Kleine Anfrage des Abg. Weiß (SPD) vom 25.06.2014 betreffend Folgen der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 für den Frankfurter Flughafen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 16. April 2014 die Verordnung (EU) Nr. 598/2014 "über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG" erlassen . Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Mit der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 als unmittelbar geltendem Recht werden für die Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen für Flughäfen mit mehr als 50.000 Flugbewegungen ziviler Luftfahrzeuge pro Kalenderjahr festgelegt, um eine einheitliche Anwendung der Lärmbewertungsmethode innerhalb des EU-Luftverkehrsmarktes zu gewährleisten. Wie bereits unter Geltung der Richtlinie 2002/30/EG, deren nationale Umsetzung in den §§ 48a ff. der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung erfolgte, ist bei der Einführung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen zur Verbesserung der Lärmsituation im Umfeld von Flughäfen der "ausgewogene Ansatz der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO)" zu beachten, der ein Verfahren zur einheitlichen Prüfung und abgestuften Anwendung der möglichen Lärmminderungsmaßnahmen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vorsieht. Im Unterschied zur aufgehobenen Richtlinie 2002/30/EG ist die Definition der "knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeuge" restriktiver und erfasst nun faktisch sämtliche Luftfahrzeuge , die die Lärmzertifzierungswerte nach Band I Teil II Kapitel 3 des Anhangs 16 zum ICAOAbkommen erfüllen (Kapitel-3-Luftfahrzeuge), die Anforderungen der Lärmzertifizierungswerte des insoweit strengeren Kapitels 4 aber nicht erreichen. Insgesamt sind nach der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen , die für die Zielerreichung der Lärmminderung am jeweiligen Flughafen unter Betrachtung der konkreten Verkehrs- und Lärmbelastungssituation notwendig sind. Insoweit hat sich die Rechtslage in keiner Weise geändert. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ergeben sich aus der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 Umsetzungspflichten in Bezug auf den Frankfurter Flughafen? Umsetzungspflichten wären überhaupt nur dann denkbar, wenn die Verordnung (EU) Nr. 598/2014 weitergehende Regelungen zur Verbesserung der Lärmsituation an Flughäfen vorsehen würde, als sie bislang im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt Main vom 18. Dezember 2007 (PFB) und seiner ergangenen Änderungen und Ergänzungen getroffen wurden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zunächst ist festzuhalten, dass durch die Verordnung (EU) Nr. 598/2014 - wie auch durch die Vorgängerregelungen - keinerlei Lärmgrenzwerte im Sinne absoluter Grenzen festgesetzt werden , sodass sich insoweit kein Anpassungsbedarf ergibt. Vielmehr zeigt die Verordnung lediglich ein Handlungsinstrumentarium zur Bewältigung von Lärmkonflikten auf, das unter dem Ge- Eingegangen am 5. August 2014 · Ausgegeben am 8. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/559 05. 08. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/559 sichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gestuft zur Anwendung gelangen soll und auf die zu treffende Abwägung über Betriebsbeschränkungen einwirkt. Auch die im PFB durchgeführte Abwägung der Betriebsbeschränkungen wird durch die novellierte Rechtsvorschrift inhaltlich nicht infrage gestellt. Mit dem PFB wurden bereits Schutzauflagen in Gestalt von Flugbetriebsbeschränkungen für den Flughafen Frankfurt/Main erlassen, die aus Gründen der planerischen Konfliktbewältigung das in der VO (EU) Nr. 598/2014 beschriebene Mittel der Beschränkung oder des Ausschlusses von "knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen" (auch nach neuer Definition) aufgreifen, aber - aufgrund des Schutzbedürfnisses im Flughafenumland - noch weit darüber hinausgehen. So sehen die planfestgestellten Flugbetriebsbeschränkungen nicht nur weitreichende Beschränkungen des Betriebs von Luftfahrzeugen , die die Lärmzertifizierungsvorschriften nur des Kapitels 3 des Anhangs 16 des ICAO-Abkommens erfüllen, vor (Verbot von Starts und Landungen an allen Wochentagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 08.00 Uhr sowie an den Wochenenden von Freitag, 20.00 Uhr, bis Montag, 08.00 Uhr; vgl.Teil A II 3 des PFB). Vielmehr sind darüber hinaus Flugbewegungen in den Nachtrandstunden von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr und von 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr nur den heutzutage lärmgünstigsten Luftfahrzeugen des Kapitels 4 des Anhangs 16 des ICAO-Abkommens unter weiteren strengen Einschränkungen (Höchstgrenze für Flugbewegungen) vorbehalten (vgl. Teil A II 4 des PFB), während zwischen 23:00 und 05:00 Uhr ein Verbot planmäßiger Flüge - auch solcher mit besonders lärmgünstigen Flugzeugen - gilt. Demzufolge wurden bereits vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 zum 13. Juni 2016 wesentliche nach dieser Verordnung vorgesehene Lärmminderungsmaßnahmen in Form von partiellen, darüber hinaus aber sogar globalen Betriebsbeschränkungen umgesetzt. Reine luftfahrzeugspezifische Beschränkungen, wie der in der Verordnung besonders hervorgehobene Abzug von "knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen" im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 598/2014, würden hinter dem dadurch verwirklichten Schutzniveau zurückbleiben . Die isolierte Anwendung dieses Mittels wäre für eine Verbesserung der Lärmsituation am Flughafen Frankfurt/Main nicht geeignet, da der dortige Lärm nicht durch vereinzelte verhältnismäßig laute Luftfahrzeuge verursacht, sondern aufgrund seiner Verkehrsbedeutung durch die Masse an Flugbewegungen von verhältnismäßig leisen Luftfahrzeugen hervorgerufen wird. Da die Verordnung (EU) Nr. 598/2014 die Behörden - wie schon bisher - auf die im Einzelnen zu treffenden Maßnahmen nicht abschließend festlegt, befinden sich die getroffenen Regelungen sowohl hinsichtlich des realisierten Schutzniveaus als auch im Hinblick auf die gewählten Mittel in Übereinstimmung mit dem neuen Rechtszustand. Nach wie vor bleibt es der behördlichen Abwägung überlassen, wie die Lärmproblematik unter Berücksichtigung des "ausgewogenen Ansatzes" im Einzelnen zu bewältigen ist. Frage 2. Ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 eine Pflicht zur Überprüfung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen? In Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 ist deklaratorisch nochmals geregelt, dass die Lärmsituation an Verkehrsflughäfen nach der Umgebungslärmrichtlinie sowie den geltenden nationalen Bestimmungen zu bewerten ist. Im Hinblick auf den Flughafen Frankfurt/Main werden diese Vorgaben durch die Erstellung des Lärmaktionsplans, Teilplan Flughafen Frankfurt /Main, erfüllt (aktuell durch Veröffentlichung am 5. Mai 2014 in Kraft getreten). Demgegenüber ergibt sich keine Pflicht zur Überprüfung bzw. Anpassung der im PFB verfügten Betriebsbeschränkungen aus der Verordnung (EU) Nr. 598/2014, da die dort vorgesehenen Instrumentarien der Beschränkung von Flugbewegungen, insbesondere der differenzierenden Betrachtung von Tag- und Nachtzeit im Rahmen der Planfeststellung bereits umgesetzt sind. Betriebsbeschränkungen sind auch für die derzeit leisesten Luftfahrzeuge des Kapitels 4 des Anhangs 16 des ICAO-Abkommens bis hin zum Verbot planmäßiger Flüge zwischen 23:00 und 05:00 Uhr bereits Teil des PFB (in seiner Fassung, die er durch den Bescheid vom 29. Mai 2012 erhalten hat), für alle Luftfahrzeuge unabhängig von ihrer Lärmzertifizierung. Damit waren diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 schon existent. Die bestehenden Regelungen sind bereits als besonders streng zu qualifizieren. Unabhängig davon bleiben gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 598/2014 bestehende Betriebsbeschränkungen in Kraft, bis die zuständigen Behörden beschließen, sie gemäß der Verordnung zu überprüfen. Dies schließt eine entsprechende Pflicht gerade aus. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die Verordnung (EU) Nr. 598/2014 in Bezug auf ihre eigenen Vorstellungen zum Ziel der Verordnung? Eine Vereinheitlichung der europaweiten Regeln und Verfahren für Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm im Rahmen eines ausgewogenen, d.h. den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügenden Ansatzes mit Maßnahmen wie z.B. der Reduzierung des Fluglärms an der Quelle, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/559 3 Flächennutzungsplanung, lärmmindernden Betriebsverfahren und Betriebsbeschränkungen mit der Möglichkeit der Differenzierung nach dem Lärmemissionsverhalten der Luftfahrzeugmuster , Bevorzugung bestimmter Start- und Landebahnen bzw. Flugrouten usw. ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie stellt im Hinblick auf Lärmermittlung und Schutzmaßnahmen eine Vergleichbarkeit der Flughäfen in der EU und damit letztlich auch gleichartige Wettbewerbsverhältnisse sicher . Außerdem richet sich die Verordnung an die unterschiedlichsten Akteure und verdeutlicht, dass Lärmschutzmaßnahmen über die mit Planfeststellungs- und Genehmigungsentscheidungen zu regelnden Sachverhalte hinausgehen. Dies wiederum bekräftigt die Position der Landesregierung , den Fluglärmschutz gemeinsam mit den in der Allianz für Lärmschutz zusammenwirkenden Unternehmen und Behörden weiterhin als ganzheitliche, nicht an Zuständigkeitsgrenzen endende Aufgabe zu begreifen und zu verfolgen. Allerdings hat die Verordnung (EU) Nr. 598/2014 keine unmittelbaren Auswirkungen auf Lärmschutzniveau und Lärmschutzmaßnahmen am Flughafen Frankfurt/Main, da der PFB bereits weitreichende Lärmschutzregelungen enthält und die Verordnung keine darüber hinausgehenden Mittel oder Schutzziele aufzeigt. Das in der Verordnung kodifizierte Abwägungsprogramm des "ausgewogenen Ansatzes" ist als Verfahren nicht neu und wurde im PFB bereits unter der Geltung der Vorgängervorschriften praktiziert. Dennoch leistet die unmittelbar geltende Verordnung einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit auf diesem Gebiet und bestätigt letztlich das von der Hessischen Landesregierung gewählte methodische Vorgehen bei der Abwägung der Betriebsbeschränkungen. Wiesbaden, 23. Juli 2014 Tarek Al-Wazir