Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 22.01.2018 betreffend systematische Nacherfassung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Fragestellers: Das Land Baden-Württemberg hat als eines der ersten Bundesländer eine systematische Nacherfassung aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge vorgenommen. Die Altersfrage hat insbesondere in strafrechtlicher Hinsicht erhebliche Bedeutung. Aber auch im Bezug auf die Unterbringung und eine möglicherweise vorzunehmende Rückführung in das Herkunftsland spielt das Alter eines Flüchtlings eine entscheidende Rolle. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister des Innern und für Sport wie folgt: Frage 1. Werden oder wurden in Hessen lebende unbegleitete minderjährige Flüchtlinge systematisch nachträglich erfasst, sodass eine lückenlose Registrierung gewährleistet ist? Es ist Ziel der Hessischen Landesregierung, für den Bereich der unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer (umA) sicherzustellen, dass alle unbegleiteten Minderjährigen in Hessen erkennungsdienstlich erfasst sind, um möglichst umgehend nach der Einreise - und damit im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme - Kenntnis über die Identität der einreisenden Personen zu haben. Nach dem starken Zugang an unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern 2015 und 2016 erfolgte in Hessen in der zweiten Jahreshälfte 2016 eine erkennungsdienstliche Behandlung aller unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer. Falls die Identität eines umA nicht feststeht und eine Erfassung in Ermangelung von Personendaten nicht erfolgen kann, wird eine erkennungsdienstliche Behandlung in Amtshilfe durch die Polizei für die Ausländerbehörde durchgeführt. Ed-Behandlungen zur Identitätsfeststellung beinhalten grundsätzlich die Fertigung von Lichtbildern, die Vermessung/Beschreibung der Person im erforderlichen Umfang (Größe, Augenfarbe, Gewicht, pp.) und Abnahme von Fingerabdrücken . Frage 2. Falls die Frage 1 mit 'ja' beantwortet wird: Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden 2016 und 2017 nachträglich erfasst? Bitte aufschlüsseln nach Zahl der Flüchtlinge in den jeweiligen Regierungsbezirken, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit. Soweit Polizeibehörden eine erkennungsdienstliche Behandlung unbegleiteter minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer durchgeführt haben, kann dies statistisch polizeilich nicht standardisiert ausgewertet werden. Frage 3. Falls die Frage 1 mit 'ja' beantwortet wird: In welcher Art und Weise bzw. mit welchen Methoden wird oder wurde eine nachträgliche Erfassung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vorgenommen? Wie bei allen Asylantragstellern ist die Identität auch bei umA nach § 16 Abs. 1 AsylG zu sichern . Während bei volljährigen Asylsuchenden Lichtbilder und Abdrucke aller zehn Finger aufgenommen werden, dürfen bei Antragstellern, die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur Lichtbilder aufgenommen werden. Zuständig sind nach § 16 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 19 AsylG das BAMF und, sofern der Ausländer dort um Asyl nachsucht, die Ausländerbehörden , die Polizei sowie die Aufnahmeeinrichtung, bei der sich der Ausländer meldet. Eingegangen am 13. März 2018 · Bearbeitet am 13. März 2018 · Ausgegeben am 28. März 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5953 13. 03. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5953 Nichtasylantragsteller, auch minderjährige Ausländer, fallen unter § 49 AufenthG. Nach § 49 Abs. 2 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen. Identitätsklärende Maßnahmen der Ausländerbehörden sind nach § 49 Abs. 6 AufenthG das Aufnehmen von Lichtbildern, das Abnehmen von Fingerabdrücken sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen einschließlich körperlicher Eingriffe , die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zum Zweck der Altersfeststellung vorgenommen werden, wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Ausländers zu befürchten ist. Für Minderjährige gilt einschränkend § 49 Abs. 6 Satz 2 AufenthG: Die genannten Maßnahmen sind zulässig bei Ausländern, die das 14. Lebensjahr vollendet haben; Zweifel an der Vollendung des 14. Lebensjahres gehen dabei zulasten des Ausländers. Für alle identitätssichernde Maßnahmen gilt nach § 49 Abs. 6 Satz 3 AufenthG, dass sie nur zulässig sind, wenn die Identität in anderer Weise, insbesondere durch Anfragen bei anderen Behörden nicht oder nicht rechtzeitig oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Frage 4. Falls die Frage 1 mit 'nein' beantwortet wird: Weshalb ist eine nachträgliche Erfassung bisher nicht vorgenommen worden und bis wann plant die Landesregierung ggf. die Durchführung der Nacherfassung? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Frage 5. Wie hoch ist nach Einschätzung der Landesregierung die Zahl der bisher nicht erfassten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge? Bitte darlegen, auf welcher Grundlage die Landesregierung zu dem Ergebnis kommt. Das Verfahren in Hessen gewährleistet, dass alle in Hessen einreisenden und untergebrachten umA schnellstmöglich in Zusammenarbeit der Jugendämter sowie den zuständigen Sicherheitsbehörden erkennungsdienstlich erfasst werden. Frage 6. Falls die Frage 1 mit 'ja' beantwortet wird: Sind bei erfolgten Nacherfassungen bisher Fälle bekannt geworden, nach denen an der angegebenen Minderjährigkeit der Erfassten Zweifel bestehen ? Ggf.: In wie vielen Fällen war dies der Fall? Bitte aufschlüsseln nach der Zahl der Fälle in den jeweiligen Regierungsbezirken, Alter, Geschlecht und Herkunft. Nein. Wiesbaden, 5. März 2018 Stefan Grüttner