Kleine Anfrage der Abg. Degen und Lotz (SPD) vom 22.11.2017 betreffend Netzwerkentwicklungsplan und die Auswirkungen auf den Main-Kinzig-Kreis und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Für die als Freileitung geplante Stromtrasse P43, die von Mecklar (etwa 45 km nördlich von Fulda) über Dipperz (bei Fulda) in den Raum Grafenrheinfeld verlaufen sollte, wurde eine modifizierte Variante P43mod entworfen, die den Main-Kinzig-Kreis zunehmend belasten würde. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD forderten am 01. Juli 2015 die Bundesnetzagentur und die Übertragungsnetzbetreiber auf, Alternativen zu entwickeln, damit das als Neubau geplante und seit dem Jahr 2013 im Bundesbedarfsplangesetz verankerte Drehstromvorhaben Mecklar-Grafenrheinfeld "entfallen könne und stattdessen in Bestandstrassen mitgeführt und neue Endpunkte möglich werden". Diese Aufforderung führte zu der Aufnahme der Variante "P43mod" in den Netzentwicklungsplan, welche eine Trassenführung von Mecklar über Dipperz bis nach Urberach vorsieht. Die Landesregierung lehnt die Variante P43mod entschieden ab. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Umweltauswirkungen wären für den Main-Kinzig-Kreis durch die Variante P43 im Vergleich zur Variante P43mod zu erwarten? Die zu erwartenden Umweltauswirkungen eines Netzausbauvorhabens, für das im Netzentwicklungsplan lediglich Anfangs- und Endpunkte definiert sind, können grundsätzlich nur grob abgeschätzt werden. Daher kann keine belastbare Aussage darüber getroffen werden, ob und in welchem Umfang der Main-Kinzig-Kreis von einer Realisierung des Vorhabens "P43" räumlich betroffen wäre. Mit dem zweiten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2030 haben die Übertragungsnetzbetreiber einen Umweltbericht veröffentlicht, der gleichwohl mögliche räumliche Auswirkungen der Netzausbauvorhaben antizipiert. Hinsichtlich des Vorhabens "P43mod" werden als räumliche Hindernisse "mehrere nicht umgehbare Bereiche aus Siedlungsflächen, Natura 2000-Gebieten, Limes und Flächen mit eingeschränkter Verfügbarkeit" genannt, auch "im Restraum sind erhebliche Umweltauswirkungen potenziell in moderatem Umfang möglich". Insgesamt bewerten die Übertragungsnetzbetreiber die Raumverträglichkeit der Variante "P43mod" mit C# (C bedeutet "mehrere Riegel bzw. ein breiter Riegel"; # bedeutet "erhebliche Umweltauswirkungen sind potenziell in moderatem Umfang möglich") und damit schlechter als die Ursprungsvariante "P43", die mit B## (B bedeutet "ein Riegel", ## bedeutet "erhebliche Umweltauswirkungen werden voraussichtlich umfangreich ausgelöst") bewertet wird. Frage 2. Die Bundesnetzagentur betrachtet die Varianten P43 und P43mod als gleichwertig, die Übertragungsnetzbetreiber sehen jedoch deutliche Nachteile in der modifizierten Variante. Wo sieht die Landesregierung die Vor- und Nachteile der beiden Varianten? Bereits der erste, im Jahr 2012 erarbeitete Netzentwicklungsplan mit dem Zieljahr 2022 sah die mit "P43" geplante Drehstromverbindung zwischen Mecklar und Bayern als erforderlich an, um den Übertragungsbedarf zwischen Hessen und Bayern zu decken. Das Vorhaben wurde vom Bundesgesetzgeber in den Bundesbedarfsplan aufgenommen und von der BNetzA in den folgenden Netzentwicklungsplänen fortwährend bestätigt. Bereits der Umstand, dass die Variante Eingegangen am 9. Januar 2018 · Bearbeitet am 10. Januar 2018 · Ausgegeben am 12. Januar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5446 09. 01. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5446 "P43mod" nur innerhalb Hessens verläuft und den stets zwischen den Ländern Hessen und Bayern gesehenen Übertragungsbedarf nicht unmittelbar bedienen und damit die Kapazitätsengpässe zwischen diesen Ländern nicht beseitigen kann, muss daher Zweifel an der netz- und elektrotechnischen Effizienz von "P43mod" wecken. Die Ergebnisse der im Vorfeld der Veröffentlichung des zweiten Entwurfs des Netzentwicklungsplans 2030 vorgelegten Netzanalysen belegen nunmehr eindrücklich die Vorteilhaftigkeit der Ursprungsvariante. Eine Realisierung der Variante P43mod würde zudem zusätzlichen Netzausbau ab Urberach in Richtung Daxlanden (Baden -Württemberg) und zwischen Vieselbach (Thüringen) und Mecklar auslösen. Zudem werden die Umweltauswirkungen der Ursprungsvariante "P43" von den Übertragungsnetzbetreibern als geringer eingeschätzt. Frage 3. Auf der Trasse der Variante P43 sind Siedlungsannäherungen im 200-Meter-Bereich zu 1,8 % der Gesamtlänge sowie im 400-Meter-Bereich zu 4 % der Gesamtlänge zu verzeichnen; die Siedlungsannäherung der P43mod Variante liegt hier bei 10,5 % der Gesamtlänge im 200-Meter- Bereich und bei 12,8 % im 400-Meter-Bereich. Wie bewertet die Landesregierung diese kritischen Unterschiede in der Siedlungsannäherung? Auch wenn der gegenwärtige Planungsstand der Varianten keine belastbaren Angaben über die Siedlungsannäherung zulässt, sind bei der Realisierung der Variante P43mod, die weitestgehend in einer Bestandstrasse verlaufen würde, häufiger Siedlungsannäherungen im 200- bzw. 400- Meter-Bereich anzunehmen als in der Ursprungsvariante P43. Da die bestehenden Masten die zusätzliche 380 kV-Leitung nicht mitführen können, erfordert "P43mod" zumindest einen Ersatzneubau . Da in einem solchen Ersatzneubau weder eine Optimierung noch eine Verstärkung der bestehenden Trasse gesehen werden kann, würde "P43mod" auch keinesfalls dem sogenannten "NOVA-Prinzip" entsprechen. Auch aus diesem Grund lehnt die Landesregierung die Variante P43mod ab. Frage 4. Die betroffenen Kommunen Freigericht, Hasselroth, Gelnhausen, Gründau, Wächtersbach, Brachttal, Birstein, Steinau und Schlüchtern sprechen sich gegen "P43mod" im Kinzigtal aus. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um diese Kommunen zu unterstützen? Die Landesregierung hat die Variante "P43mod" seit ihrer erstmaligen Aufnahme in den Netzentwicklungsplan 2025 entschieden abgelehnt und in mehreren Stellungnahmen zu den Konsultationsverfahren deutlich auf die Nachteile dieser Variante hingewiesen. Die Landesregierung hat zudem gegenüber der Bundesnetzagentur sowie dem Bundeswirtschaftsministerium deutlich darauf hingewiesen, dass eine Bestätigung der fachlich nicht haltbaren Variante "P43mod" keinesfalls akzeptiert werden kann und die Erwartungshaltung geäußert, dass "P43mod" endgültig abgelehnt wird. Frage 5. Die Variante P43mod würde laut Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber zu einer Überlastung zwischen Urberach (HE) und Daxlanden (BW) führen. Würde die Variante P43mod einen 140 Kilometer langen Neubau erfordern? Nach der von den Übertragungsnetzbetreibern angewandten Methodik der Netzberechnungen würde eine Realisierung von "P43mod" südlich von Urberach Überlastungen des Drehstromnetzes in Richtung Baden-Württemberg verursachen. Dies würde Netzverstärkungen auf einer Strecke von 140 Kilometern erfordern, die über die ohnehin geplanten Verstärkungsmaßnahmen hinausgehen. Da jegliche Spielräume zur Verstärkung und Optimierung der bestehenden Mastreihen ausgeschöpft sind, müsste nach den Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber ein Neubau in neuer Trasse erfolgen. Die BNetzA hingegen legt den eigenen Berechnungen eine andere Methodik zu Grunde und streitet den von den Übertragungsnetzbetreibern gesehenen, zusätzlichen Netzausbaubedarf ab Urberach in Richtung Daxlanden ab. Die Landesregierung erwartet von der BNetzA, dass sie sich vertiefter mit den Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber auseinandersetzt und den durch "P43mod" ausgelösten Netzausbaubedarf in ihre Abwägungsentscheidung mit einbezieht. Wiesbaden, 21. Dezember 2017 Tarek Al-Wazir