Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 26.06.2014 betreffend Nutzung von Häusern und Wohnungen zu Ferienzwecken als eigene Nutzungsart und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Infolge eines Urteils des OVG Greifswald ist die Nutzung von Häusern und Wohnungen an wechselnde Mieter zu Ferienzwecken in Abgrenzung zur Wohnnutzung als eigene Nutzungsart zu sehen. Damit ist in sämtlichen Wohngebieten eine Feriennutzung nicht mehr erlaubt. Durch das Urteil wurde die neue Rechtslage zuerst im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern bedeutsam. Dort sind inzwischen angeblich Hunderte von Ferienwohnungen von Nutzungsuntersagungen betroffen oder bedroht. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns verweist auf die Planungshoheit der Kommunen und sieht als einzige Möglichkeit der Legalisierung der Ferienwohnnutzung eine Änderung bzw. Anpassung der Bebauungspläne . Eine rechtssichere Änderung der Bebauungspläne ist jedoch angesichts der Vielzahl und Vielschichtigkeit der Bebauungsart schwierig, kostet Zeit und ist für alle Beteiligten teuer. Eine Anpassung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) wird als Möglichkeit diskutiert. Da das Problem zwischenzeitlich auch in anderen touristischen Regionen evident wird, scheint eine bundesrechtliche Klarstellung erforderlich. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Welche bauliche Nutzung in einem Gebiet zulässig ist, hängt davon ab, ob die bauliche Anlage im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils oder im Außenbereich liegt. Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans sind Bauvorhaben zulässig, wenn sie dem Bebauungsplan nicht widersprechen (§ 30 Abs. 1 BauGB). Ein qualifizierter Bebauungsplan muss bestimmten Anforderungen entsprechen, insbesondere Regelungen über die Art der baulichen Nutzung enthalten. Dies erfolgt in der Regel durch die Festlegung sog. Baugebiete nach den §§ 2 bis 11 Baunutzungsverordnung (BauNVO), also z.B. von Allgemeinen Wohngebieten, Gewerbegebieten oder Sondergebieten, die der Erholung dienen , wozu insbesondere Ferienhausgebiete zählen (§ 10 Abs. 4 BauNVO). Ob eine konkrete Nutzungsart zulässig ist, bestimmt sich direkt aus der BauNVO. Dies gilt auch für die Zulässigkeit einer bestimmten Nutzungsart innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO geregelten Baugebiete entspricht (§ 34 Abs. 2 BauGB). In Wohngebieten sind nach der BauNVO neben dem Wohnen je nach Art des Gebietes unterschiedliche verschiedene weitere Nutzungsarten zulässig. Ferienhäuser oder Ferienwohnungen sind dort ausdrücklich weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Das OVG Greifswald hat - in konsequenter Weiterführung der obergerichtlichen Rechtsprechung, auch des Bundesverwaltungsgerichts - mit Urteil vom 19. Februar 2014, Az. 3 L 212/12, entschieden, dass Ferienwohnungen vom bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nicht umfasst werden. Sie sind daher in keinem der in der BauNVO normierten Wohngebiete zulässig, anders als Beherbergungsbetriebe auch nicht ausnahmsweise. Daraus ergibt sich, dass ein Nebeneinander von Wohnhäusern und Ferienhäusern im unbeplanten Innenbereich nur zulässig ist, wenn sich das betreffende Gebiet nicht einem der Gebiete der BauNVO zuordnen lässt oder aber ein bestehendes Gebiet überplant worden und eine vorhandene Nutzung aufgrund des Bebauungsplans zwar nicht mehr zulässig ist, aber aus Gründen des Bestandschutzes weiter ausgeübt werden kann. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, dieses Problem, das offensichtlich in allen Tourismusregionen besteht oder noch entstehen könnte, zu lösen? In begrenzten Fällen kann die Gemeinde insbesondere durch die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans nach § 9 BauGB die planungsrechtliche Zulässigkeit der (teilweisen) Umnutzung von Wohngebäuden zu Ferienwohnungen herbeiführen oder auch verhindern. Eingegangen am 5. August 2014 · Ausgegeben am 8. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/571 05. 08. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/571 Darüber hinaus lässt sich das ordnungsrechtliche Vorgehen gegen eine baurechtlich illegale Nutzung u.a. durch entsprechende Erlasse und Handlungsanweisungen steuern, denn gegen illegale Ferienwohnungen innerhalb von Wohngebieten kann im Wege von Nutzungsuntersagungen nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Hessische Bauordnung (HBO) eingeschritten werden. Allerdings hat sich das Nebeneinander von Ferienwohnen und Dauerwohnen in Hessen - anders als in Mecklenburg -Vorpommern - noch nicht als größeres Problem gezeigt, wie eine Nachfrage bei den Regierungspräsidien und verschiedenen Unteren Bauaufsichtsbehörden ergeben hat. Nutzungsuntersagungen sind wohl bisher nur in wenigen Einzelfällen verfügt worden. Frage 2. Stimmt sie der Meinung zu, dass eine bundesrechtliche Lösung (Änderung der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke/Baunutzungsverordnung - BauNVO) erforderlich ist? Frage 3. Falls nein, welche anderen Lösungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung? Die Fragen 2 und 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Eine Mischnutzung von "normalem" Wohnen und Ferienwohnen kann aus städtebaulicher und touristischer Sicht zu einer unerwünschten Entwicklung führen. Die Nutzung durch Feriengäste ist gegenüber der "normalen" Wohnnutzung typischerweise andersartig ; ihr Nebeneinander kann zu städtebaulichen Konflikten führen, weil damit Unruhe in ein Wohngebiet getragen wird (so ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2013 - 1 LA 49/13; VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 - 14 ZB 13.6). Viele Ferienwohnungen werden nur wenige Wochen im Jahr genutzt, dem eigentlichen Fremdenverkehr stehen sie in bestimmten Gebieten wegen eines hohen Anteils an Eigennutzung wenig zur Verfügung. Heruntergelassene Rollläden können über Monate hinweg für "unbewohnte" Straßenzüge sorgen. Zu berücksichtigen sind auch die Unterhaltungskosten und sonstige Kosten der Infrastruktureinrichtungen (Schulen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten und dergleichen), die von den Gemeinden auch bei einer Mischnutzung vollständig vorgehalten und unterhalten werden müssen. Zudem wird Bauland für Zweitwohnungen verbraucht und damit der örtlichen Bevölkerung für den Bau von Dauerwohnungen entzogen. Daher verfolgt etwa Berlin den Weg, die Nutzung von Wohngebäuden als Ferienwohnung aus wohnungspolitischer Sicht und wegen der mit diesen Nutzungen verbundenen Störungen einzudämmen. Grundsätzlich rechtfertigen diese unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten durchaus ihre bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung. Allerdings dürfte es - insbesondere in ländlich geprägten Gebieten mit einem hohen Anteil von Feriengästen - auch in Hessen Gebiete geben, in denen eine Mischnutzung von "normalen" Wohnungen und Ferienwohnungen städtebaulich unproblematisch sein kann, aber eine entsprechende Bauleitplanung aufgrund der starren Regelung in der BauNVO nicht möglich ist. Eine diesbezügliche Änderung der BauNVO könnte insoweit hilfreich sein, etwa durch die Gleichstellung von Ferienwohnungen mit Beherbergungsbetrieben. Frage 4. Würde sie gegebenfalls eine Bundesratsinitiative zur Lösung des Problems auf den Weg brin- gen? Falls nein, weshalb nicht? Wie bereits ausgeführt, hat sich das Nebeneinander von Ferienwohnen und Dauerwohnen in Hessen noch nicht als größeres Problem gezeigt und können die unterschiedlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten durchaus die derzeitige Rechtslage rechtfertigen. Allgemein besteht für Änderungen der BauNVO eine gewisse Zurückhaltung des Normgebers. Es besteht weitgehend die Auffassung, dass die aktuelle BauNVO in den allermeisten Fallkonstellationen eine geeignete Grundlage zur Umsetzung der von den Gemeinden beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung darstellt und in den meisten Fällen auch eine Nutzungsmischung nicht ausgeschlossen ist. Bei Änderungen der BauNVO muss zudem streng darauf geachtet werden, dass der Gebietscharakter der einzelnen Wohngebiete erhalten und ausreichend trennungsscharf bleibt. Änderungen der BauNVO wirken sich unmittelbar nur auf neue Baugebiete aus, da aus rechtlichen Gründen (Wahrung der Planungshoheit der Kommunen) neue Regelungen der BauNVO regelmäßig nicht auf ältere Bebauungspläne anzuwenden sind. Maßgeblich ist immer die Fassung der BauNVO, die bei der Aufstellung bzw., für geänderte Festsetzungen, bei der Änderung des Bebauungsplans galt. Nebeneinander anzuwendende verschiedene Fassungen der BauNVO erschweren jedoch den Vollzug. Wenn ein Bebauungsplan mehrfach geändert worden ist, ist im baurechtlichen Genehmigungsverfahren bei den einzelnen Festsetzungen jeweils genau zu prüfen, welche Version der BauNVO anwendbar ist. Allerdings kann eine Gemeinde auch die bei einer Änderung die aktuelle BauNVO für den gesamten Bebauungsplans für anwendbar erklären. Soweit sich die Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz bisher mit dieser und ähnlichen Problematiken wie dem dauernden Wohnen in Wochenend- und Ferienhausgebieten be- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/571 3 fasst hat, hat sich weder bei den Ländern noch beim Bund eine Mehrheit für Änderungen der BauNVO abgezeichnet. Allerdings haben sich in Mecklenburg-Vorpommern die vier im Landtag vertretenen Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Linke darüber verständigt, die Möglichkeit einer entsprechenden Bundesratsinitiative zur Änderung der BauNVO zu prüfen, um die Voraussetzungen für eine zukünftige, ordnungsgemäße Nutzung von Ferienwohnungen auch in Wohngebieten zu verbessern. Diese Prüfungen sowie die weiteren Erörterungen bei der Fachkommission Städtebau sollten abgewartet werden. Wenn dann im Ergebnis eine Änderung der BauNVO befürwortet werden sollte, könnte sich Hessen einer Bundesratsinitiative Mecklenburg -Vorpommerns anschließen. Wiesbaden, 23. Juli 2014 Tarek Al-Wazir