Kleine Anfrage des Abg. Rudolph (SPD) vom 01.12.2017 betreffend stufenfreie und barrierefreie Bahnhöfe im Schwalm-Eder-Kreis und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Laut der Allianz pro Schiene sind mittlerweile fast 80 % der deutschen Bahnhöfe stufenfrei. In Hessen sind allerdings nur 66 % der 429 Bahnhöfe stufenfrei. Hessen schafft es mit diesem Wert nur auf Platz 15 der 16 Bundesländer. Stufenfreie Bahnhöfe nutzen Menschen mit Behinderungen, Müttern oder Vätern mit Kinderwagen , Fahrradfahrern, Reisenden mit schwerem Gepäck und älteren Reisenden, so die Allianz pro Schiene. Laut der Deutschen Bahn umfasst Barrierefreiheit an Bahnstationen darüber hinaus eine Vielzahl von Aspekten der Informationen, des Service und der baulichen Gestaltung des Bahnhofes. Im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) § 4 Barrierefreiheit heißt es: "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme und Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig." Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Bahnhöfe und Stationen in Hessen sind in der Regel Eigentum der DB Station & Service AG. Sie ist daher für die Planung und Ausführung des barrierefreien Ausbaus zuständig. Die Finanzierung liegt gemäß Art. 87e Abs. 4 Grundgesetz in der Verantwortung des Bundes. Der Bund stellt der DB Station & Service AG Bundesmittel aus dem Budget der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zur Verfügung. Die aus diesem Budget vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel haben jedoch nicht die Barrierefreiheit als Vorgabe, sondern den Bestandserhalt der Bahnhöfe. Insofern werden seitens des Bundes bezogen auf die Barrierefreiheit fehlende oder falsche Anreize gesetzt. Das Land Hessen wird daher im Rahmen der nun beginnenden Verhandlungen zwischen Bund und Deutscher Bahn zur Ausgestaltung einer Nachfolgelösung der aktuellen LuFV II eine deutliche Anreizregelung zum barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen fordern, mit der zudem auch den Verpflichtungen des Bundes in finanzieller Hinsicht entsprochen wird. Die derzeit laufenden Planungen und baulichen Umsetzungen des barrierefreien Ausbaus von Verkehrsstationen in Hessen erfolgen auf Basis der "Rahmenvereinbarung über die Modernisierung und Qualitätsverbesserung von Personenbahnhöfen in Hessen (Laufzeit 2011 bis 2019)". Vor dem Hintergrund, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen, um die Bahnhöfe im gebotenen Tempo zu modernisieren und barrierefrei auszubauen, wurde von vielen Ländern eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, in der für die Planung und Realisierung der Vorhaben ein Finanzierungsmix vereinbart wurde. D.h. für den Ausbau und die Erweiterung bestehender Anlagen an Bahnhöfen, die über die Instandhaltung des Bahnhofs hinausgehen , wie beispielsweise der erstmalige Einbau von Fahrtreppen, Aufzügen und Rampen, beinhaltet der vereinbarte Finanzierungsmix eine Einbeziehung der Fördermittel des Landes und die Einbeziehung der Aufgabenträger des ÖPNV. In diesem vereinbarten mehrjährig getakteten Programm der DB Station & Service AG mit dem Land Hessen und den Aufgabenträgern (RMV, NVV, VRN) ist der Umfang, die Finanzierung und die Terminierung der Modernisierungsprojekte von Bahnhöfen antizipiert, um das verfügbare Budget der DB (LuFV II und Eigenmittel DB Station & Service) auf den Erneuerungs- und Ausbaubedarf abzustimmen. Dabei stellt sich die Finanzierung des einzelnen Bahnhofs - je nach Sanierungs- und Modernisierungsbedarf des Vorhabens - unterschiedlich dar. Diese bis 2019 laufende Rahmenvereinbarung sieht vor, dass mit einem jeweils rund hälftig von der DB Station & Service AG einerseits und vom Land, den Verbünden und den lokalen Aufgabenträgern andererseits bereitgestellten Fi- Eingegangen am 2. Mai 2018 · Bearbeitet am 2. Mai 2018 · Ausgegeben am 4. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5706 02. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5706 nanzvolumen von insgesamt 258 Mio. € rund 90 Verkehrsstationen u.a. mit neuen Bahnsteigen, Aufzügen und Rampen ausgestattet werden. Zudem hat der Bund im Jahr 2015 ein Sonderprogramm (Zukunftsinvestitionsprogramm ZIP) zum Umbau kleiner Bahnstationen mit weniger als 1000 Ein- und Aussteigern pro Tag gestartet. Die Landesregierung hat diese Chance ergriffen und zur Beschleunigung des Prozesses entschieden , die vom Bund geforderte hälftige Beteiligung an den Kosten im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern komplett durch das Land zu tragen. Dieser Schritt hat entscheidend dazu beigetragen, dass von den bundesweit 132 für dieses Programm angemeldeten Stationen der absolut höchste Anteil, nämlich 31 und damit fast ein Viertel der in diesem Programm finanzierten Umbauten, hessische Stationen betreffen, darunter auch die Stationen Borken, Fritzlar und Fritzlar-Ungedanken. Die Liste der im Rahmen des ZIP geförderten Stationen ist der Antwort als Anlage angefügt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Gründe sprechen für das schlechte Abschneiden Hessens bei stufenfreien Bahnhöfen? Wie viele Bahnhöfe im Schwalm-Eder-Kreis gibt es und wie viele sind stufenfrei oder barrierefrei? Frage 2. Was wurde bisher investiert und von welcher Ebene, um die Bahnhöfe im Schwalm-Eder-Kreis stufenfrei oder barrierefrei zu machen? (Bitte für jeden Bahnhof einzeln darstellen in Bezug auf Stufenfreiheit und Barrierefreiheit.) Frage 3. Was wird die Landesregierung in den kommenden Jahren unternehmen, um den Nachholbedarf im Schwalm-Eder-Kreis zu bewerkstelligen? Frage 4. Welche Aufgaben hat die Bundesebene, welche die Landesebene und welche die Standortkommunen , um Bahnhöfe stufenfrei und barrierefrei zu machen? Die Fragen 1 bis 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Hinsichtlich der genannten Statistik der Allianz Pro Schiene zur Stufenfreiheit von Verkehrsstationen in verschiedenen Bundesländern ist darauf hinzuweisen, dass die erstplatzierten Länder meistens über deutlich weniger Bahnstationen verfügen als Hessen. Bei der Interpretation der erwähnten Statistik ist außerdem relevant, dass Bundesländer mit überwiegend ländlichem Raum und einfachen bahnbetrieblichen Verhältnissen (z.B. viele eingleisige Strecken) im Hinblick auf die Stufenfreiheit Vorteile gegenüber bevölkerungsreichen Bundesländern haben. In Hessen, mit insgesamt etwa 500 Bahnhöfen der DB Station & Service AG, der Kurhessenbahn sowie der Hessischen Landesbahn und sowohl sehr ländlichem Raum als auch sehr verkehrsreichen Ballungszentren , ist die Herstellung von Stufenfreiheit ungleich schwieriger und aufwendiger. Der Schwalm-Eder-Kreis verfügt über 22 Verkehrsstationen. Nach Mitteilung von DB Station & Service AG sind heute bereits 12 Stationen stufenfrei. Nach der Realisierung der aktuellen Modernisierungsprojekte Wabern, Borken und Treysa werden 15 Verkehrsstationen im Kreis stufenfrei erreichbar sein. In Wabern werden die Bauarbeiten in diesem Jahr abgeschlossen. Für die Station Treysa liegt seit 2014 und für die Station Borken seit 2016 Baurecht vor. Die Station Borken ist Bestandteil des ZIP-Programms. Im Rahmen dieses Programms wird ein Aufzug für die stufenfreie Erreichbarkeit der Bahnsteige realisiert. Für den Umbau der Station im Übrigen erfolgt derzeit zwischen DB Station & Service AG, dem Bund und dem Land eine Abstimmung über die zu realisierende Bahnsteighöhe im Kontext mit dem neuen Bahnsteighöhenkonzept. Entsprechendes gilt auch für die Station Treysa. Die Landesregierung strebt eine Stufenlösung an, die im ersten Schritt die Umsetzung des bestehenden Baurechts vorsieht. Zudem gebe es aktuell Abstimmungsgespräche der DB Station & Service AG mit dem Aufgabenträger NVV und der Gemeinde Malsfeld, die dortige Station ebenfalls zu erneuern. Bei Stationen mit weniger als 1.000 Ein- und Aussteigern ist Maßstab für die Planung der besondere Bedarf der Station (wie zum Beispiel eine nahe Behinderteneinrichtung), beziehungsweise es wird sich auch daran orientiert, wie weit die Entfernung zur nächstgelegenen barrierefrei ausgebauten Bahnstation ist. Insoweit gibt es für die Stationen in Körle, Edermünde-Grifte, Felsberg-Altenbrunslar, Zimmersrode und Schlierbach derzeit keine Ausbauvorhaben. Dort besteht aber zumindest eine teilweise Stufenfreiheit, da diese über einen Bahnsteig stufenfrei zu erreichen seien. Nicht barrierefrei zu erreichen ist die kleine Station Felsberg-Wolfershausen, die nur über eine steile Feldwegrampe zu erreichen ist. Zur Gesamtinvestition von Bund, DB Station & Service AG, Land und Aufgabenträger im Landkreis hat die DB Station & Service AG mitgeteilt, dass im Schwalm-Eder-Kreis in den vergangenen rund zehn Jahren etwa 33 Mio. € in die Verkehrsstationen investiert worden seien. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5706 3 Allein in Wabern werde der Umbau bis Ende des Jahres rund 11,5 Mio. € gekostet haben. In den kommenden Jahren seien mindestens weitere ca. 28 Mio. € für die Aufwertung der Stationen vorgesehen. Frage 5. Sind Entlastungen für die Standortkommunen geplant, die sich an der Finanzierung beteiligen und wie sollen diese erfolgen? Frage 7. Ist eine Änderung der Rahmenvereinbarung Hessen zur Modernisierung der Bahnhöfe erforderlich , um das Ziel der vollständigen Barrierefreiheit der hessischen Bahnhöfe zu erreichen? Frage 8. Was kann das Land tun, um die Barrierefreiheit an hessischen Bahnhöfen schneller umzusetzen? Die Fragen 5, 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Finanzierungsbeteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften beruht auf der in der Vorbemerkung genannten Rahmenvereinbarung, die für den Zeitraum von 2011 bis 2019 geschlossen worden ist. Hintergrund hierfür ist, dass in Hessen die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV, gemäß dem Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr, bei den kommunalen Gebietskörperschaften in gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung mit den Verkehrsverbünden liegt. Die DB Station & Service AG hingegen finanziert im Grundsatz die Maßnahmenteile, die dem Bestandserhalt dienen. Zu den in diesem Zusammenhang bestehenden Forderungen des Landes an den Bund wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Um den barrierefreien Ausbau von Stationen bis zum Vorliegen der vom Bund und der Bahn in der Verhandlung befindlichen LuFV III voranzubringen, plant die Landesregierung - parallel zu der derzeit noch laufenden Rahmenvereinbarung II - mit der DB Station & Service AG und den Aufgabenträgern eine Vereinbarung abzuschließen, um bis zum Vorliegen der LuFV III einen Planungsvorrat für die Modernisierung von weiteren Stationen auf den Weg zu bringen. Auf diesem Wege sollen Mittel des Bundes, die im Rahmen von Sonderprogrammen oder durch die LuFV III zur Verfügung gestellt werden, unmittelbar für die bauliche Realisierung von Bahnhofsmodernisierungen eingesetzt und der barrierefreie Ausbau beschleunigt werden. Frage 6. Bis wann soll für alle Bahnhöfe im Schwalm-Eder-Kreis die Barrierefreiheit hergestellt werden? Nach der Fertigstellung beziehungsweise der Umsetzung des bestehenden Baurechts für die Stationen Treysa und Borken werden rund 90 % der Reisenden stufenfrei zum Bahnsteig gelangen. Zum Zeitpunkt der Herstellung der Barrierefreiheit (Niveaugleichheit von Bahnsteighöhe und Fahrzeugeinstieg) können derzeit keine Aussagen getroffen werden, da seitens des Bundes und der DB Station & Service AG ein neues Bahnsteighöhenkonzept zur Umsetzung gelangen soll. Das Bahnsteighöhenkonzept des Bundes sieht vor, an allen Hauptstrecken eine Bahnsteighöhe von 76 cm umzusetzen und bestimmt die Herstellung der Barrierefreiheit - die untrennbar mit den im Einsatz befindlichen Fahrzeugen steht - lediglich als Langfristziel. Mit Beschluss vom November 2017 hat die Verkehrsministerkonferenz den Bund gebeten, das Konzept zu überprüfen und einen Migrationspfad auf den Weg zu bringen, der dem gebotenen Maßstab der schnellstmöglichen Herstellung der Barrierefreiheit entspricht. Wiesbaden, 26. April 2018 Tarek Al-Wazir Anlage Anlage KLA 19/5706Liste der im Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP) angemeldeten Stationen im Land HessenAuringen-Medenbach Kirch GönsBad Arolsen KorbachBaunatal-Guntershausen Korbach-SüdBensheim-Auerbach* LehnheimBiebesheim MandernBiedenkopf MengeringhausenBorken (Hess) MesselBruchköbel Oestrich-WinkelDarmstadt Süd Ostheim (b Butzbach)Fritzlar SterzhausenFuldatal-Ihringshausen Stockstadt (Rhein)Gernsheim UngedankenGießen Erdkauter Weg WeiterstadtGoßfelden Wiesbaden-ErbenheimGroß-Rohrheim* Wölfersheim-SödelHadamar* Der Projektzuschnitt des barrierefreien Ausbaus und die Finanzierung wurden zwischenzeitlich geändert.