Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 20.12.2017 betreffend Weltaktionsprogramm "Bildung für nachhaltige Entwicklung" und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: 2015 startete das UNESCO-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung, welches in seiner Dauer bis 2019 darauf abzielt, eine langfristige, systemische Veränderung des Bildungssystems zu bewirken und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu implementieren. Vorbemerkung des Kultusministers: Die Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung hat am 20. Juni 2017 den Nationalen Aktionsplan der Bildung für nachhaltige Entwicklung (NAP) zur Umsetzung des UNESCO-Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung (2015-2019) verabschiedet . Die 130 im NAP genannten Ziele dienen den Bundesländern als Orientierungsgröße bei der künftigen Ausrichtung des Bildungswesens. Sie wurden aufgrund der Fülle und Unterschiedlichkeit bewusst nicht als Vorgaben formuliert, die sämtlich im Rahmen des Umsetzungszeitraumes erfüllt werden müssten, sondern als Leitlinie. In Hessen wird der NAP in den bereits laufenden Prozess der BNE-Implementierung in das hiesige Bildungssystem integriert. Der NAP ist als Querschnittsaufgabe für das gesamte Bildungssystem angelegt und stellt die Bedeutung des non-formalen und informellen Lernens für die bessere strukturelle Verankerung von BNE im gesamten Bildungswesen heraus. Die im NAP formulierten Ziele und Maßnahmen verstehen sich gleichermaßen als staatliche und gesellschaftliche Aufgabe und benötigen zur Umsetzung sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich dauerhafte und verlässliche Strukturen. Viele Handlungsfelder, Ziele und Maßnahmen des NAP aus dem non-formalen Lernen finden sich auch in den BNE-Aktivitäten der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie unter Federführung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wieder, wie z.B. die wirksame Beteiligung junger Menschen sowie die Stärkung und Anerkennung sog. Change Agents und Multiplikatoren. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wann gedenkt die Landesregierung das Weltaktionsprogramm "Bildung für nachhaltige Entwicklung " (WAP) bzw. den "Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung" (NAP- BNE) außerhalb von Projektförderungen curricular und strukturell umzusetzen? Für das Land Hessen bedeuten WAP und NAP keine grundlegend neuen Herausforderungen. Eine strukturelle Verankerung besteht bereits im Rahmen des Programms "Hessische Umweltschulen ", das von der UNESCO-Kommission 2017 als "BNE-Netzwerk" ausgezeichnet wurde. Außerdem unterstützt das von der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie geförderte Projekt "Schuljahr der Nachhaltigkeit" Grundschulen bei der Einbindung des Themas BNE und bei der Umsetzung des Orientierungsrahmens für den Lernbereich Globale Entwicklung. Darüber hinaus wird mit der 2017 gegründeten Dachmarke "Nachhaltigkeit lernen in Hessen" das Engagement von Schulen mit unterschiedlichen Zugängen zu BNE gewürdigt und zusammengeführt . Ziel ist es, über die beiden v.g. Programme hinaus ein noch breiteres Netzwerk von Schulen aufzubauen, das das Thema nachhaltige Entwicklung verankert und im Schulalltag Eingegangen am 28. Februar 2018 · Bearbeitet am 6. April 2018 · Ausgegeben am 6. April 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5800 28. 02. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5800 sowie im kompetenzorientieren Unterricht lebendig werden lässt. BNE wurde als "besondere Bildungs- und Erziehungsaufgabe" bereits in die Neufassung des Hessischen Schulgesetzes aufgenommen (§ 3 Hessisches Schulgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 2017). Curriculare Verankerungen bestehen bereits an zahlreichen Stellen im Bildungsplan 0 - 10 sowie in den Kerncurricula der allgemeinbildenden Schulen und Ausbildungsplänen der beruflichen Schulen. Beispielhaft kann für eine bereits bestehende curriculare Verankerung auf das Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe verwiesen werden. Dort heißt es: "Mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und die vielfältigen damit verbundenen Herausforderungen für junge Erwachsene zielt der Erwerb fachlicher und überfachlicher Kompetenzen insbesondere auf die folgenden zwei Dimensionen, die von übergreifender Bedeutung sind: Demokratie und Teilhabe / zivilgesellschaftliches Engagement: […] Nachhaltigkeit/Lernen in globalen Zusammenhängen: globale Zusammenhänge bezogen auf ökologische, soziale und ökonomische Fragestellungen wahrnehmen, analysieren und darüber urteilen; Rückschlüsse auf das eigene Handeln ziehen; sich mit den Fragen, die im Zusammenhang des wissenschaftlich-technischen Fortschritts aufgeworfen werden, auseinandersetzen; sich dem Diskurs zur nachhaltigen Entwicklung stellen, sich für nachhaltige Entwicklung engagieren . Für das Kerncurriculum "Politik und Wirtschaft" in der gymnasialen Oberstufe wird formuliert: "Das Thema der E2 'Wachstum und Lebensqualität in marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften ' mit den Themenfeldern 'Entwicklung von wirtschaftlichem Wachstum und Lebensqualität und deren Beschreibungsmöglichkeiten', 'Ökologische Herausforderungen der Gegenwart' sowie 'Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Umweltpolitik im politischen Mehrebenensystem ' setzt einen deutlichen Schwerpunkt auf die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer Gesellschaft, sich nachhaltig zu entwickeln." Frage 2. Durch welche Strategien und Umsetzungsschritte soll die Implementierung des WAP bzw. des NAP-BNE gewährleistet werden? Unter dem Dach der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen ist der Runde Tisch BNE eingerichtet worden; er ist ressortübergreifend angelegt und bindet maßgebliche Akteure, Institutionen und Organisationen der hessischen Bildungslandschaft ein. Der Runde Tisch unterstützt die strukturelle Verankerung in allen Bildungsbereichen und setzt Maßnahmen im Einflussbereich der Mitglieder um. Frage 3. Wie sollen die Curricula auf allen Ebenen der formalen Bildung (Elementarbereich, allgemeinbildende weiterführende Schulen, berufsbildende Schulen, Hochschulen) an die Anforderungen des WAP angepasst werden? Maßgeblich für das Land Hessen sind die Vereinbarungen, die im Rahmen des NAP getroffen wurden, denn hierin ist die Konkretisierung des WAP auf nationaler Ebene bereits erfolgt. Aufgrund der umfangreichen Bearbeitungs- und Beteiligungsprozesse, die mit curricularen Veränderungen verbunden sind, ist eine Überarbeitung der curricularen Vorgaben ausschließlich unter dem Aspekt der BNE nicht zielführend. Es ist vorgesehen, die Aussagen des NAP bei anstehenden Überarbeitungen einzubinden. Frage 4. Wann ist die nächste Überarbeitung der Curricula vorgesehen und wer ist daran beteiligt? Innerhalb der laufenden Legislaturperiode wird keine Überarbeitung mehr erfolgen. Frage 5. Wie werden Schulen gefördert, unterstützt und motiviert, um die sich aus dem WAP zusätzlich ergebenden Aufgaben strukturell zu verankern und umzusetzen im Sinne des vom WAP geforderten "Whole School Approachs"? a) Welche Maßnahmen gehen dabei über bereits existierende Förderungen von speziellen Schulprofilen wie UNESCO- oder Umweltschulen hinaus? b) Wird es personelle (z.B. Freistellungen) und finanzielle Förderungen und Anreize für Schulen geben, um das WAP umzusetzen? Das Lernangebot an Schulen wird durch Angebote der Klimabildung im Rahmen des Hessischen Klimaschutzplans unterstützt. Schulen, die einen sog. Whole School Approach anstreben, werden durch die Beratung über elf regionale Umweltzentren oder über die Fachberatung BNE am Hessischen Kultusministerium unterstützt. In der Auswahl geeigneter außerschulischer Kooperationspartner durch die Zertifizierung qualifizierter Bildungsträger für nachhaltige Entwicklung wird Schulen Orientierung geboten. Für Schulen besteht auch die Möglichkeit, sich in den von der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie geförderten regionalen BNE-Netzwerken mit BNE- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5800 3 Akteuren aus der außerschulischen Bildungslandschaft, aus Wirtschaft, Wissenschaft und den Kommunen zu vernetzen. Im Projekt "Schuljahr der Nachhaltigkeit" der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie unterstützt ein von der UNESCO ausgezeichnetes Netzwerk von BNE-Multiplikatoren Grundschulen bei der strukturellen Verankerung von Themen und Inhalten nachhaltiger Entwicklung im Schulalltag . Zu Frage 5 b: NAP und Orientierungsrahmen Globales Lernen gehen davon aus, dass eine strukturelle Verankerung zentral für eine gelingende Umsetzung ist. Vorhandene Strukturen werden genutzt, um eine Umsetzung zu erreichen. Frage 6. Wie soll der Erfolg der WAP-Umsetzungsmaßnahmen in den Bildungseinrichtungen bzw. im Bildungssektor gemessen werden? Auf Bundesebene wird derzeit ein Indikatoren-Set im Kontext der Umsetzung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Eine seriöse Messung der Erfolge von NAP-Umsetzungsmaßnahmen ist nicht möglich, weil ein Teil der Umsetzung bereits vor Veröffentlichung des NAP begonnen hat und weitere Umsetzungsmaßnahmen sich einer qualitativen und quantitativen Messung entziehen. Quantifizierbare Erfolge sind die Anzahl der Schulen, die über die Dachmarke "Nachhaltigkeit lernen in Hessen" erreicht werden, die Zahl der zertifizierten BNE-Bildungsträger, die Anzahl von Lehrerfortbildungen im Bereich BNE sowie eine Überprüfung der Kerncurricula. Die Akteure der Umsetzung finden im Rahmen des Runden Tisches BNE für nachhaltige Entwicklung regelmäßig die Möglichkeit, ihre Maßnahmen und Projekte miteinander abzustimmen. Frage 7. In welchen Zeiträumen und an wen berichtet die Landesregierung über die Umsetzung des WAP? Eine formelle Berichterstattung findet gegenwärtig nicht statt und ist auch nicht vorgesehen. Frage 8. Wie soll das WAP mit vorhandenen Strukturen und Akteuren verknüpft werden (z.B. mit Länderinitiative zur Umsetzung des Orientierungsrahmens, hessische Nachhaltigkeitsstrategie, hessisches Eine Welt Promotor/innen-Programm) Die Akteure der vorhandenen BNE-Landesstrukturen sind über den Runden Tisch BNE miteinander vernetzt. Dieses Gremium arbeitet daran, prioritäre Maßnahmen aus dem NAP für Hessen herauszustellen und diese mit bereits bestehenden Strukturen zu verbinden und weiterzuführen . Das Weltaktionsprogramm ist integraler Bestandteil der Initiativen und Auszeichnungen "Umweltschule ", "Schuljahr der Nachhaltigkeit" und der Dachmarke "Nachhaltigkeit lernen in Hessen ". Darüber hinaus sind die regionalen Umweltzentren und die zertifizierten Bildungsträger für nachhaltige Entwicklung qualifizierte und verlässliche Partner bei der Umsetzung von BNE sowohl im schulischen als auch außerschulischen Bereich. Im Rahmen der Bildungsinitiative Nachhaltigkeit der Nachhaltigkeitsstrategie wurden "Regionale Netzwerke BNE" initiiert und verstetigt. Sie gestalten regionale Bildungslandschaften als Partner der schulischen und außerschulischen Bildung. Knotenpunkt ist meist eines der elf hessischen Umweltzentren. Die Netzwerkpartner sind vielfältig und reichen von KITA über Schule, Kirchen bis hin zu Unternehmen . Die Klimabildung im Integrierten Hessischen Klimaschutzplan 2025 baut auf vorhandenen und erfolgreich erprobten Strukturen und Maßnahmen auf und entwickelt sie weiter im Sinne einer nachhaltigen Klima- und Ernährungsbildung. Der Verknüpfung mit regionalen Bildungslandschaften und der Einbeziehung von Schlüsselakteuren des Klimaschutzes kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Wiesbaden, 21. Februar 2018 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz