Kleine Anfrage des Abg. Eckert (SPD) vom 23.11.2017 betreffend stufenfreie und barrierefreie Bahnhöfe im Kreis Limburg-Weilburg und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Laut der Allianz pro Schiene sind mittlerweile fast 80 % der deutschen Bahnhöfe stufenfrei. In Hessen sind allerdings nur 66 % der 429 Bahnhöfe stufenfrei. Hessen schafft es mit diesem Wert nur auf Platz 15 der 16 Bundesländer. Stufenfreie Bahnhöfe nutzen Menschen mit Behinderungen, Müttern oder Vätern mit Kinderwagen , Fahrradfahrern, Reisenden mit schwerem Gepäck und älteren Reisenden, so die Allianz pro Schiene. Laut der Deutschen Bahn umfasst Barrierefreiheit an Bahnstationen darüber hinaus eine Vielzahl von Aspekten der Informationen, des Service und der baulichen Gestaltung des Bahnhofes. Im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) § 4 Barrierefreiheit heißt es: "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme und Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig." Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Bahnhöfe und Stationen in Hessen sind in der Regel Eigentum der DB Station & Service AG. Sie ist daher für die Planung und Ausführung des barrierefreien Ausbaus zuständig. Die Finanzierung liegt gemäß Art. 87e Abs. 4 Grundgesetz in der Verantwortung des Bundes. Der Bund stellt der DB Station & Service AG Bundesmittel aus dem Budget der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zur Verfügung. Die aus diesem Budget vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel haben jedoch nicht die Barrierefreiheit als Vorgabe, sondern den Bestandserhalt der Bahnhöfe. Insofern werden seitens des Bundes bezogen auf die Barrierefreiheit fehlende oder falsche Anreize gesetzt. Das Land Hessen wird daher im Rahmen der nun beginnenden Verhandlungen zwischen Bund und Deutscher Bahn zur Ausgestaltung einer Nachfolgelösung der aktuellen LuFV II eine deutliche Anreizregelung zum barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen fordern, mit der zudem auch den Verpflichtungen des Bundes in finanzieller Hinsicht entsprochen wird. Die derzeit laufenden Planungen und baulichen Umsetzungen des barrierefreien Ausbaus von Verkehrsstationen in Hessen erfolgen auf Basis der Rahmenvereinbarung über die Modernisierung und Qualitätsverbesserung von Personenbahnhöfen in Hessen (Laufzeit 2011 bis 2019). Vor dem Hintergrund, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen, um die Bahnhöfe im gebotenen Tempo zu modernisieren und barrierefrei auszubauen, wurde von vielen Ländern eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, in der für die Planung und Realisierung der Vorhaben ein Finanzierungsmix vereinbart wurde. D.h. für den Ausbau und die Erweiterung bestehender Anlagen an Bahnhöfen, die über die Instandhaltung des Bahnhofs hinausgehen, wie beispielsweise der erstmalige Einbau von Fahrtreppen, Aufzügen und Rampen , beinhaltet der vereinbarte Finanzierungsmix eine Einbeziehung der Fördermittel des Landes und die Einbeziehung der Aufgabenträger des ÖPNV. In diesem vereinbarten mehrjährig getakteten Programm der DB Station & Service AG mit dem Land Hessen und den Aufgabenträgern (RMV, NVV, VRN) ist der Umfang, die Finanzierung und die Terminierung der Modernisierungsprojekte von Bahnhöfen antizipiert, um das verfügbare Budget der DB (LuFV II und Eigenmittel DB Station & Service) auf den Erneuerungs- und Ausbaubedarf abzustimmen. Dabei stellt sich die Finanzierung des einzelnen Bahnhofs - je nach Sanierungs- und Modernisierungsbedarf des Vorhabens - unterschiedlich dar. Die derzeitige bis 2019 laufende Rahmenvereinbarung sieht vor, dass mit einem jeweils rund hälftig von DB Station & Service einerseits und vom Land, den Verbünden und den lokalen Aufgabenträgern andererseits bereitgestellten Finanzvolumen von insgesamt 258 Mio. € rund 90 Verkehrsstationen u.a. mit neuen Bahnsteigen , Aufzügen und Rampen ausgestattet werden. Eingegangen am 19. Februar 2018 · Bearbeitet am 19. Februar 2018 · Ausgegeben am 22. Februar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5453 19. 02. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5453 Zudem hat der Bund im Jahr 2015 ein Sonderprogramm (Zukunftsinvestitionsprogramm ZIP) zum Umbau kleiner Bahnstationen mit weniger als 1000 Ein- und Aussteigen pro Tag gestartet. Die Landesregierung hat diese Chance ergriffen und zur Beschleunigung des Prozesses entschieden , die vom Bund geforderte hälftige Beteiligung an den Kosten im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern komplett durch das Land zu tragen. Dieser Schritt hat entscheidend dazu beigetragen, dass von den bundesweit 132 für dieses Programm angemeldeten Stationen der absolut höchste Anteil, nämlich 31 und damit fast ein Viertel der in diesem Programm finanzierten Umbauten, hessische Stationen betreffen, darunter auch die Station Hadamar. Die Liste der im Rahmen des ZIP geförderten Stationen ist der Antwort als Anlage angefügt. Zahlreiche Stationen im Landkreis Limburg-Weilburg werden außerdem im Rahmen der Realisierung eines von der Bahn für die Strecke Limburg-Gießen geplanten elektronischen Stellwerks modernisiert und auch von der Bahn finanziert. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Gründe sprechen für das schlechte Abschneiden Hessens bei stufenfreien Bahnhöfen? Wie viele Bahnhöfe in Limburg-Weilburg gibt es und wie viele sind stufenfrei oder barrierefrei? Frage 2. Was wurde bisher investiert und von welcher Ebene, um die Bahnhöfe in Limburg-Weilburg stufenfrei oder barrierefrei zu machen? Bitte für jeden Bahnhof einzeln darstellen in Bezug auf Stufenfreiheit und Barrierefreiheit. Frage 3. Was wird die Landesregierung in den kommenden Jahren unternehmen, um den Nachholbedarf in Limburg-Weilburg zu bewerkstelligen? Frage 4. Welche Aufgaben hat die Bundesebene, welche die Landesebene und welche die Standortkommunen , um die Bahnhöfe stufenfrei und barrierefrei zu machen? Die Fragen 1 bis 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Hinsichtlich der genannten Statistik der Allianz Pro Schiene zur Stufenfreiheit von Verkehrsstationen in verschiedenen Bundesländern ist darauf hinzuweisen, dass die erstplatzierten Länder meistens über deutlich weniger Bahnstationen verfügen als in Hessen. Bei der Interpretation der erwähnten Statistik ist außerdem relevant, dass Bundesländer mit überwiegend ländlichem Raum und einfachen bahnbetrieblichen Verhältnissen (z.B. viele eingleisige Strecken) im Hinblick auf die Stufenfreiheit Vorteile gegenüber bevölkerungsreichen Bundesländern haben. In Hessen, mit insgesamt etwa 500 Bahnhöfen der DB Station & Service AG, der Kurhessenbahn sowie der Hessischen Landesbahn und sowohl sehr ländlichem Raum als auch sehr verkehrsreichen Ballungszentren , ist die Herstellung von Stufenfreiheit ungleich schwieriger und aufwendiger. Der Landkreis Limburg-Weilburg verfügt über 25 Verkehrsstationen. Nach Mitteilung von DB Station & Services sind bereits heute 13 Stationen stufenfrei. Es wurde zudem mitgeteilt, dass eine weitere Verbesserung der Stufenfreiheit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Projekt "Elektronisches Stellwerk (ESTW) Obere Lahn" stehe, in dessen Zusammenhang auch in verschiedenen Fällen die Standorte bzw. die technische Ausgestaltung von Bahnsteiganlagen und Bahnsteigzugängen angepasst werden solle. Aufgrund der technischen Zusammenhänge sei es deshalb nicht möglich, den barrierefreien Ausbau der Stationen in zeitlicher Hinsicht vorzuziehen . Aus heutiger Sicht seien in diesem Projekt 11 Stationen, die bis zum Jahr 2023 barrierefrei ausgebaut werden, von denen 7 im Landkreis Limburg-Weilburg liegen (Runkel, Villmar, Arfurt (Lahn), Aumenau, Fürfort, Gräveneck und Löhnberg). Auch der Bahnhof Kerkerbach werde im Rahmen des oben genannten Projekts modernisiert, wobei der genaue Umfang der Modernisierung noch in der Prüfung sei. Die Bahnhofsmodernisierung über ein "ESTW-Projekt" sei zudem ein Sonderfall, der sich ergebe , wenn DB Netz auf einer Strecke eine umfangreiche Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik vornehme und aus eisenbahnrechtlichen Gründen die Verpflichtung erwachse, in einer Zusammenhangsmaßnahme auch die Stationen umzubauen. Daher erhalten die oben genannten Stationen u.a. neue Bahnsteige, Wetterschutzbereiche, Bahnsteigausstattungen und taktile Leitsysteme. Eine moderne Fahrgastinformation in Form von Dynamischen Schriftanzeigern (DSA) existiere an den genannten Stationen bereits. Bei ESTW-Projekten, d.h. Erneuerungen aufgrund technischen Bedarfs, erfolgt die Finanzierung aus Mitteln der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), also ausschließlich aus Bundesmitteln. Ob und inwieweit die DB Station & Service AG für diese Vorhaben zusätzlich Fördermittel des Landes beantragen werde, sei aufgrund des frühen Planungsstadiums noch nicht geprüft worden. Für den Bahnhof Staffel zeichne sich ebenfalls eine Zusammenhangsmaßnahme ab, da es hier Bestrebungen der DB Netz AG, der Stadt Limburg und des Landes Hessen gebe, zwei in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs befindliche Bahnübergänge aufzulassen und im Rahmen dieser Baumaßnahmen auch die Verkehrsstation zu modernisieren. Allerdings seien die Gespräche hierzu gerade erst begonnen worden, so dass es noch einige Zeit dauern werde, bis eine konkrete Umsetzung erfolgen könne. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5453 3 Für Oberbrechen sei für die Instandhaltung der Station eine neue Eisenbahnüberführung für Fußgänger im Rahmen eines LuFV-Projekts geplant. Darüber hinaus würde geprüft, ob und wie im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten Anlagen zur Herstellung der Barrierefreiheit möglich seien. Da es sich um eine Station unter 1000 Ein- und Aussteiger handelt, besteht für die DB Station & Service AG keine Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit. Die bereits stufenfreie Station Hadamar wird 2019/2020 im Rahmen des ZIP-Programms barrierefrei (Bahnsteiganhebungen) ausgebaut. Somit verbleiben nach Information der DB Station & Service AG im Landkreis Limburg- Weilburg zwei Stationen - Niederzeuzheim und Wilsenroth - bei denen zurzeit keine Modernisierungsmaßnahmen in der Planung seien. Zu den Investitionen im Einzelnen kann das Land lediglich Auskünfte über die hessische Beteiligung und nicht zum Einsatz von Bundesmitteln bei DB - Projekten geben. Zu den Gesamtinvestitionen im Landkreis hat DB Station & Service mitgeteilt, dass im Landkreis Limburg- Weilburg in den vergangenen rund zehn Jahren etwa 20 Mio. € in die Verkehrsstationen investiert worden seien. In den kommenden sechs Jahren seien weitere 10 Mio. € für den Ausbau der Stationen im Landkreis vorgesehen, wobei der Schwerpunkt auf den Zusammenhangsmaßnahmen im Rahmen des "ESTW-Projekts Obere Lahn" liegen würden. Das genaue Volumen sei heute noch nicht absehbar, da konkrete Planungen erst in den kommenden Jahren erfolgen werden . Frage 5. Sind Entlastungen für die Standortkommunen geplant, die sich an der Finanzierung beteiligen und wie sollen diese erfolgen? Frage 7. Ist eine Änderung der Rahmenvereinbarung Hessen zur Modernisierung der Bahnhöfe erforderlich , um das Ziel der vollständigen Barrierefreiheit der hessischen Bahnhöfe zu erreichen? Frage 8. Was kann das Land tun, um die Barrierefreiheit an hessischen Bahnhöfen schneller umzusetzen? Die Fragen 5, 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Finanzierungsbeteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften beruht auf der in der Vorbemerkung genannten Rahmenvereinbarung, die für den Zeitraum von 2011 bis 2019 geschlossen worden ist. Hintergrund hierfür ist, dass in Hessen die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV, gemäß dem Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr, bei den kommunalen Gebietskörperschaften in gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung mit den Verkehrsverbünden liegt. DB Station & Service hingegen finanziert im Grundsatz die Maßnahmenteile, die dem Bestandserhalt dienen. Zu den in diesem Zusammenhang bestehenden Forderungen des Landes an den Bund wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. Um den barrierefreien Ausbau von Stationen bis zum Vorliegen der vom Bund und der Bahn in der Verhandlung befindlichen LuFV III voranzubringen, plant die Landesregierung - parallel zu der derzeit noch laufenden Rahmenvereinbarung II - mit DB Station & Service und den Aufgabenträgern eine Vereinbarung abzuschließen, um bis zum Vorliegen der LuFV III einen Planungsvorrat für die Modernisierung von weiteren Stationen auf den Weg zu bringen. Auf diesem Wege sollen Mittel des Bundes, die im Rahmen von Sonderprogrammen oder durch die LuFV III zur Verfügung gestellt werden, unmittelbar für die bauliche Realisierung von Bahnhofsmodernisierungen eingesetzt und der barrierefreie Ausbau beschleunigt werden. Frage 6. Bis wann soll für alle Bahnhöfe in Limburg-Weilburg die Barrierefreiheit hergestellt werden? Nach Information der DB Station & Service AG ist vorgesehen, dass im Landkreis Limburg- Weilburg voraussichtlich bis zum Jahr 2023 rund 95 % der Reisenden stufenfrei zum Bahnsteig gelangen werden. Zum Zeitpunkt der Herstellung der Barrierefreiheit (Niveaugleichheit von Bahnsteighöhe und Fahrzeugeinstieg) können derzeit keine Aussagen getroffen werden, da seitens des Bundes und DB Station & Service ein neues Bahnsteighöhenkonzept zur Umsetzung gelangen soll. Das Bahnsteighöhenkonzept des Bundes sieht vor, an allen Hauptstrecken eine Bahnsteighöhe von 76 cm umzusetzen und bestimmt die Herstellung der Barrierefreiheit - die untrennbar mit den im Einsatz befindlichen Fahrzeugen steht - lediglich als Langfristziel. Mit Beschluss vom November 2017 hat die Verkehrsministerkonferenz den Bund gebeten, das Konzept zu überprüfen und einen Migrationspfad auf den Weg zu bringen, der dem gebotenen Maßstab der schnellstmöglichen Herstellung der Barrierefreiheit entspricht. Wiesbaden, 9. Februar 2018 Tarek Al-Wazir Anlage Anlage zur Beantwortung KLA 19/5453 und KLA 19/5705 Liste der im Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP) angemeldeten Stationen im Land Hessen Auringen-Medenbach Kirch Göns Bad Arolsen Korbach Baunatal-Guntershausen Korbach-Süd Bensheim-Auerbach* Lehnheim Biebesheim Mandern Biedenkopf Mengeringhausen Borken (Hess) Messel Bruchköbel Oestrich-Winkel Darmstadt Süd Ostheim (b Butzbach) Fritzlar Sterzhausen Fuldatal-Ihringshausen Stockstadt (Rhein) Gernsheim Ungedanken Gießen Erdkauter Weg Weiterstadt Goßfelden Wiesbaden-Erbenheim Groß-Rohrheim* Wölfersheim-Södel Hadamar * Der Projektzuschnitt des barrierefreien Ausbaus und die Finanzierung wurden zwischenzeitlich geändert. Petry Rechteck