu treffen ist. Zu einem unmittelbaren Einwirken auf diese unternehmerische Freiheit, z.B. in Form von Untersagungen oder Verboten des parallelen Flugbetriebs, ist die Landesregierung nicht befugt. Eine entsprechende Steuerungswirkung kann nur von den Nutzern ausgehen. Voraussetzung ist, dass das Konzept auf die Wünsche und Bedürfnisse der Reisenden zugeschnitten ist und zu kom- Eingegangen am 5. August 2014 · Ausgegeben am 8. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/542 05. 08. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/542 fortablen Reisebedingungen beiträgt. Je besser dies gewährleistet ist, um so höher sind die zu erwartenden Verlagerungseffekte im Kurzstreckenbereich vom Flugzeug auf die Bahn. Das Nutzerverhalten kann einerseits durch die Gestaltung des konkreten AIRail-Angebotes am Stuttgarter und Düsseldorfer Hauptbahnhof, andererseits durch attraktive Angebote im Schienenverkehr von Unternehmerseite beeinflusst werden. Düsseldorf Hbf und Stuttgart Hbf sind vom Flughafen Frankfurt in jeweils 1 Std. 15 Min. per Bahn erreichbar. Nach Düsseldorf bestehen in der Regel 3, nach Stuttgart 1 bis 2 Direktverbindungen pro Stunde per Bahn ab Flughafen Frankfurt. Die von der DB AG geplante Verdichtung der Angebote nach Stuttgart stößt aufgrund der nicht ausreichenden Streckenkapazität an ihre Grenzen. Die Landesregierung setzt sich daher mit Nachdruck für die hessischen Schieneninfrastrukturmaßnahmen ein, die für den Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet worden sind. Mit dem Bundesverkehrswegeplan 2015 werden Prioritätensetzungen in der Finanzierung von Schieneninfrastruktur anhand von Engpassanalysen erfolgen. Zu diesen Schieneninfrastrukturmaßnahmen gehört insbesondere der Neubau einer Schnellfahrstrecke Frankfurt-Mannheim (Rhein/Main-Rhein-Neckar), um die entsprechenden Kapazitäten für Fahrten von und nach Stuttgart und damit ein attraktives Bahnangebot zu schaffen. Die infolge der Eröffnung der ICE-Schnellfahrstrecke Köln/Rhein-Main erzielte erhebliche Attraktivitätssteigerung des Schienenverkehrs und das daraufhin geänderte Nutzerverhalten - das maßgeblich zur Einstellung der Flugverbindung Köln-Frankfurt beigetragen hat - belegt, wie wichtig dieser Faktor ist. Frage 2. Kann und falls ja wie kann die Landesregierung eine Ausweitung des AIRail Angebotes auf die Linie 41 (Dortmund-Bochum-Essen-Duisburg-Düsseldorf-FRA-Würzberg-Nürnberg) und auf die Linie 22 (Hannover-Kassel-FRA-Stuttgart) unterstützen? Auf die Antwort zur Frage 1 wird verwiesen. Frage 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Regelungen der EU zur Liberalisierung des Luftverkehrs in der Weise geändert werden sollten, dass für Kurzstreckenflüge innerhalb eines Staates der EU die Befugnis zur Untersagung solcher Flüge den nationalen Behörden eingeräumt werden sollte? Ist die Landesregierung bereit, über eine Bundesratsinitiative die Bundesregierung aufzufordern, eine dementsprechende Initiative zu ergreifen, und falls nein, warum nicht? Nach Sinn und Zweck der europarechtlichen Vorgaben zur Liberalisierung des Luftverkehrs sind diese bereits nicht geeignet, als Grundlage für Verbote von parallel zum Bahnbetrieb angebotenen Kurzstreckenflüge durch die Mitgliedstaaten zu dienen. Zu beachten ist des Weiteren, dass ein Implementieren von Verboten der Bedienung bestimmter Flugstrecken durch Änderungen von Regelungen der EU nicht mit den in Zusatzvereinbarungen zum Abkommen von Chicago über die internationale Zivilluftfahrt völkerrechtlich verankerten Freiheiten des Luftverkehrs, zu denen sich die Bundesrepublik Deutschland neben anderen führenden Luftfahrtnationen verpflichtet hat, vereinbar ist. Die Bundesrepublik Deutschland wäre verpflichtet, die von ihr geschlossenen völkerrechtlichen Verträge den Erfordernissen des dann entsprechend geänderten EU-Rechts anzupassen. D.h. zur Behebung dieser materiellen Unvereinbarkeiten wären entsprechende Anpassungen der völkerrechtlichen Verträge erforderlich, die gerade bei multilateralen Verträgen, denen sich faktisch alle luftfahrttreibenden Staaten angeschlossen haben, realitätsfremd wären. Die Landesregierung wird sich vielmehr weiterhin für eine Weiterentwicklung des AIRailKonzeptes als angebotsbasiertem Steuerungsmittel einsetzen, damit sich auf diese Weise im Rahmen eines ganzheitlichen Verkehrsträgerkonzeptes der Parallelbetrieb von Kurzstreckenflügen zu Bahnverbindungen reduziert. Allerdings sind diesem Konzept auch Grenzen gesetzt, auf die die Hessische Landesregierung keinen Einfluss hat. Diese Grenzen, welche u. a. auf wettbewerbliche Aspekte zurückzuführen sind, hat die Deutsche Lufthansa AG in ihrer Präsentation auf der 225. Sitzung der Frankfurter Fluglärmkommission am 07.05.2014 dargestellt. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin dafür werben, Alternativen zu Kurzstreckenflügen zu nutzen. Wiesbaden, 24. Juli 2014 Tarek Al-Wazir