Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 11.12.2017 betreffend Staatsleistungen des Landes Hessen an die evangelische und katholische Kirche in Hessen I und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Die finanzielle Förderung der evangelischen und katholischen Kirchen in Hessen geht auf die Säkularisierung von Kirchengütern und auf den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 zurück. Durch die Entschädigungszahlungen für die damals erfolgten Verstaatlichungen kirchlichen Eigentums sollte sichergestellt werden, dass die Kirchen ihre Organisation aufrechterhalten können. Ihre unterschiedlichen Rechtsgrundlagen wurden durch die beiden Staatskirchenverträge des Landes Hessen, und zwar 1960 mit den Evangelischen Landeskirchen und 1963 mit den Katholischen Bistümern, zusammengefasst und pauschalisiert. Die jährliche Staatsleistung wurde in unterschiedlich hohe Grundbeträge an die drei Evangelischen Landeskirchen und die vier katholischen Bistümer aufgeteilt und festgelegt. Die Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Was waren die Gesichtspunkte, nach denen 1960 bzw. 1963 in den beiden Staatskirchenverträgen die unterschiedlich hohen Grundbeträge für die drei evangelische Landeskirchen und die vier katholischen Bistümer festgelegt wurden? Die altrechtlichen Zahlungsverpflichtungen des Landes Hessen an die Evangelischen Landeskirchen sowie die Katholischen Diözesen in Hessen - Dotationen, Zuschüsse für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung, katastermäßige Zuschüsse - sind durch den Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Landeskirchen in Hessen vom 18. Februar 1960 (GVBl. S. 54) sowie den Vertrag des Landes Hessen mit den Katholischen Bistümern in Hessen vom 9. März 1963 (GVBl. I S. 102) mit Wirkung vom 1. April 1956 auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden. Es handelt sich um pauschalierte Gesamtzuschüsse, die ohne Zweckbindung gezahlt werden. Die unterschiedliche Höhe der Grundbeträge resultiert im Wesentlichen aus der unterschiedlichen Höhe der ursprünglichen Zahlungsverpflichtungen, die in den Gesamtzuschüssen zusammengefasst worden sind. Frage 2. Aus welchen Motiven heraus wurde seinerzeit festgelegt, dass sich die Dynamisierung der Staatsleistungen nach der Entwicklung der Beamtenbesoldung richtet? Die Dynamisierungsregelung in den hessischen Staatskirchenverträgen von 1960 und 1963 folgt den Gleitklauseln, die in den Schlussprotokollen zu Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags des Freistaats Preußen mit dem Heiligen Stuhle vom 17. Juni 1929 (GS S. 151; sog. Preußenkonkordat) sowie zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags zwischen dem Freistaat Preußen und den Evangelischen Landeskirchen vom 11. Mai 1931 (GS S. 107) enthalten sind. Danach ging man bei der Bemessung der Dotation für die preußischen Erzdiözesen und Diözesen von dem seinerzeitigen (d.h. 1929 gegebenen) Stand der Aufwendungen des Freistaats Preußen für vergleichbare persönliche und sächliche Zwecke aus. Zwischen den Parteien des Preußenkonkordats bestand Einverständnis darüber, zukünftig hierin etwa eintretende Änderungen bei der Dotation entsprechend zu berücksichtigen. Diese Koppelung der Dotationen an die Entwicklung der Beamtenbesoldung ist für die Gesamtzuschüsse nach den Staatskirchenverträgen von 1960 und 1963 übernommen worden. Dies diente und dient der Verwaltungsvereinfachung, indem wiederkehrende Verhandlungen zwischen dem Staat und den Landeskirchen bzw. Diözesen über eventuelle Erhöhungen der Staatsleistungen - etwa zum Inflationsausgleich - vermieden werden. Eingegangen am 19. Februar 2018 · Bearbeitet am 19. Februar 2018 · Ausgegeben am 22. Februar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5763 19. 02. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5763 Frage 3. Wie war die Mitgliederentwicklung der Religionsgemeinschaften in Hessen von 1960 bis 2016 in absoluten Zahlen und wie ihre %ualen Anteile an der Gesamtbevölkerung Hessen, getrennt nach der katholischen Kirche und der evangelischen Kirche? Der Hessischen Landesregierung liegen aus der Volkszählung 1987 und aus dem Zensus 2011 folgende Daten zur Religionszugehörigkeit der hessischen Bevölkerung vor: 1987 Evangelische Kirche 2.847.964 51,7% 1987 Römisch-katholische Kirche 1.674.449 30,4% 2011 Evangelische Kirche 2.426.990 40,8% 2011 Römisch-katholische Kirche 1.521.980 25,6% Frage 4. Wie hoch waren die Staatsleistungen des Landes Hessen im Jahr 2016 an die katholischen Bistümer und an die evangelischen Landeskirchen insgesamt und umgerechnet pro kath. und ev. Kirchenmitglied ? Im Jahr 2016 betrugen die Staatsleistungen an die Katholischen Diözesen insgesamt 14.083.851,51 €. Im Jahr 2016 betrugen die Staatsleistungen an die Evangelischen Landeskirchen insgesamt 34.726.946,17 €. Frage 5. Woraus ergibt sich der geringere Pro-Kopf-Betrag der Mitglieder der Katholischen Kirche zur Evangelischen Kirche und hält die Landesregierung dies für sinnvoll? Frage 6. Sieht die Landesregierung Anpassungsbedarf hinsichtlich der steigenden Staatsleistungen bezogen auf die Mitgliederentwicklung in den Kirchen? Frage 7. Den beiden großen Kirchen, welche die Staatsleistungen des Landes erhalten, gehören heute ca. 60 % der hessischen Bevölkerung an. Wie bewertet die Hessische Landesregierung angesichts der zunehmenden religiös-weltanschauliche Pluralisierung unserer Gesellschaft die Staatsleistung an diese beiden Kirchen? Die Fragen 5 bis 7 werden auf Grund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Bei den derzeit entrichteten Staatsleistungen handelt es sich um zusammengefasste und pauschalierte Gesamtzuschüsse ohne Zweckbindung, die auf altrechtliche Leistungsverpflichtungen zurückgehen und nicht an die Zahl der Mitglieder anknüpfen. Im Übrigen sind die Staatsleistungen staatskirchenvertraglich abschließend geregelt und unterliegen keinerlei politischem Ermessen. Frage 8. Sieht die Landesregierung in den hohen Zahlungen an die katholische und die evangelische Kirche eine Verletzung des Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem niemand wegen seiner religiösen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf? Nein. Wiesbaden, 8. Februar 2018 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz