Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 07.12.2017 betreffend Denkmalschutz für die "Buxbaum-Häuser" der Bauverein AG im Rhönring und Spessartring in Darmstadt und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung des Fragestellers: In Darmstadt sollen 52 Gebäude mit 366 Wohnungen im Rhön- und Spessartring denkmalgerecht saniert werden . Die ehemaligen Arbeiterwohnungen wurden von dem Architekt August Buxbaum zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts als Ensemble geplant. Die Schutzwürdigkeit der Architektur ist ebenso wenig wie der Sanierungsbedarf grundsätzlich zu bezweifeln. Heutiger Eigentümer der Häuser ist die Bauverein AG, die sich nun entschlossen hat, die dringend notwendige Sanierung anzugehen. Allerdings wurden seitens der Denkmalschutzbehörde restriktive Vorgaben auferlegt, die nun für großen Ärger bei der gesamten Mieterschaft sorgen. Es geht um die innen liegenden Balkone (Loggien) an der rückwärtigen Fassade. Diese wurden von vielen Mieterinnen und Mietern teilweise schon vor Jahrzehnten auf eigene Initiative in Wintergärten umgewandelt und dienen unter anderem als Erweiterung der - nach heutigen Maßstäben für eine kleine Familie knapp bemessenen - ganzjährig nutzbaren Wohnfläche. Nun sollen aufgrund der strengen Vorgabe der Denkmalschutzbehörde die Fenster entfernt und die Loggien in den Urzustand zurückgeführt werden. Die Mieterinnen und Mieter kritisieren, dass dadurch die Lebendigkeit des Quartiers einer Historisierung untergeordnet wird. Sie fordern, an der das Stadtbild in keiner Weise prägenden Rückseite der Häuser mehr Gestaltungsfreiheit, insbesondere die Möglichkeit zum Erhalt ihrer Wintergärten. Die Bauverein AG ist nach eigener Aussage bereit, diesen Wunsch zu berücksichtigen, verweist aber auf die vom Denkmalschutz vorgegebenen Auflagen. Die ersten drei Häuser wurden bereits umgebaut, für die verbleibenden Gebäude besteht noch die Möglichkeit, die Auflagen abzuschwächen. Die Bauverein AG verhandelt nach eigenen Angaben mit der unteren Denkmalschutzbehörde, hat aber bei einer Mieterversammlung darauf hingewiesen, dass das Amt in früheren Gesprächen auf seiner Position bestanden habe. Direkt zuständig ist nach unserer Kenntnis die untere Denkmalschutzbehörde. Es wurde jedoch seitens der Beteiligten kommuniziert, dass auch die obere Denkmalschutzbehörde in den Vorgang einbezogen und möglicherweise für die besonders strenge Auslegung der Bestimmungen (mit)verantwortlich sei. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Die in den Jahren 1921 bis 1928 in mehreren Abschnitten als städtische Sozialwohnungsbauten errichteten sogenannten "Buxbaum-Häuser" entlang des Rhön- und Spessartringes sind nach § 2 Abs. 3 Hessisches Denkmalschutzgesetz (HDSchG) eine ca. 2 km lange Gesamtanlage und entsprechend in der Denkmaltopografie der Stadt Darmstadt eingetragen. Die Bauverein AG entwickelte mit dem Energieversorger ENTEGA AG ein von der KfW gefördertes Quartiersentwicklungsprojekt . Die Gesamtanlage Rhönring-Spessartring wurde als Pilotprojekt ausgewählt, da diese eine zusätzliche sensible Bearbeitungsweise auf Grund des Denkmalschutzes erforderte. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens fand im Dezember 2015 ein erstes Gespräch mit Ortsbegehung zwischen Bauverein AG, ENTEGA AG, Unterer Denkmalschutzbehörde und der Denkmalfachbehörde zur Abstimmung der geplanten Sanierungsmaßnahme statt. Der Baubeginn des ersten Abschnittes erfolgte Mitte Juli 2016. Laut Bauverein AG ist die Fertigstellung des gesamten Sanierungsvorhabens im Jahr 2021 geplant. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist es richtig, dass das Landesamt für Denkmalpflege in die Entscheidungen bezüglich der Denkmalschutzauflagen für die Sanierung im Rhönring/Spessartring in Darmstadt einbezogen war und ist? Die Zuständigkeit für Maßnahmen nach dem HDSchG liegt bei den Unteren Denkmalschutzbehörden (§ 8 Abs. 1 HDSchG). Diese beteiligen nach § 20 Abs. 5 HDSchG die Denkmalfachbehörde an ihren Entscheidungen. Denkmalfachbehörde ist das Landesamt für Denkmalpflege Eingegangen am 15. Januar 2018 · Bearbeitet am 16. Januar 2018 · Ausgegeben am 19. Januar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5755 15. 01. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5755 Hessen (LfDH). Eine obere Denkmalschutzbehörde gibt es in Hessen nicht. Oberste Denkmalschutzbehörde ist der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst. In vorliegenden Fall gab es seit Dezember 2015 mehrere Abstimmungen zwischen der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Denkmalfachbehörde, bei denen es um die Denkmalwertigkeit der Häuser, der jeweiligen Bauelemente und der charakteristischen Gestaltungsmerkmale der betreffenden Objekte sowie des künftigen Umgangs mit den Häusern bis hin zu den einzelnen fachlichen Themen im Rahmen der geplanten Gesamtsanierung ging. Dabei wurde in allen Punkten das vollständige inhaltliche Einvernehmen hergestellt. Frage 2. Wenn ja, in welcher Weise wurde das Landesamt für Denkmalpflege tätig? Das LfDH hat eine bauhistorische Recherche über historische Fotos, Baupläne und Stadtpläne als Grundlage für die denkmalpflegerischen Fragestellungen und Entscheidungsprozesse durchgeführt . Diese wurde der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Bauverein AG parallel zur Verfügung gestellt. Auf der Basis der Recherchen, der restauratorischen Befunduntersuchungen und der vorgefundenen Bestandssituation wurden die für die Sanierung relevanten denkmalpflegerischen Fragestellungen gemeinsam mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Bauverein AG erörtert und die denkmalpflegerischen Entscheidungen und Festlegungen erarbeitet. Frage 3. Auf welchen Grundlagen wurde die Entscheidung der Denkmalschutzbehörden getroffen? Grundlage für die Entscheidung bildete die bauhistorische Recherche des LfDH und die Ergebnisse der gemeinsamen Erörterungen zwischen der Unteren Denkmalschutzbehörde, dem LfDH und der Bauverein AG (vgl. Antwort zu Frage 2). Das denkmalpflegerische Konzept sieht vor, dass das Ensemble seine Wertigkeit und Wertschätzung im Stadtraum wieder zurückerhält, die es zur Zeit der Erbauung hatte. Für das äußere Erscheinungsbild ist dies noch gut möglich, da die Vernachlässigungen und der Sanierungsstau der letzten Jahrzehnte zwar an vielen Stellen zu Schäden und auch Substanzverlust führten, aber die eigentliche charakteristische Grundsubstanz seit den 1920er Jahren noch in großen Teilen vorhanden ist. Bauliche Veränderungen in der Substanz des äußeren Erscheinungsbildes wurden kaum festgestellt. Charakteristische architektonische Elemente wie die Klappläden und der damit einhergehende farbliche Akzent auf der Fassade werden ebenso wieder hervorgehoben wie die unterschiedlichen bauzeitlichen Farbigkeiten der Putzfassaden der einzelnen Blockbauten. Damit kommen auch die noch vorhandenen prägenden Architekturglieder wie die Gesimse, Fenster- und Türbekleidungen wieder zu ihrer ursprünglichen Geltung. Auch die Aufarbeitung der historischen Holzfenster bzw. deren Nachbau nach historischem Vorbild, die Sanierung der noch vorhandenen Pergolen aus Werkstein sowie die Öffnung der Loggien (Freisitze) reihen sich zur Stärkung der historischen Raumwirkung ein. In den letzten Jahrzehnten wurden von einigen Mietern Freisitze mit Verglasungen mit unterschiedlichsten Teilungen, Materialität und Farbigkeit geschlossen. Die historisch als Loggien geplanten Freisitze wurden somit zur Wohnfläche, ohne das hierfür eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erfragt oder erteilt wurde. Zum einen hat diese später hinzugefügte Veränderung die Störung der klaren und ruhigen Gesamtwirkung der bauzeitlichen Fassaden und des historischen Erscheinungsbildes zur Folge (siehe Denkmaltopografie, Seite 258 und 259). Zum anderen entstanden, laut den Aussagen der Bauverein AG, durch die Schließung der Loggien bauphysikalische Probleme mit Schimmelbildung in den Wohnungen. Hintergrund hierfür ist die Grundrissaufteilung der Häuser, die laut allen recherchierten Bauplänen gleich entworfen wurden . Darin dienen die Loggien nicht nur als Freisitz für die Bewohner, sondern auch zur einzigen Entlüftung von Küche und Bad bzw. Toilette ins Freie. Die Denkmalpflege begrüßte somit den ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn, diese Freisitze wieder herzustellen bzw. die Schließung der Loggien zurückzubauen. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass es nach erfolgter Abstimmung über die Ausführung der Baumaßnahme wie auch dem Rückbau der Loggien keinen Dissens zwischen dem Bauträger und den Denkmalfachbehörden gab. Frage 4. Zahlt das Land Zuschüsse an die Bauverein AG für den Zusatzaufwand bei der denkmalgerechten Sanierung? Die Bauverein AG hat keinen Zuschuss aus Mitteln des Landes für die Denkmalpflege beantragt . Der Rückbau der nicht genehmigten Verglasung der Loggien stellt im Übrigen keinen denkmalpflegerischen Aufwand im Sinne der Denkmalförderrichtlinie des Landes dar und wäre damit auch nicht förderfähig. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5755 3 Frage 5. Sieht die Landesregierung eine Möglichkeit, die strengen Denkmalschutzvorgaben nicht auf die rückwärtige Fassade anzuwenden, und gibt es einen Ermessensspielraum, um den Forderungen der Mieterinnen und Mieter hierbei entgegen zu kommen? Die Gesamtanlage Rhönring-Spessartring ist aus künstlerischen und geschichtlichen Gründen Kulturdenkmal und entsprechend in der Denkmaltopografie der Stadt Darmstadt ausgewiesen. Damit haben sowohl der architektonische Entwurf, die städtebauliche Situation wie auch die geschichtliche Bedeutung dieses Ensemble des städtischen Sozialwohnungsbaus in den schwierigen Zeiten der Währungsreform ein besonderes Gewicht. Die Loggien sind für den damaligen Entwurfsgedanken ein wichtiger Beitrag. In der Denkmaltopografie wird explizit auf die klare und ruhige Gesamtwirkung der seinerzeit beispiellosen Baugruppe verwiesen. Aus denkmalpflegerischer Sicht bleibt damit nur der Rückbau der ohne Genehmigung errichteten Verglasungen. Ferner sind die Loggien die einzige und direkte Entlüftung von Küche und Bad. Die Schließung der Loggien ist aus bauphysikalischer Sicht wegen der Gefahr von Schimmelbildung und der Folgeschäden für die Bausubstanz als grob fahrlässig einzustufen. Frage 6. Ist es aus Sicht der Landesregierung politisch wünschenswert, den behördlichen Ermessensspielraum zu nutzen, um die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner des Quartieres stärker zu berücksichtigen und die Lebendigkeit des Wohnumfeldes zu fördern? Siehe Antwort zu Frage 5. Frage 7. Sieht die Landesregierung die Möglichkeit, dass die Wintergärten bei den verbleibenden Gebäuden erhalten bleiben? Siehe Antwort zu Frage 5. Wiesbaden, 3. Januar 2018 Boris Rhein