Kleine Anfrage der Abg. Gnadl, Alex, Barth, Faeser, Geis, Habermann, Hartmann, Hofmann, Hofmeyer, Löber, Müller (Schwalmstadt), Özgüven, Dr. Sommer, Strube, Waschke, Ypsilanti (SPD) vom 19.12.2017 betreffend "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Das Modell der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" startete bereits im Jahr 2013 in Frankfurt und wird zunehmend von betroffenen Frauen in Anspruch genommen. Mehrere Kommunen und Landkreise haben sich inzwischen dazu entschlossen, das erfolgreiche Konzept zu übernehmen. Im Jahr 2016 kamen nach Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, dem Wetteraukreis, Hanau sowie dem Main-Kinzig Kreis auch die Städte Wiesbaden, Gießen und der Kreis Waldeck-Frankenberg hinzu. Inzwischen ist auch der Landkreis Marburg Biedenkopf als Modellregion hinzugekommen. Mit der Einführung des Modells der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" wurde eine neuartige Versorgungsstruktur geschaffen, die vergewaltigten Frauen die Möglichkeit einer medizinischen Versorgung bietet, ohne dass dabei automatisch eine Anzeige bei der Polizei erfolgen muss. Auf Wunsch der Frauen ist es im Rahmen der medizinischen Behandlung möglich, Spuren professionell zu sichern und verwahren zu lassen, so dass diese nach einer rückwirkend erfolgten Anzeige zur Verfügung stehen. Gleichzeitig werden sie auf Beratungsangebote verwiesen. Seit dem Start des Projekts der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" bis einschließlich 2016 konnten 127 Frauen durch die neue Versorgungsstruktur in Frankfurt adäquate Hilfe erhalten und in den sieben angeschlossenen Frankfurter Kliniken behandelt werden. Zehn Frauen haben sich rückwirkend zu einer Anzeige entschlossen. Dazu kommen 40 weitere Frauen, die in den neuen hessischen Modellregionen versorgt werden konnten. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Auf Grundlage des Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich hat die Hessische Landesregierung zahlreiche Maßnahmen initiiert, die dem Schutz vor Partnergewalt und sexualisierter Gewalt und dem Schutz von Kindern dienen. Auch die Landesaktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und zur Akzeptanz und Vielfalt mit Blick auf LGBT-Communities sind hinsichtlich der Prävention und dem Schutz vor Gewalt vielfältig miteinander verschränkt. Das Gesundheitswesen hat bei der Prävention und dem Schutz vor interpersoneller Gewalt und bei Gewaltbelastung eine besondere Bedeutung. Ärztinnen und Ärzte sowie Praxis- und Klinikpersonal spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die fachgerechte und sensible Gesundheitsversorgung von Patientinnen geht, die durch Gewalt belastet sind. Dies trifft insbesondere auf die sexualisierte Gewalt zu, welche von außerordentlichen Tabus geprägt ist. Neben der medizinischen Behandlung geht es darum, einen sensiblen Umgang mit den Betroffenen zu erreichen : durch Hinsehen, Ansprechen, Zuhören, Erkennen, eine gerichtsverwertbare Dokumentation und ggf. Spurensicherung, und nicht zuletzt die Klärung des Schutzbedarfs sowie die Empfehlung von spezialisierten Hilfsangeboten. Hier gilt es also nicht nur für die Opfer selbst, vielfältige Hürden zu überwinden. Die medizinische Versorgung, psychosoziale Unterstützung und der Zugang zur Justiz für Opfer von sexualisierter Gewalt führen zu einer besonders hervorzuhebenden Verantwortung aller beteiligten Professionen einschließlich des Staates. Der Ansatz der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung " sorgt für ein systematisches Vorgehen und die Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse beides sind Grundvoraussetzungen für eine sensible medizinische Versorgung. Befunde werden hierdurch zudem gerichtsverwertbar erfasst und Spuren können gesichert und durch die rechtsmedizinischen Institute vertraulich aufbewahrt werden. Eingegangen am 27. Februar 2018 · Bearbeitet am 28. Februar 2018 · Ausgegeben am 2. März 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5793 27. 02. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5793 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Unterstützungsangebote für Vergewaltigungsopfer gibt es derzeit in Hessen? Frage 2. Mit welchen Trägern arbeitet die Landesregierung in den unter Frage 1 aufgeführten Angeboten in welcher Form zusammen? Die Fragen 1 und 2 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Hessen verfügt über ein ausdifferenziertes Netz an Unterstützungseinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen. Mit der Landesförderung trägt das Land zur Vielfalt und Kompetenzerweiterung bei, die durch die spezialisierten Einrichtungen und Maßnahmen - Frauenhäuser, Notrufe, Schutzambulanzen, Interventions- und Beratungsstellen zum Schutz vor häuslicher Gewalt und sexualisierter Gewalt, aber auch die Täterarbeit und die Opferhilfevereine - gewährleistet werden. Die medizinische Versorgung, ambulant wie auch stationär, ist für viele Betroffene die erste und manchmal sogar die einzige Anlaufstelle bei Belastung durch Gewalt. Die Gesundheitsberufe können deshalb eine besondere bis entscheidende Rolle ausüben, wenn sie hierauf vorbereitet sind. Hier liegen besondere Chancen, frühzeitig präventiv im Hinblick auf Gewaltfolgen zu wirken und für viele Betroffene den Zugang zu zeitnahen Beratungshilfen und Schutz erstmals zu eröffnen. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration unterstützt seit mehreren Jahren finanziell und fachlich die Einführung des zunächst in Frankfurt begonnen Ansatzes "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" möglichst in ganz Hessen. Das federführend durch die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt entwickelte Modell, das mit einer soliden Qualifizierung und kontinuierlichen Beratung der beteiligten Kliniken einhergeht, soll schrittweise landesweit installiert werden, mit dem Ziel, eine erreichbare medizinische und psychosoziale Versorgung sowie rechtsmedizinische Spurensicherung für von Vergewaltigung und anderen Sexualdelikten betroffene Frauen und Männer zu installieren. In einem ersten Schritt hat die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt ab 2007 eine Vernetzung mit der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und dem Institut für Forensische Medizin im Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität aufgebaut. Ab 2013 waren sieben der acht Frankfurter Frauenkliniken mit der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt sowie mit dem Institut für Forensische Medizin an der Goethe-Universität als Kompetenzzentren miteinander vernetzt. Inzwischen sind 21 weitere Frauenkliniken in Hessen dazugekommen. Auch in Ostund Mittelhessen gibt es ausgewiesene, geschulte klinische Anlaufstellen, die nach diesem Ansatz tätig sind. Neben der medizinischen Akutversorgung stellen diese Kliniken eine rechtsmedizinisch geschulte , juristisch verwertbare Spurensicherung und Befundung sicher, wenn die Betroffenen dies wünschen. Sie kooperieren mit den örtlichen Fachberatungsstellen. In der Regel sind dies die Frauennotrufe, so dass eine individuelle Begleitung auch nach der medizinischen Behandlung erfolgen kann. Die versorgenden Kliniken ermutigen aktiv dazu, sich durch eine Fachberatungsstelle unterstützen zu lassen. Beweismittel können bei den Instituten für Rechtsmedizin in Frankfurt und Gießen sicher aufbewahrt werden. Einen Überblick über die beteiligten Krankenhäuser und das Angebot bietet der zentrale Webauftritt www.soforthilfe-nachvergewaltigung .de, der die beteiligten Kliniken und Kooperationen an den Modellstandorten vorstellt sowie eine Erstorientierung für Betroffene, für Angehörige, Fachkräfte und Ärzteschaft anbietet. Am Modell Interessierten, Kommunen und Kliniken, ist der Zugang zu einer Beratung durch die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt eröffnet ("Modellregion werden"). Methodisch ist ein systematisches Vorgehen während der medizinischen Untersuchung und bei der weiteren Versorgung sichergestellt. So können Unsicherheiten und Fehlerquellen besser ausgeräumt werden. Die gerichtsfeste Befundung und das Sichern von Beweismitteln erfolgte zunächst mit der 2007 vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration herausgegebenen Dokumentationshilfe "Befunderhebung, Spurensicherung, Versorgung bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt", welche im Jahr 2016 in überarbeiteter Neuauflage erschien. Diese Anleitung hat die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt im Auftrag des Ministeriums entsprechend den strengen wissenschaftlichen Standards vorbereitet, die einer formellen Empfehlung der medizinischen Fachgesellschaften zugrunde liegen. So wurde unter Berücksichtigung des Stands der Wissenschaft und der Forschung der relevanten Berufsfelder (insbesondere medizinisch und juristisch) die Anleitung in einer multidisziplinär zusammengesetzten Redaktionsgruppe entwickelt sowie vorab, vor der Endredaktion und Veröffentlichung 2007 und in überarbeiteter Neuauflage 2016, in der Praxis erprobt. Diese Anleitung wird von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht in ihrer Handlungsempfehlung aus 2008 empfohlen und wurde in das Qualitätsmanual der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2012 aufgenommen. Den präzisen, sorgfältig aufgebauten Anamnese- und Befundbogen ergänzt ein wissenschaftlich entwickeltes und praxiserprobtes Spurensicherungsset , an deren Entwicklung sich das Hessische Landeskriminalamt beteiligt hat. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5793 3 Neben der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" steht die Schutzambulanz Fulda am Fachbereich Gesundheit, Landkreis Fulda - auch nach der Ende 2015 abgeschlossenen, vom Land geförderten sechsjährigen Modellphase - für eine vertrauliche Spurensicherung in Kooperation mit dem jeweiligen fachärztlichen Dienst weiterhin zur Verfügung (www.schutzambulanz-fulda.de). Das Forensische Konsil Gießen (www.forensisches-konsil-giessen.de) wurde 2013 am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH mit Landesmitteln eingerichtet . Das Forensische Konsil Gießen ist ein kostenloser konsiliarischer Online-Dienst der Ambulanz des Instituts und ermöglicht die gesicherte Übermittlung einer Falldarstellung in Wort und Bild. Eine konsiliarische rechtsmedizinische Unterstützung ist hierdurch erstmals in Hessen überregional erhältlich. Das Forensische Konsil Gießen bietet online und im persönlichen Gespräch Auskunft über das Erkennen von Gewalteinwirkungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Dies steht Gewaltbetroffenen sowie allen Personen zur Verfügung, die sich mit den Folgen von Misshandlung, Vernachlässigung oder auch sexuellem Missbrauch befassen. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte erhalten Hilfestellung bei der Befunderhebung und gerichtsfesten Dokumentation. Zudem beinhaltet die Landesförderung des Forensischen Konsils Gießen ab 2016 den Ausbau der Weiterqualifizierung von Kliniken mit dem Ziel, nachhaltige Kompetenzzentren in der Diagnose und Dokumentation von Gewaltfolgen überregional zu etablieren. Nicht zuletzt unterstützt das Forensische Konsil Gießen auch die Kliniken, die den Ansatz "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" umsetzen. Ziel ist somit auch hier, Schritt für Schritt in Hessen ein landesweites Netzwerk an rechtsmedizinisch geschulten Kliniken und niedergelassenen Praxen zu erreichen, ausgestattet mit dem sozialmedizinischen Wissen um die Vorteile und auch Notwendigkeit einer soliden Vernetzung mit spezialisierten Unterstützungseinrichtungen des Frauenschutzsystems vor Ort bzw. in der Region. Darüber hinaus stellt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration seit dem Jahr 2016 Landesmittel für die neu ins Leben gerufene Beratungsstelle "gewaltfreileben" des Vereins Broken Rainbow e.V. bereit, die ein spezialisiertes Angebot für lesbische und transgeschlechtliche Frauen mit Gewalterfahrung darstellt (www.gewaltfreileben.org). Die Beratungsstelle konnte im April 2017 in Betrieb gehen. Neben der persönlichen und telefonischen Beratung hat die Beratungsstelle ein virtuelles Beratungsangebot ausgebaut: So gibt es nicht nur eine E-Mail-Beratung, sondern auch die Möglichkeit , sich in einem virtuellen Beratungszimmer zu verabreden oder aber im Live-Chat sofort mit den Beraterinnen zu sprechen. Dank einer Kooperation mit den Frankfurter Hochschulen ist ein zugehendes und pro-aktives Beratungsangebot entstanden. Ein Notfalldienst steht an den Wochenenden in Krisensituationen zur Verfügung. Sexualisierte Gewaltformen kommen hier regelhaft - neben Konflikten und Gewalt in der Beziehung - zur Sprache. Eine Beratung über das Angebot der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" erfolgt daher von dieser Beratungsstelle aus gezielt, wenn eine aktuelle Tathandlung thematisiert wird. Dies gilt genauso für die übrigen Anlauf-, Beratungs- und Schutzeinrichtungen in Hessen insgesamt, die bei akutem Bedarf an medizinischer und ggf. rechtsmedizinischer Soforthilfe nach Vergewaltigung an die überregional etablierten Angebote dieses Ansatzes vermitteln, wenn die Betroffene dies wünscht. Frage 3. Plant die Landesregierung einen Ausbau der in Frage 1 benannten Angebote? Falls ja, wann und in welchem Umfang? Falls nein, warum nicht? Ja. Wie bereits dargelegt fördert die Hessische Landesregierung finanziell und ideell von Beginn an den überregionalen Ausbau dieses Ansatzes. Die Landesmittel sind entsprechend dem zunehmenden Bedarf der Kommunen und Kliniken an Beratung und Orientierung durch die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt gewachsen. Die Frankfurter Vernetzung "Soforthilfe nach Vergewaltigung" ist mit einer medial großflächigen Öffentlichkeitskampagne mit dem Ziel der Information und Aufklärung flankiert (http://www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de), welche das Hessische Ministerium für Soziales und Integration in der Einführungsphase im Jahr 2013 mit einer Pilotstudie durch die University of Applied Sciences Frankfurt auswerten ließ. Der schrittweise und überregionale Ausbau des zunächst in Frankfurt am Main eingeführten Ansatzes "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" kann mit finanzieller Unterstützung durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration realisiert werden. Seit dem Jahr 2014 beinhaltet die Landesförderung der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt die einschlägige Kapazitätserweiterung hessenweit. Durch entsprechende Fortbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte aus Krankenhäusern und niedergelassenen Praxen sowie für medizinisches Fachpersonal und durch die Beratung zur Organisationsentwicklung beteiligter Kliniken und ihrer Kooperationspartnerinnen und -partner, setzt der Frauennotruf Frankfurt dieses Ziel um. Die beiden hessischen Institute für Rechtsmedizin tragen durch die qualifizierte Spurensicherung unabhängig von Ermittlungsverfahren sowie durch ihre Beiträge zur Fortbildung zum Erfolg bei. Ein weiteres Standbein ist das vom Land geförderte, oben in der Antwort zu Frage 3 beschriebene "Forensische Konsil Gießen" beim Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, die neben der kollegialen Beratung der Ärzteschaft zu Gesundheitsfolgen bei Gewalteinwirkung sowie der gerichtsfesten Verletzungsbegutachtung bei Opfern von Ge- 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5793 walttaten auch multidisziplinäre Fortbildung und Informationsveranstaltungen anbietet. Die Fortbildung aller Berufsfelder, die mit Gewaltfolgen konfrontiert werden, steht im Fokus. Das Ziel ist auch hier eine verlässliche, überregionale Vernetzung des Forensischen Konsils Gießen mit Partnerkliniken, die eine kontinuierliche rechtsmedizinische Fallberatung und Fortbildung genießen sollen. Hierdurch soll geholfen noch mehr Menschen zu einer gerichtsfesten Verletzungsdokumentation nach Gewalterfahrung zu verhelfen. Hierdurch wird in der Medizin eine gewaltsensible Befundung und Versorgung für alle Gewaltopfer auch außerhalb der unmittelbaren Reichweite eines rechtsmedizinischen Instituts sichergestellt. Tabelle 1 führt die Förderung in dieser Legislaturperiode des spezifischen Ansatzes "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" aus Kapitel 0806, Haushaltsprodukt Nr. 5 - Schutz von Frauen vor Gewalt - auf: Tabelle 1: Förderung Frauennotruf Frankfurt am Main "Ansatz Soforthilfe nach Vergewaltigung " Jahr Förderung 2014 13.585,00 € 2015 20.585,00 € 2016 28.785,00 € 2017 28.700,00 € Tabelle 2 führt die Förderung in dieser Legislaturperiode des Forensischen Konsils Gießen aus Kapitel 0806, Haushaltsprodukt Nr. 41 - Gesundheitliche Versorgung von Gewaltopfern - auf: Tabelle 2: Jahr Förderung 2014 45.000,00 € 2015 45.000,00 € 2016 133.100,00 € 2017 140.075,00 € Die Zielvereinbarungen zwischen dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration und den Gebietskörperschaften über die Verwendung der kommunalisierten Landesmittel der sozialen Hilfen (Kapitel 0806, Produkt Nr. 11) sehen zudem vor, dass die Entwicklung neuer Strukturen , die die Gesundheitsversorgung mit dem Angebot gerichtsfester Dokumentation und Beweissicherung verbindet sowie psychosoziale und weitere Interventionsmöglichkeiten vermittelt, angestrebt wird (Schutzambulanzen und klinikübergreifende Kooperation). Somit ist die Finanzierung von Beratungskapazität der Fachberatungsstellen Frauennotrufe über kommunalisierte Landesmittel möglich. Denn die psychosoziale Beratungskomponente ist ein wichtiger Bestandteil der "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" und sollte vor Ort bzw. in der Region - und somit für die Betroffene persönlich erreichbar - sichergestellt sein. Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit des Modells "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung "? Die Hessische Landesregierung unterstützt den Ansatz "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung ", weil es sich um ein vorbildliches Verfahren zur gewaltsensiblen Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung und auch der örtlichen Vernetzung handelt, die auf eine wissenschaftlich erarbeitete, systematische Untersuchungs- und Kooperationsmethode gründet. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration fördert finanziell und ideell von Beginn an den überregionalen Ausbau dieses Ansatzes, denn die Notwendigkeit besteht zweifellos, eine zeitnahe, vertrauliche medizinische und psychosoziale Betreuung von Gewaltopfern unabhängig von einem polizeilichen Ermittlungsverfahren zu ermöglichen. Dies gilt umso mehr seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbulkonvention) in Deutschland am 1. Februar 2018. Artikel 25 Istanbulkonvention bestimmt für die Opfer sexualisierter Gewalt "Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Einrichtung von geeigneten, leicht zugänglichen Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt in ausreichender Zahl zu ermöglichen, um Opfern medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen, Traumahilfe und Beratung anzubieten." Bedauerlicherweise ist die Vermittlung einschlägiger Kenntnisse in der medizinischen Grundund Weiterbildung und der Ausbildung der medizinischen Berufe bis heute nicht selbstverständlich . Bis heute kommt es ferner vor, dass einzelne Kliniken die rechtsirrige Meinung vertreten, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5793 5 eine medizinische Versorgung nach Vergewaltigung nicht sicherstellen zu müssen, wenn keine Strafanzeige vorab erfolgt ist. Dabei kommt es für die Betroffene gerade eines Sexualdelikts auf eine schnelle, sorgfältige und sensible medizinische Versorgung an. Dies trifft im Übrigen auf die Reaktion nach jeder schwerwiegenden Grenzüberschreitung zu. Die erste Reaktion Dritter ist entscheidend dafür, als Betroffene eine ernsthafte Chance zu erhalten, die durch eine schwere Missachtung von Grundrechten bis hin durch Gewalt einhergehenden Verletzungen bewältigen zu können. Dass die "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" sich als viel versprechendes Vorbild etabliert, ist an dem stetig wachsenden Interesse weiterer Kommunen in Hessen wie auch außerhalb Hessens in weiteren Bundesländern abzulesen. Jährlich sind seit dem Durchbruch 2013 in Frankfurt neue Modellregionen mit jeweils bis zu drei beteiligten Kliniken dazugekommen . Das Interesse reicht über die Landesgrenzen hinaus, da auch andere Bundesländer die Notwendigkeit einer medizinischen und psychosozialen Betreuung von Gewaltopfern unabhängig von einem polizeilichen Ermittlungsverfahren sehen. Seit kurzem ist in Pforzheim in Baden- Württemberg der Ansatz fest installiert. Ende Februar 2018 werden zwei neue Standorte in Rheinland-Pfalz hinzukommen. Die Beratungsstelle Frauennotruf ist gewissermaßen als Botschafterin Hessens vielfach auch zu Bundesgremien und zum Mitwirken im Beirat eines Bundesprojekts eingeladen worden, um ihre Erkenntnisse aus der Entwicklung dieses Ansatzes und Expertise in der gesundheitlichen Versorgung von Gewalt belasteten Frauen beizutragen. Der bereits seit 2013 in Frankfurt wirkende, vorbildliche Kompetenzverbund "Medizinische Akutversorgung nach Vergewaltigung" stellt einen Gewinn für die weiteren Kommunen und Landkreise dar, die die Herausforderungen der medizinischen Akutversorgung nach einem sexualisierten Angriff umfassend aufgreifen und lösen wollen. Die standardisierten Vorgehensweisen ermöglichen den Kommunen, eine Lücke im Versorgungssystem erfolgreich zu schließen und Partner und Partnerinnen für das übergreifende vernetzte Handeln zu finden. Die neun Regionen, die das Modell bereits erfolgreich in insgesamt 21 Kliniken implementiert haben - neben Frankfurt am Main sind dies bis jetzt Darmstadt, Gießen, Hanau und Main- Kinzig-Kreis, Marburg-Biedenkopf, Offenbach, die Landkreise Wetterau Waldeck-Frankenberg und die Landeshauptstadt Wiesbaden - tragen ebenso in erheblichem Maße dazu bei, die medizinische und psychosoziale Versorgung Betroffener zu verbessern. Das Angebot wird trotz der Hemmschwelle, sich nach einem Vergewaltigungsgeschehen selbst im geschützten Rahmen einer ärztlichen Behandlung zu offenbaren, zunehmend in Anspruch genommen. So konnten allein in Frankfurt am Main im Jahr 2017 39 Frauen, 38 weitere Frauen in Hessen und 8 Frauen in Baden-Württemberg (insgesamt 85 Frauen) versorgt werden. Seit Projektstart im Frühjahr 2013 bis Ende Dezember 2017 konnten bereits 256 Frauen das Angebot der medizinischen Versorgung und Befundsicherung in einem Krankenhaus ihrer Wahl und ohne vorausgegangene Strafanzeige nutzen. Dabei ist von einer höheren Anzahl versorgter Frauen auszugehen, da nicht automatisch eine Meldung an die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt und über sie an das Hessische Ministerium für Soziales und Integration erfolgt. Die hohe Barriere durch Schuld- und Schamgefühle soll durch Geduld und Fortsetzung der Aufklärung und Information weiter gesenkt werden. Frage 5. Zieht die Landesregierung in Erwägung, das Projekt mit Landesmitteln zu unterstützen? Falls ja, wann und in welchem Umfang? Falls nein, warum nicht? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 3 verwiesen. Frage 6. Wo und in welchem Umfang wird das Projekt mit kommunalisierten Landesmitteln unterstützt? Bitte aufschlüsseln nach Modellregion und konkretem Zweck der Unterstützung (Schulungen, Werbemaßnahmen o.ä.). Im Rahmen der Berichterstattung an das Land geben die Gebietskörperschaften seit der Kommunalisierung der sozialen Hilfen Auskunft über Maßnahmen in den Zielbereichen der Kommunalisierung . Die Datenerhebung und Berichterstattung an das Land erfolgt in kumulierter Form. Die Lieferung konkreter Daten durch einzelne Träger unmittelbar an das Land erfolgt daher auf freiwilliger Basis. Um die Frage zur Höhe der Finanzierung durch kommunalisierte Landesmittel und zum konkreten Zweck der Unterstützung nach den jeweiligen Modellregionen dennoch beantworten zu können, wurde Frage 6 an die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt in ihrer Eigenschaft als Koordinierungsstelle der hessischen Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen weitergegeben und diese um kurzfristige Beantwortung gebeten. Innerhalb der kurzen Frist war ein vollständiger Überblick nicht erhältlich, sondern lediglich von vier der Beratungseinrichtungen , die auf die Beratung und Betreuung nach Vergewaltigung spezialisiert sind (Tabelle 3). Somit liegen der Landesregierung keine Informationen dazu vor, ob die Beratungsstellen in den fünf Modellregionen Gießen, Hanau und Main-Kinzig-Kreis, Waldeck- 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5793 Frankenberg, Wetterau, und Landeshauptstadt Wiesbaden mit kommunalisierten Landesmitteln als Beitrag zur "Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung" ausgestattet werden. Zur Frage nach einer entsprechenden Förderung der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt sei angemerkt, dass die Stadt Frankfurt selbstverständlich zur Vermeidung einer Doppelförderung keine kommunalisierten Mittel zur Verfügung stellt, da die "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung " bereits aus Kapitel 0806, Produkt Nr. 5 finanziert wird. Tabelle 3: Rückmeldung der Hessischen Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen Stadt/Landkreis Einrichtung Kommunalisierte Landesmittel für "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" Höhe der Mittel Darmstadt Pro familia e.V., Bezirksverband Darmstadt/Bensheim, Notruf und Beratung bei sexualisierter Gewalt, Darmstadt Ja 15.000 € Frankfurt/Main Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt Nein - Marburg- Biedenkopf Frauennotruf Marburg e.V., Marburg Ja 3.000 € Offenbach Pro Familia Offenbach e.V., Frauennotruf Offenbach Nein - Frage 7. Erscheint der Landesregierung eine Übertragung des Projekts auf alle Kommunen und Landkreise sinnvoll, insbesondere um sicherzustellen, dass vergewaltigten Frauen überall in Hessen die gleiche Unterstützung durch die "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" zu Teil werden kann? Falls ja, inwiefern wirkt sie darauf hin? Falls nein, warum nicht? Hierzu wird auf die Beantwortung der Fragen 3 und 4 verwiesen. Wiesbaden, 19. Februar 2018 Stefan Grüttner