Kleine Anfrage des Abg. Merz (SPD) vom 17.07.2014 betreffend Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes in Schutzschirmkommunen und verschuldeten Kommunen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Gemäß dem zum 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Kinderförderungsgesetz (KiföG) werden die Zuschüsse des Landes zum Betrieb von Kindertagesstätten in Form von nach Alter und Betreuungszeit gestaffelten Pauschalen für jeden zum Stichtag 1. März besetzten Platz geleistet. Die Zahl der notwendigen Fachkräfte wird zukünftig nicht mehr pro Gruppe festgelegt, sondern richtet sich ebenfalls nach dem Alter der Kinder, der vereinbarten Betreuungszeit und der Zahl der besetzten Plätze. Damit kann die neue gesetzliche Vorgabe die bisherigen Standards der "Verordnung über die Mindestvoraussetzungen für den Betrieb von Kindertagesstätten (MVO)", wonach mindestens 1,75 Fachkräfte pro Gruppe für 3- bis 6-jährige Kinder vorhanden sein müssen, unterscheiden. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Das Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches und zur Änderung und Aufhebung anderer Rechtsvorschriften - Hessisches Kinderförderungsgesetz (HessKiföG ) vom 23. Mai 2013 (GVBl. S. 207) fügt die Mindeststandards zur Gewährleistung des Kindeswohl in Tageseinrichtungen in §§ 25a - 25d Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch und die Landesförderung der Kindertagesbetreuung in §§ 32 - 32e Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch ein. Beide Regelungsbereiche folgen einem kindbezogenen Ansatz. Nach Art. 5a Hessisches Kinderförderungsgesetz hat die Landesregierung dem Hessischen Landtag bis zum 31. Dezember 2016 einen Bericht über die Durchführung der neuen Regelungen im Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch vorzulegen. Gemäß § 57 Abs. 1 Hessische Kinder - und Jugendhilfegesetzbuch können Träger von Tageseinrichtungen, die am 31. Dezember 2013 über eine gültige Betriebserlaubnis verfügen, die Tageseinrichtung bis zum 1. September 2015 nach Maßgabe der Mindestverordnung vom 17. Dezember 2008 (GVBl. I S. 1047) in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung betreiben. Ziel des Kommunalen Schutzschirms ist die Wiederherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit in besonders konsolidierungsbedürftigen Landkreisen, Städten und Gemeinden. Diesen soll durch die sofortige partielle Entschuldung in einem Gesamtvolumen von rund 2,8 Mrd. € sowie Zinsdiensthilfen aus dem Landeshaushalt von insgesamt rund 400 Mio. € (zzgl. weiterer Zinsdiensthilfen aus dem Landesausgleichsstock in ähnlicher Größenordnung) und den damit sinkenden Zinsaufwendungen spürbar geholfen werden, ihren Haushalt im ordentlichen Ergebnis wieder ausgleichen zu können. Landeshilfen in Kombination mit eigenen merklichen und über die bisherigen Maßnahmen hinausgehenden Konsolidierungsanstrengungen sollen dazu beitragen, die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit wieder sicherzustellen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport wie folgt: Frage 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass nach den Regelungen des KiföG in einer Viel- zahl von Konstellationen die Personalstandards (Fachkraft-Kind-Relation) schlechter sein werden als nach der MVO? Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass der bisher vorzuhaltende Mindest-Personalbedarf dem nach den Neuregelungen vorzuhaltenden Mindest- Personalbedarf entspricht. Die in §§ 25a bis 25d Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB) geregelten Mindeststandards Eingegangen am 22. August 2014 · Ausgegeben am 27. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/572 22. 08. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/572 zur Gewährleistung des Kindeswohls in Tageseinrichtungen für Kinder sind das Ergebnis der Umrechnung der gruppenbezogenen Vorgaben der MVO (2008) auf das einzelne Kind. Hinzuzurechnen ist ein Aufschlag in Höhe von 15 % für Ausfallzeiten wegen Urlaubs, Fortbildung oder Krankheit. Zu den tatsächlichen Auswirkungen der neuen Mindeststandards liegen noch keine umfassenden Erkenntnisse vor, da die überwiegende Anzahl der Träger die Übergangsregelung in § 57 Abs. 1 HKJGB in Anspruch nimmt. Nach einzelnen Einschätzungen von Trägerverbänden zu den ersten Erfahrungen mit den Neuregelungen des HKJGB wirken sich diese je nach Situation der Tageseinrichtung unterschiedlich aus; teilweise kommt es danach zu einer Erhöhung des Mindest- Personalbedarfs, teilweise zu einer Reduzierung. Die Evaluierung nach Art. 5a Hessisches Kinderförderungsgesetz wird hierzu umfassende Erkenntnisse liefern. Frage 2. Ist es nach Auffassung der Landesregierung demzufolge eine "freiwillige Leistung", wenn kommunale Träger trotzdem an den bisherigen Standards der MVO festhalten? Grundsätzlich erbringt eine Kommune eine freiwillige Leistung, wenn sie ihren Bürgerinnen und Bürgern eine Leistung anbietet, zu der sie gesetzlich nicht verpflichtet ist. Frage 3. Wird die Kommunalaufsicht bemängeln, wenn verschuldete bzw. unter dem Schutzschirm ste- hende Kommunen nach Umstellung auf KiföG weiterhin 1,75 Fachkräfte pro Gruppe einsetzen, obwohl dies nach den Regelungen des KiföG nicht oder zeitweise nicht vorgeschrieben wäre? Frage 4. Mit welchen Konsequenzen müssen betroffene Kommunen in den Fällen nach Frage 3 rechnen? Müssen sie das entsprechende "zusätzlich" vorhandene Personal entlassen bzw. den Umfang der Beschäftigung reduzieren? Die Fragen 3 und 4 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Die Kommunalaufsicht handelt nach der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte vom 6. Mai 2010 (StAnz. 2010, 1470). Dort heißt es: "Die Aufsichtsbehörden werden auch Kommunen mit defizitärer Haushaltswirtschaft nicht zwingend vorgeben, den jeweils niedrigsten rechtlich zulässigen Personalschlüssel anzuwenden. Sie räumen den Kommunen im Einzelfall die Möglichkeit ein, die sachliche Notwendigkeit eines höheren Personalschlüssels zu begründen." Dies gilt auch für die Schutzschirmkommunen. In einem gemeinsamen Schreiben des Hessischen Sozialministers, des Hessischen Finanzministers und des Hessischen Ministers des Innern und für Sport vom 1. März 2013 an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Hessens wurde diese Erlassvorgabe bekräftigt. In diesem Schreiben wird ausgeführt: "Der Aufrechterhaltung der bisherigen Standards in der Kinderbetreuung in den Kommunen stehen weder die Konsolidierungsleitlinien noch die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben des Kommunalen Schutzschirms entgegen." Gleichwohl gilt nach § 92 Abs. 3 der Hessischen Gemeindeordnung für die hessischen Kommunen die gesetzliche Pflicht zum Haushaltsausgleich. Die Kommunen haben daher Aufwendungen , die daraus resultieren, dass bei der Aufgabe der Kinderbetreuung der gesetzliche Standard des Hessischen Kinderförderungsgesetzes überschritten wird bzw. ein Verzicht auf zumutbare Elternentgelte stattfindet, an anderer Stelle zu kompensieren, um die gesetzliche Pflicht zum Haushaltsausgleich zu erfüllen. Frage 5. Wie werden Betriebskostenzuschüsse verschuldeter bzw. unter dem Schutzschirm stehender Kommunen an freie Träger bewertet, die sich verhalten wie in Frage 3 dargestellt? Die in Frage 3 und 4 zitierten Regelungen differenzieren nicht danach, ob eine Kommune die Aufgabe der Kinderbetreuung selbst wahrnimmt oder hierfür freie Träger beauftragt. Die Regelungen gelten daher auch für diese Konstellation entsprechend. Frage 6. In welchem Umfang können verschuldete bzw. unter dem Schutzschirm stehende Kommunen verpflichtet werden, Elternbeiträge für die Kinderbetreuung anzuheben? Die oben bereits erwähnte "Leitlinie" des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport gibt in einem eigenen Abschnitt "Elternentgelte in Kinderbetreuungseinrichtungen" den Aufsichtsbehörden Folgendes vor: Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/572 3 "Die Landesregierung hat ein großes Interesse an der angemessenen Betreuung von Kindern. Die Kommunen entscheiden dabei grundsätzlich selbst, in welcher Höhe sie Elternentgelte erheben . Werden aus sozialen Gründen Elternentgelte gestaffelt, soll der diesbezügliche Verzicht auf Erträge der Kommune bei den sog. "freiwilligen Leistungen" nicht nachteilig angerechnet werden. Im Hinblick auf die Bedeutung der Kinderbetreuung für das Gemeinwesen soll dies auch gelten, wenn eine Kommune die Eltern teilweise oder völlig von Entgelten für Kinderbetreuungseinrichtungen freistellt. In diesen Fällen hat die Kommune einen nachhaltigen und nachvollziehbaren Kompensationsplan zur anderweitigen Finanzierung zu beschließen und der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Dieser Kompensationsplan muss auch einen Regelungsvorschlag zur Entgeltgestaltung der in der Kommune betriebenen Kinderbetreuungseinrichtungen freier Träger enthalten ." Frage 7. Sind Fälle nach Frage 6 bereits eingetreten? Wenn ja, wo und mit welchem Ergebnis? Dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport sind keine Fälle bekannt, in denen die Aufsichtsbehörden bei den Regierungspräsidien und den hessischen Landräten entgegen der zitierten Regelung der Leitlinie gehandelt hätten. Wiesbaden, 14. August 2014 Stefan Grüttner