Kleine Anfrage der Abg. Özgüven, Merz und Dr. Sommer (SPD) vom 22.11.201 betreffend Begutachtung des Universitätsklinikums Gießen Marburg durch den Wissenschaftsrat und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragesteller: Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) hatte den Wissenschaftsrat im Jahr 2008 beauftragt zu prüfen, ob sich das gesetzliche und vertragliche Regelungswerk des privatisierten Universitätsklinikums Gießen und Marburg GmbH bewährt und insbesondere den Belangen von Forschung und Lehre Rechnung trägt. Der Wissenschaftsrat hatte nach einer Begutachtung die Fusionierung und Privatisierung evaluiert und den entsprechenden Bericht dazu im Jahr 2010 veröffentlicht. Gleichzeitig hatte er angekündigt, dass die nächste Begutachtung des Klinikums frühestens in fünf Jahren erfolgen werde. Der Wissenschaftsrat hatte in seinem Bericht Empfehlungen an die beteiligten Akteure aufgelistet, um das bestmögliche Ergebnis der Fusionierung und Privatisierung des Klinikums zu erreichen. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Es entspricht dem Selbstverständnis und den traditionellen Aufgaben des Wissenschaftsrates, die Entwicklung der Universitätsmedizin in den einzelnen Bundesländern aufmerksam zu verfolgen. Deswegen werden regelmäßig universitätsmedizinische Standorte in Deutschland durch den Wissenschaftsrat begutachtet und entsprechende Empfehlungen zu ihrer jeweiligen Weiterentwicklung abgegeben. Mit der Fusion der Universitätskliniken in Gießen und Marburg sowie der anschließenden Übernahme des Klinikums in private Trägerschaft wurde ein bundesweit einmaliges Projekt der strategischen Neuorientierung einer Hochschulmedizin umgesetzt. Der Wissenschaftsrat wurde daher ursprünglich bereits im Jahr 2005 gebeten, eine Stellungnahme zu den konkreten Absichten der Landesregierung abzugeben, was auch erfolgt ist. Aus Sicht des Landes war es ebenso sinnvoll wie notwendig, den Privatisierungsprozess durch externen Sachverstand begleiten zu lassen und sich der Bewertung durch den Wissenschaftsrat zu stellen. Das Land hatte in das Transaktionsverfahren klare Vorgaben eingebracht: Ziel war es, für die Universitätsmedizin in Mittelhessen angesichts bestehender Investitionsdefizite und der strukturellen Veränderung in der Krankenhausfinanzierung neue strategische Perspektiven und Zukunftschancen zu entwickeln. Durch gesetzliche Regelungen und vertragliche Vereinbarungen wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Krankenversorgung auf höchstem Niveau und die Freiheit von Forschung und Lehre zu sichern. Die erneute Stellungnahme des Wissenschaftsrates aus Mai 2010 versteht sich im Sinne eines Evaluationsberichtes und bezieht sich - entgegen der Vorbemerkung der Fragesteller - nicht nur auf das Klinikum, sondern vielmehr auf die universitätsmedizinischen Standorte Gießen und Marburg als solche, d.h. unter Einschluss der universitätsmedizinischen Einrichtungen der Universitäten Gießen und Marburg. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Hat sie zwischenzeitlich eine erneute Begutachtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) durch den Wissenschaftsrat in Auftrag gegeben? a) Wenn ja, wann ist der Auftrag erteilt worden? b) Wann ist mit der Veröffentlichung des Berichts zu rechnen? Nein, es ist bislang kein Antrag gestellt worden. Eingegangen am 10. Januar 2018 · Bearbeitet am 11. Januar 2018 · Ausgegeben am 12. Januar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5451 10. 01. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5451 Frage 2. Wenn sie noch keine erneute Begutachtung in Auftrag gegeben hat, warum nicht und wird sie noch einen entsprechenden Auftrag erteilen? a) Wenn ja, wann ist mit der Auftragserteilung zu rechnen? b) Wenn nein, hält es das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst nicht für sinnvoll, die Entwicklung des UKGM seit der Privatisierung auch über das Jahr 2010 hinaus durch Experten untersuchen, begleiten und beurteilen zu lassen, um eine bestmögliche Qualitätssicherung zu gewährleisten? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht geplant, einen Antrag zu stellen, der dann - eine positive Rückmeldung vorausgesetzt - in das Arbeitsprogramm des Wissenschaftsrates aufzunehmen wäre. In der Stellungnahme des Wissenschaftsrates aus Mai 2010 heißt es in der zusammenfassenden Bewertung: "Der Wissenschaftsrat sieht für den universitätsmedizinischen Standort Gießen und Marburg eine große Chance, sich zu einem national und international konkurrenzfähigen Standort zu entwickeln. Er bittet alle beteiligten Akteure, in den kommenden Jahren die Bedingungen für eine solche Entwicklung zu schaffen und behält sich vor, frühestens nach fünf Jahren eine erneute Begutachtung vorzunehmen." Aus Sicht der Landesregierung sollte die weitere Entwicklung an den universitätsmedizinischen Standorten Gießen und Marburg zunächst abgewartet werden. Das im Mai dieses Jahres vereinbarte "Zukunftspapier für die Weiterentwicklung der mittelhessischen Universitätsmedizin", an dessen Ausarbeitung das Land mitgewirkt hat, ist in diesem Zusammenhang als ein bedeutsames Gestaltungselement anzusehen, welches insbesondere beabsichtigt das Fundament zwischen Klinikum und Universitäten im Bewusstsein der Aufgabentrias von Krankenversorgung, Forschung und Lehre nachhaltig zu festigen. Frage 3. Wurden alle an das Land Hessen gerichteten Empfehlungen aus dem Bericht des Wissenschaftsrats von 2010 (Seite 72) umgesetzt? a) Wenn ja, wie und mit welchem Ergebnis? b) Welche der aufgelisteten Empfehlungen hat das Land nicht oder nicht vollumfänglich umgesetzt und warum nicht? Der Wissenschaftsrat differenziert seine Empfehlungen akteursbezogen. An das Land sind folgende Punkte adressiert worden: Verpflichtung der Akteure auf ihre gemeinsamen Aufgaben, Ziele und die vereinbarten Verfahren sowie Weiterentwicklung der übergreifenden Gremien; angemessene Erhöhung des Landeszuführungsbetrages; gezielter Einsatz von Investitionen für Forschung und Lehre, damit die Fachbereiche auch als materiell starke Partner des UKGM in gemeinsamen Schwerpunkten auftreten können; Einsatz eines externen wissenschaftlichen Beirates, der die Akteure in der gemeinsamen Strategiefindung unterstützt; keine Gefährdung der positiven Auswirkungen einer künftigen, auf Komplementarität angelegten Struktur der Standorte in Forschung, Lehre und Krankenversorgung sowie keine Gefährdung der mittelfristigen Fusion der Fachbereiche durch Einsparungen; Reintegration der Zahnmedizin in die Universitäten. Hinsichtlich des Landeszuführungsbetrages ist anzumerken, dass das Land den Hochschulen leistungsbezogene Globalbudgets zuweist, aus welchen sie im Rahmen der ihnen zugestandenen Hochschulautonomie anhand hochschulinterner Verfahren ihre jeweiligen Fachbereiche finanzieren . Ausführlichere Erläuterungen zu diesem Sachverhalt sind der Beantwortung zur Kleinen Anfrage 19/5371 zu entnehmen. Ein externer wissenschaftlicher Beirat ist nicht eingesetzt worden. Entsprechend dem landespolitischen Grundsatz zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen bei der Steuerung der Entwicklungsprozesse hält sich das Land tendenziell zurück. Es ist gleichwohl gelungen, auf verschiedenen Ebenen und in teils institutionalisierten Gesprächen mit allen Beteiligten Erfolg versprechende Lösungsansätze zu offenen Fragen zu erarbeiten, etwa im Hinblick auf das genannte "Zukunftspapier für die Weiterentwicklung der mittelhessischen Universitätsmedizin". Hier ist deutlich geworden, dass sich die Universitäten und das Klinikum durch die moderierende Rolle des Landes aufeinander zu bewegt haben. Die Dialogbereitschaft aller Beteiligten ist an dieser Stelle zu würdigen. Eine Reintegration der Zahnmedizin in die Universitäten ist zwar nicht vorgenommen worden, jedoch wurde ein Konzept erarbeitet und vorgelegt, das die Situation der Zahnmedizin unter besonderer Berücksichtigung von Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung beschreibt. Wiesbaden, 21. Dezember 2017 Boris Rhein