Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 19.12.2017 betreffend radikale Islamisten bzw. Salafisten in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Die Zahl radikaler Islamisten bzw. Salafisten ist in Deutschland weiter gestiegen. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz liegt sie derzeit bei 10.800 Personen (Stand Dezember 2017). Im September 2017 hatten die Verfassungsschützer noch 500 radikale Islamisten bzw. Salafisten weniger gezählt, vor einem Jahr lag der Wert bei 9700, vor sechs Jahren noch bei weniger als 4000. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (siehe Verfassungsschutzbericht 2016; Stand: Juni 2017, Seite 160) ergibt sich für das Jahr 2016 ein Islamismuspotenzial von rund 24.400 Personen in Deutschland. Rund 9.700 Personen werden davon salafistischen Bestrebungen zugerechnet. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele radikale Islamisten bzw. Salafisten gab es nach Kenntnis der Landesregierung in den Jahren 2016 bis 2017 und gibt es nach derzeitigem Stand in Hessen? Die Landesregierung ging im Jahr 2016 von einem Personenpotenzial von 4.170 Islamisten in Hessen aus. Diese Zahl ist bis heute aktuell. Für den Phänomenbereich "Salafismus" beläuft sich das Personenpotenzial von 2016 bis heute auf 1.650 Salafisten. Der Begriff des Islamismus beschreibt dabei alle Erscheinungsformen des islamischen Extremismus , das heißt politisch-totalitäre Ideologien, die den Islam als ein alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens umfassendes System begreifen. Islamisten lehnen namentlich die Trennung von Staat und Religion ab und wollen das gesamte politische und gesellschaftliche Leben religiös begründeten Normen unterwerfen. Unser demokratischer Rechtsstaat ist ihrer Überzeugung nach nicht mit dem Willen Allahs vereinbar. Mit Salafismus wird eine extremistische Ideologie innerhalb des Islamismus bezeichnet. Der Begriff leitet sich aus dem Arabischen (salafiyya ) von den "frommen Altvorderen" ab. Damit sind die ersten drei Generationen von Muslimen gemeint, deren angeblich gottgefällige und allein an Koran und Sunna ausgerichtete Lebensweise den Idealvorstellungen der Anhänger des Salafismus entspricht. Frage 2. Wie viele radikale Islamisten bzw. Salafisten sind bereits im Zusammenhang mit islamistischen Aktivitäten strafrechtlich in Erscheinung getreten? Bitte auch die betreffenden Straftaten ausweisen . In der Tabelle (Anlage 1) sind die im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) dem Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) durch die Polizeipräsidien übermittelten Fälle zu den Themenfeldern "Islamismus/ Fundamentalismus" angeführt. Nach bundesweit festgelegten Kriterien erfolgt ein Fallzahlenabgleich zum Stichtag 31. Januar des jeweiligen Folgejahres. Die Fallzahlenerhebung für das Jahr 2017 ist nicht abschließend. Die Erhebung wurde zur Beantwortung der Frage 2 zum Stichtag 2. Januar 2018 durchgeführt und kann sich daher noch verändern. Insgesamt konnte im Jahr 2016 eine Gesamtzahl von 75 Tatverdächtigen festgestellt werden. Für das Jahr 2017 kann in Bezug auf den zugrunde liegenden Erhebungszeitraum eine Gesamtzahl von 134 erfassten Tatverdächtigen berichtet werden. Eingegangen am 19. Februar 2018 · Bearbeitet am 19. Februar 2018 · Ausgegeben am 22. Februar 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5796 19. 02. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5796 Frage 3. Wie viele radikale Islamisten bzw. Salafisten gelten nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden als "gewaltbereit"? Etwa 25 % der 1.650 salafistischen Akteure in Hessen werden vom Landesamt für Verfassungsschutz Hessen (LfV) als gewaltorientiert eingeschätzt. Bezüglich der Gewaltorientierung von sonstigen Islamisten geht das LfV lediglich von Einzelfällen aus. Frage 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Zusammensetzung dieser islamistischen bzw. salafistischen Szene in Hessen, insbesondere bezüglich Bildungsgrad, Geschlechterverteilung , Alter, Anteil der Konvertiten, Anteil der deutschen bzw. ausländischen Staatsbürger? Zur Erhebung personenbezogener Daten bedarf es gesetzlicher Grundlagen sowie der tatsächlichen Möglichkeit, entsprechende Daten belastbar erheben zu können. Bei den angefragten Kategorien ist dies nicht in allen Fällen gegeben. Eine dezidierte Darstellung des Anteils der Konvertiten an der hessischen Szene im Bereich Islamismus bzw. Salafismus ist nicht möglich, da religiöse Konversionen nicht vom Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzbehörden umfasst werden. Ebenso wenig besteht die Möglichkeit, standardisiert und gezielt den Bildungsgrad aller Extremisten zu erheben. Insbesondere vor dem Hintergrund eines Zuzugs aus dem Ausland, mithin außerhalb des deutschen Bildungswegs, stehen Ermittlungen in dieser Fragestellung außer Verhältnis oder fußen zumeist auf eigenen Angaben. Dies vorangestellt, wird die Frage wie folgt beantwortet: Geschlechterverteilung Mehr als dreiviertel der bekannten Islamisten/Salafisten sind männlichen Geschlechts. Altersstruktur Die dominante Altersgruppe im Islamismus/Salafismus ist die Gruppe der 26- bis 35-Jährigen. Ein Vergleich der Geschlechter bezüglich der Altersstruktur zeigt keine Auffälligkeiten. Insgesamt sind Akteure des salafistischen Spektrums im Vergleich zu denen des islamistischen Spektrums jünger. Der Anteil der unter 25-Jährigen ist im Salafismus deutlich höher als im Islamismus . Staatsangehörigkeit Etwa die Hälfte der Islamisten besitzt keine deutsche Staatsangehörigkeit. Bei den Salafisten ist es rund ein Drittel. Die Übrigen besitzen die deutsche und ggf. eine weitere Staatsangehörigkeit. Regionale Verteilung Das hessische Personenpotenzial im Islamismus (inklusive Salafismus) konzentriert sich überwiegend auf den Ballungsraum "Rhein-Main-Gebiet". Daneben existiert im Phänomenbereich Salafismus eine größere Szene im Raum Kassel / Nordhessen. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass islamistische Veranstaltungen / Akteure vorwiegend in Ballungsräumen zu erwarten bzw. aktiv sind. Frage 5. Wie viele Kontakte hatte das Violence Prevention Network seit der Übernahme der Präventionsarbeit gegen islamistische Radikalisierung in Hessen zu Betroffenen und deren Familien? Oftmals findet eine erste Beratung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der "Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus" von Violence Prevention Network (VPN) direkt am Telefon statt. Wenn über das Telefon hinaus kein weiterer Beratungsbedarf besteht, wird dieser Kontakt nicht als Beratungskontakt gewertet. Aus einem Beratungskontakt folgt mitunter eine mehrmonatige oder mehrjährige Begleitung der Betroffenen bzw. ihrer Angehörigen. Dies vorangestellt, wird die Frage wie folgt beantwortet: Im Jahr 2014 hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der "Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus" von VPN 30 Direktkontakte mit Betroffenen und 24 Kontakte mit Angehörigen. Im Jahr 2015 hatten sie 78 Direktkontakte mit Betroffenen (davon 51 neu) und 69 Kontakte mit Angehörigen (davon 45 neu). Im Jahr 2016 hatten sie 114 Direktkontakte mit Betroffenen (davon 41 neu) und 100 Kontakte mit Angehörigen (davon 40 neu). Im Jahr 2017 hatten sie 161 Direktkontakte mit Betroffenen (davon 47 neu) und 150 Kontakte mit Angehörigen (davon 50 neu). Wiesbaden, 4. Februar 2018 Peter Beuth Anlage KA 19/5796 Anlage 1 Delikt 2016 2017 Gesamtergebnis § 86a StGB 2 1 3 § 89a StGB 27 23 50 § 89c StGB 4 4 8 § 91 StGB 1 1 § 111 StGB 1 1 § 126 StGB 10 2 12 § 129b StGB 14 67 81 § 130 StGB 2 2 4 § 140 StGB 1 1 § 168 StGB 1 1 § 185 StGB 1 2 3 § 223 StGB 1 1 § 224 StGB 2 2 § 239 StGB 1 1 § 240 StGB 1 1 § 241 StGB 5 8 13 § 261 StGB 1 1 2 § 263 StGB 1 1 § 303 StGB 1 1 2 § 310 StGB 1 1 § 8 VStGB 1 1 KWKG § 22a 1 1 VereinsG § 20 10 4 14 WaffenG § 51 1 1 Gesamtergebnis 84 122 206