Kleine Anfrage der Abg. Barth (SPD) vom 26.01.2018 betreffend Anwendung des § 5 Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) vom 19.12.2014 sowie Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung vom 04.01.2018 und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragestellerin: Am 1. März trat das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz in Kraft. Erstmals enthielt das Gesetz auch Regelungen für Verkehrsdienstleistungen. Gemäß § 5 HVTG wurde Auftraggebern von Verkehrsdienstleistungen im Bereich des ÖPNV die Möglichkeit eröffnet, im Falle eines Betreiberwechsels im Rahmen der Ausschreibung die neuen Betreiber zu verpflichten, die Beschäftigten, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt waren, zu den bisherigen Arbeitsbedingungen von dem bisherigen Betreiber zu übernehmen. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die in der Vorbemerkung der Fragestellerin getroffenen Annahmen geben die derzeitige Rechtslage nicht vollständig wieder. § 5 HVTG eröffnet im Falle eines Betreiberwechsels nicht die Anordnungsmöglichkeit des Personalübergangs vom Alt- auf den Neubetreiber. Regelungsinhalt von § 5 HVTG sind vielmehr Informationspflichten des Altbetreibers für den Fall, dass ein Personalübergang gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung (EG) 1370/2007 angeordnet wurde bzw. nach § 613a BGB ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Diese Auskunftspflicht nach § 5 HVTG würde auch für einen nach § 131 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) angeordneten Personalübergang gelten. § 131 GWB findet jedoch nur bei Eisenbahnverkehrsdienstleistungen Anwendung. Aufgabenträger für den ÖPNV sind in Hessen die Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das Land nimmt somit keine Ausschreibungen von Personenverkehrsdienstleistungen vor, weshalb zur Beantwortung die Stellungnahmen der drei in Hessen tätigen Verkehrsverbünde eingeholt und berücksichtigt wurden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Laut der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage vom 5.Oktober 2017 wurden seit Inkrafttreten des HVTG insgesamt 28 Ausschreibungen (Stand November 2017) durchgeführt und abgeschlossen . Bei wie vielen und welchen dieser Ausschreibungen wurde von den neuen Betreibern verlangt , die Beschäftigten die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt worden waren, zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu übernehmen (Personalübergang nach § 5 HVTG)? Bitte um genaue Aufschlüsselung. Bei keiner Ausschreibung wurde vom Aufgabenträger bzw. der Aufgabenträgerorganisation ein vollständiger Personalübergang gemäß den in der Vorbemerkung genannten Rechtsgrundlagen angeordnet. Bei den Bus-Linienbündeln Ried und Odenwald-Nord wurden vom Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) vertragliche Auflagen zu einem dem Personalübergang ähnlichen Verhalten gemacht. Frage 2. Bei wie vielen und welchen der oben genannten 28 Ausschreibungen waren zusätzliche Sozialstandards wie z.B. zur Bezahlung von Pausenzeiten sowie zur Zulässigkeit geteilter Dienste Teil der Ausschreibung? Bitte um genaue Aufschlüsselung, bei wie vielen und welchen Ausschreibungen welche Sozialstandards Teil der Ausschreibung waren. Bei den in der Frage aufgeführten Sozialstandards handelt es sich überwiegend um Bestandteile der ohnehin vom Bieter gemäß HVTG jeweils einzuhaltenden tariflichen Regelungen. Insofern wurde von der ebenfalls in Art. 4 Abs. 5 der VO (EG) 1370/2007 vorgesehenen Möglichkeit, die Einhaltung bestimmter Sozialstandards verlangen zu können, nur im Einzelfall Gebrauch Eingegangen am 12. März 2018 · Ausgegeben am 16. März 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5981 12. 03. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5981 gemacht. Der VRN hat bei zwei Ausschreibungen die Einhaltung einzelner Sozialstandards angeordnet . Eine genaue Aufschlüsselung steht der Landesregierung nicht zur Verfügung. Frage 3. Die Landesregierung sieht vor, auf Basis der verpflichtenden Berichte, von Erfahrungen mit der Anwendung des § 131 GWB sowie von Ergebnissen aus einer Arbeitsgruppe zur Attraktivitätssteigerung bestimmter Berufsbilder im ÖPNV im Rahmen des Mobilitäts- und Koordinierungsrats die Anwendung des § 5 HVTG zu diskutieren. Ist bei dieser Diskussion eine Beteiligung von Gewerkschaften oder anderer Verbände geplant bzw. wer sollen die Teilnehmer dieser Diskussion sein? Bislang wurde bereits bei der Ausarbeitung einer hessenspezifischen Preisgleitklausel für das private Omnibusgewerbe die Beteiligung von Gewerkschaften bzw. Arbeitgeberverbänden bei dem hierzu einberufenen "Runden Tisch" erfolgreich praktiziert. Die Absicht zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Attraktivitätssteigerung bestimmter Berufsbilder im ÖPNV wurde im Rahmen der Sitzungen des "Runden Tischs" erarbeitet. Eine Beteiligung von Gewerkschaften bzw. Arbeitgeberverbänden ist auch künftig selbstverständlich. Frage 4. Weshalb sieht die Landesregierung keine Möglichkeit, analog dem rheinland-pfälzischen Landestariftreuegesetz , welches einen Personalübergang im Sinne des § 5 HVTG sowohl für den SPNV als auch für den ÖPNV als "Muss-Regelung" vorsieht, ebenso zu gestalten? Es ist strittig, ob die Einführung einer "Muss-Regelung" auf Landesebene rechtlich zulässig ist. Ebenso umstritten ist die sachliche Notwendigkeit. Weiterhin werden unbeabsichtigte nachteilige Folgen insbesondere für mittelständische Unternehmen durch eine solche Vorgabe befürchtet . Die einschlägige EU-Vorschrift, Art. 4 Abs. 5 der VO (EG) 1370/2007 sieht eine Kann- Regelung für den Personalübergang vom Alt- auf den Neubetreiber vor und eröffnet die Möglichkeit , die Einhaltung bestimmter Sozialstandards vorschreiben zu können. Schon die in § 131 GWB für den Schienenpersonennahverkehr enthaltene "Soll-Bestimmung" für den Personalübergang ist hoch umstritten. Dabei werden vor allem europarechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung ins HVTG eine "Muss-Regelung" aufzunehmen rechtlich problematisch. Sachlich ist eine entsprechende Regelung in der derzeitigen - und sicherlich noch lange anhaltenden - Situation nicht erforderlich, weil in der Verkehrsbranche großer Fachkräftemangel herrscht. Die Beschäftigten eines Altbetreibers finden deshalb relativ schnell wieder eine neue Arbeitsstelle in der Branche und häufig dann sogar zu besseren Arbeitsbedingungen. In den meisten Fällen hat ein neues Unternehmen großes Interesse daran, die erfahrenen Kräfte zu übernehmen. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass von einem strikten "Muss" zur Frage des Personalübergangs eher große und sehr große Unternehmen profitieren würden und kleine Marktteilnehmer auf diese Weise vielleicht sogar ganz vom Markt verdrängt werden könnten. Für kleine Unternehmen dürfte der Aufwand im Betrieb mit zwei oder mehr Tarifverträgen operieren zu müssen, kaum zu leisten sein. Darüber hinaus wird das Betriebsklima belastet, das davon bestimmt sein würde, dass es die Gruppe der Altbeschäftigten sowie die Gruppe der neu zu übernehmenden Mitarbeiter aushalten müsste. Wiesbaden, 26. Februar 2018 Tarek Al-Wazir