Kleine Anfrage der Abg. Dr. Spies und Löber (SPD) vom 23.06.2014 betreffend Teilzeitbeschäftigung und Stellenteilung von kommunalen Wahlbeamten in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Aus dem Kontext (vgl. Fragen Nr. 8 und 9) der Kleinen Anfrage ist zu entnehmen, dass es (nur) um hauptamtliche Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte geht. Ehrenamtliche Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte (auf Beigeordnetenposten) bleiben daher auch bei den Antworten zu den Fragen 1 bis 7 außer Betracht. Um einen unverhältnismäßigen Aufwand zu vermeiden, wurden die 447 hessischen Kommunen (426 Gemeinden und 21 Landkreise) nur um einen Bericht zur derzeitigen Situation ihres Spitzenpersonals und ihrer hauptamtlichen Wahlbeamtenstellen gebeten. Dem ist hinzuzufügen, dass es für die Gemeinden in dieser Frage keine Berichtspflicht - z.B. gegenüber dem Hessischen Statistischen Landesamt - gibt und die Kommunalaufsicht als reine Rechtsaufsicht einen Anspruch auf einen Bericht nur bei dem Verdacht einer Rechtsverletzung einfordern kann (§ 137 HGO). Informationen zur Geschlechterverteilung auf dem Spitzenposten einer Gemeindeoder Kreisverwaltung sind aber für die Zeit nach Einführung der Direktwahl im Jahr 1993 allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen (vgl. z.B. Plenarprotokoll 13. WP S. 5644, Beantwortung einer Mündlichen Frage am 16.6.1994; Landessozialbericht vom 10.5.2012). Es ist zudem allgemein bekannt, dass es vor der Einführung der Direktwahl in Hessen keine Oberbürgermeisterin und keine Landrätin gab (vgl. Dreßler in HSGZ 2002 S. 151). Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt; Frage 1. Wie viele Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte, aufgeteilt nach Geschlecht, gab es in den Jahren 1994 bis 2013 jahresweise und gibt es derzeit in Hessen, differenziert nach Landkreisen, kreisfreien Städten, Sonderstatusstädten und Gemeinden? Eingegangen am 4. September 2014 · Ausgegeben am 8. September 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/544 04. 09. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG Hauptamtliche kommunale Wahlbeamte (Stichtag: 1.7.2014) Landkreise insgesamt weiblich männlich Landrat 21 2 19 Beigeordnete 28 5 23 Kreisfreie Städte insgesamt weiblich männlich Oberbürgermeister 5 0 5 Stadträte 25 8 17 Sonderstatusstädte insgesamt weiblich männlich Oberbürgermeister 7 1 6 Stadträte ¹ 13 2 11 Sonstige Gemeinden insgesamt weiblich männlich Bürgermeister² 412 28 384 Beigeordnete / Stadträte 43 5 38 Anmerkungen: ¹Die zweite hauptamtliche Stelle im Magistrat der Stadt Fulda ist derzeit unbesetzt. ²Der Bürgermeister der Gemeinde Weißenborn ist ehrenamtlich tätig. Die Stelle des Bürgermeisters von Gersfeld ist am Sichtag nicht besetzt. 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/544 Frage 2. Gab es in den Jahren 1994 bis 2013 oder gibt es derzeit in Hessen in Landkreisen, kreisfreien Städten, Sonderstatusstädten und Gemeinden Stellenreduzierung von Wahlbeamtinnen/-beamten bzw. Wahlbeamtinnen/-beamten auf geteilten Stellen? Derzeit (Stand 01.07.2014) üben in Hessen zwei hauptamtliche Wahlbeamte ihr Amt in Teilzeit aus: Die Stadträtin der Stadt Marburg und der Bürgermeister von Homberg (Ohm). In den Jahren 1996 bis 2000 war einer von drei hauptamtlichen Wahlbeamten in der Stadt Dreieich in Teilzeit beschäftigt. Im Jahr 1995 hat eine Dezernentin der Stadt Frankfurt am Main für einige Monate ihre Arbeitszeit reduziert. Dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport als der obersten Kommunalaufsichtsbehörde ist nicht bekannt, dass es in den Jahren seit 1994 in irgendeiner Gemeinde oder in irgendeinem Landkreis zu einer geteilten hauptamtlichen Wahlbeamtenstelle gekommen wäre. Die Aufteilung der Stelle eines hauptamtlichen Bürgermeisters oder eines hauptamtlichen Beigeordneten auf mehrere "Teilzeit-Stelleninhaber" ist nach dem gegenwärtigen Kommunal- und Kommunalwahlrecht nicht zulässig (vgl. Schneider/Dreßler § 44 HGO Erl. 4). Dementsprechend wurde die "Tandembewerbung" zweier Kommunalpolitiker für die Oberbürgermeisterwahl in Darmstadt am 27.03.2011 nicht zugelassen. Frage 3. Falls Frage 2 mit Ja beantwortet wird: In welchen Körperschaften, für welche Funktionen? Eine Beantwortung dieser Frage entfällt. Frage 4. Falls Frage 2 mit Ja beantwortet wird: Auf Grund welcher rechtlichen Konstruktion erfolgt dies? Eine Beantwortung dieser Frage entfällt. Frage 5. Falls Frage 2 mit Nein beantwortet wird: Worin sieht die Landesregierung die Gründe dafür? Nach dem hessischen Kommunalrecht kann auf eine freie "Wahlbeamtenstelle" nur ein Bewerber gewählt werden. Etwas anderes ist im Ländervergleich auch in den Kommunalverfassungen der anderen 12 deutschen Flächenländer nicht vorgesehen. Frage 6. Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Landesregierung derzeit, um Stellen von Wahlbeam- tinnen und Wahlbeamten auf mehr als eine Person aufzuteilen oder in Teilzeit auszuüben? Auf der Basis des geltenden Rechts gibt es - wie ausgeführt - keine rechtlichen Möglichkeiten, eine Wahlbeamtenstelle zu teilen und sie durch mehrere Personen wahrzunehmen. Hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten in Bezug auf die Ausübung in Teilzeit wird auf die Antwort zu den Fragen 7 bis 9 verwiesen. Frage 7. Welche rechtlichen Hindernisse sieht die Landesregierung derzeit, die Besetzung von Wahlbe- amtenfunktionen in Teilzeit oder die Teilung solcher Stellen/Funktionen herbeizuführen? Frage 8. Wie beurteilt die Landesregierung im Falle einer auf mehr als eine Person aufgeteilten hauptamt- lichen Wahlbeamtenstelle die Bedingungen für die Aufteilung von Magistratsfunktionen? Frage 9. Sofern die Landesregierung rechtliche Hindernisse für die Teilung von Stellen hauptamtlicher Wahlbeamter oder ihre Besetzung in Teilzeit sieht, welche gesetzgeberischen Schritte wären nach Einschätzung der Landesregierung erforderlich, um dies zu ermöglichen und plant sie, entsprechende Initiativen dem Landtag vorzulegen? Die Fragen 7 bis 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam wie folgt beantwortet : Es bestehen in Hessen keine rechtlichen Hindernisse dagegen, wenn ein hauptamtlicher Wahlbeamter seine regelmäßige Arbeitszeit (um bis zu 50 %) ermäßigen will. Denn für Wahlbeamte ist die Frage der Teilzeitarbeit nicht besonders geregelt, so dass gem. § 6 Abs. 1 HBG für sie insofern die allgemeinen beamtenrechtliche Vorschriften gelten. Praktische Anwendungsbeispiele dafür gibt es und hat es gegeben, vgl. hierzu auch die Antwort zu Frage 2. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat im Übrigen nach dem Inkrafttreten des Zweiten Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes das Infoblatt über die Teilzeitbeschäftigung für Beamtinnen und Beamte überarbeitet und stellt es auf seiner Homepage (www.hmdis.hessen.de) unter "Bürger und Staat - Personalwesen" über den Link "Detailinformationen zum Personalwesen" und dort unter "Infoschriften" allgemein zur Verfügung. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/544 3 Andere Länder sind in diesem Punkt deutlich restriktiver als das Land Hessen und schließen eine Reduzierung der Arbeitszeit auf Wahlbeamtenstellen aus. Wer sich z.B. in Bayern für ein Spitzenamt in der Kommunalverwaltung zur Wahl stellt, muss bereit sein, sich für die Dauer der Amtszeit mit ganzer Kraft und zu 100 % für das Amt einzusetzen (vgl. Art. 40 Abs. 2 Bay. KWG, wonach die Änderung von § 49 BeamtStG ausgeschlossen ist). Die Landesregierung sieht zurzeit keine Möglichkeit, die Aufteilung von Wahlbeamtenstellen in den hessischen Kommunen rechtlich zu ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn zwei (oder noch mehr) Personen eine Behörde oder ein Dezernat leiten - insbesondere dann, wenn sich ein zunächst stehender Grundkonsens im Laufe der Amtszeit verflüchtigt und immer mehr Meinungsverschiedenheiten zu Tage treten. Vielmehr begegnet auch die Zulässigkeit einer "Tandembewerbung" verfassungsrechtlichen Bedenken dahin gehend, ob sie sich mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl verträgt (vgl. Urt. des Hess. StGH v. 07.07.1977, in NJW 1977 S. 2065 zur Verfassungswidrigkeit des sog. ruhenden Mandats). Das gilt insbesondere dann, wenn der Wunsch nach Teilzeittätigkeit erst im Laufe der Amtszeit entsteht. Weiterhin ist zu bedenken, dass eine einmal geschaffene Stellenteilung möglicherweise auch zukünftige Stadtverordnetenversammlungen bzw. Kreistage bindet: Selbst bei einer Tandembewerbung können durch ein unvorhergesehenes vorzeitiges Ausscheiden die Amtszeiten der beiden Teilzeit-Stelleninhaber schnell inkongruent werden. Vor allem ist aber zu berücksichtigen, dass Bürgermeister und Beigeordnete nicht nur eine Behörde bzw. ein Dezernat leiten, sondern zugleich einem Kollegialorgan angehören und dort jeder eine (volle) Stimme hat. Es ist unklar, wie diese Stimme bei Aufteilung der Stelle ausgeübt werden sollte. Bezeichnender Weise sah der Änderungsantrag der Fraktion der SPD vom 22.05.2013 zum Zweiten Dienstrechtsmodernisierungsgesetz (LT-Drs. 18/7417) auch bei einer Arbeitszeitreduzierung eines hauptamtlichen Beigeordneten keine Kompensation durch einen hauptamtlichen "Tandempartner", sondern durch einen zusätzlichen ehrenamtlichen Beigeordneten vor. Zudem ist darauf aufmerksam zu machen, dass jedenfalls die planmäßige Aufteilung eines Mandats auf zwei Bewerber "im Blockmodell" (Rotation nach der Hälfte der Legislaturperiode ) von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als unzulässig erachtet wurde (vgl. Nds. StGH, Urt. v. 05.06.1985 in NJW 1985 S. 2319). Im Ergebnis ist somit das sog. Jobsharing auf den Führungspositionen im öffentlichen Dienst, insbesondere auf solchen, die durch Wahlen besetzt werden, eine äußerst komplexe Rechtsproblematik . Eine entsprechende Initiative ist daher gegenwärtig nicht geplant. Wiesbaden, 12. August 2014 In Vertretung: Werner Koch