Kleine Anfrage des Abg. Lenders (FDP) vom 02.02.2018 betreffend Änderung des Landesentwicklungsplans (Kapitel 5.1.6) im Hinblick auf Auswirkungen auf den Luftverkehr und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Grundsätze der Raumordnung sind allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen. Sie sind im Sinne der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung anzuwenden, konkretisieren diese und stellen diesbezüglich generelle Richtungsvorgaben dar. Die Grundsätze der Raumordnung sind gegeneinander und untereinander abzuwägen und in Raumordnungsplänen als Ziele der Raumordnung räumlich und sachlich zu konkretisieren . Im Entwurf des Landesentwicklungsplanes ist von einem Lärmminderungsplan die Rede. Dieses Instrument gibt es im Luftverkehrsrecht nicht. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Zunächst ist klarzustellen, dass es sich bei Grundsätzen der Raumordnung um eine von drei Arten der Erfordernisse der Raumordnung handelt. Im Unterschied zu den Zielen der Raumordnung als verbindliche Vorgaben, sind Grundsätze der Raumordnung nicht absolut zu verfolgen, sondern als Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen anzuwenden und durch entsprechende Festlegungen in Raumordnungsplänen zu konkretisieren. Als dritte Art sind noch sonstige Erfordernisse der Raumordnung zu berücksichtigen, wie in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerische Stellungnahmen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Was bedeuten die in der Vorbemerkung genannten Aufgaben und Funktionen der Raumordnung und Landesplanung im Hinblick auf die Aussage im LEP Entwurf, dass die Ausdehnung der erheblich vom Fluglärm betroffenen Flächen begrenzt werden soll ganz konkret? Die Aufstellung und Anwendung von Grundsätzen der Raumordnung, wie der Lärmobergrenze, bezwecken eine Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Im Falle der Lärmobergrenze geschieht dies zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm in Abwägung mit anderen berührten Belangen. Mit der Lärmobergrenze wird Vorsorge dafür getroffen, dass trotz des Flugbetriebs am Flughafen Frankfurt Main ein Wohnen in weiten Teilen des Rhein-Main-Gebiets unter gesundheitsverträglichen Bedingungen, unter Ausschluss erheblicher Belästigungen durch Fluglärm und unter möglichst geringen Beeinträchtigungen der Lebensqualität möglich bleibt. Dazu wird ein Ausgleich gefunden zwischen den Lärmauswirkungen des Flugbetriebs, die möglichst minimiert werden sollen, und dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung. Frage 2. Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Begrifflichkeit "erheblich von Fluglärm betroffenen Flächen"? Zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm soll im Umfeld des Flughafens Frankfurt Main die Ausdehnung der erheblich von Fluglärm betroffenen Flächen begrenzt werden. Es handelt sich um einen Grundsatz zur Begrenzung der mit Fluglärm hochbetroffenen und höchstbetroffenen Flächen. Eingegangen am 12. April 2018 · Bearbeitet am 12. April 2018 · Ausgegeben am 13. April 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6025 12. 04. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6025 Wie sich aus der Begründung des Entwurfs zu den Planziffern 5.1.6-4 und 5.1.6-5 ergibt, bedeutet dies, dass die Größe der Fläche, die in den sechs verkehrsreichsten Monaten von einem Fluglärm-Dauerschallpegel (Tag 06.00 bis 22.00 Uhr) von mehr als 60 dB(A) (höchstbetroffene Gebiete) belastet ist, gegenüber dem aktuellen Niveau nicht mehr wesentlich ansteigen soll. Gleiches gilt für die Größe der Fläche, die in den sechs verkehrsreichsten Monaten mit einem Fluglärm-Dauerschallpegel (Tag 06.00 bis 22.00 Uhr) von mindestens 55 dB(A) belastet ist (hoch betroffene Gebiete). Frage 3. In welchen Verfahren werden diese Kriterien mit welchem Ziel zur Anwendung gebracht? Die Begründung zu den Planziffern 5.1.6-4 und 5.1.6-5 stellt nunmehr klar, dass diese beiden Erfordernisse in erster Linie durch freiwillige Maßnahmen umgesetzt werden. Die in dem Bündnispapier "Lärmobergrenze: Fluglärm gemeinsam begrenzen - das Mediationsergebnis vollenden" vom 7. November 2017 beschriebene Lärmobergrenze und das dort beschriebene Vorgehen zur Entwicklung von Lärmminderungsmaßnahmen stellen solche freiwilligen Maßnahmen dar, deren Einhaltung zugleich eine abschließende und umfassende Umsetzung der Planziffern 5.1.6-4 und 5.1.6-5 bedeuten. Damit ist klargestellt, dass eine Anpassung der Betriebsgenehmigung für den Fall nicht ausgeschlossen wird, dass die freiwilligen Maßnahmen entgegen der Erwartung fehlschlagen. Mit der Formulierung in Satz 2 der Planziffer 5.1.6-4 "Sie soll gegenüber dem aktuellen Niveau nicht mehr wesentlich anwachsen." wird die Fachplanungskompetenz respektiert und der Fachplanungsbehörde bliebe ein hinreichender Entscheidungsspielraum , die Einhaltung der Erfordernisse durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, falls die im freiwilligen Bündnis für die Lärmobergrenze verabredeten gemeinsamen Ziele und Vorgehensweisen nicht wie erwartet eingehalten werden. Frage 4. Können aus diesen Verfahren Änderungen der Betriebszeitenregelungen des Planfeststellungsbeschluss des Flughafens Frankfurt resultieren und welche konkreten Änderungen wären unter welchen Umständen zu erwarten? Da die Lärmobergrenze den Fluglärm tagsüber begrenzt, wird aus ihr keine Änderung der Betriebszeitenregelungen des Planfeststellungsbeschlusses resultieren. Für die Nacht wurde durch die Einführung der weitgehenden Betriebsbeschränkungen mit einem Verbot planmäßiger Flüge von 23.00 bis 05.00 Uhr sowie einer Höchstzahl von 133 Bewegungen in der Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr dem Schutzgedanken bereits Rechnung getragen. Frage 5. Welche Stelle wird die Verfahren durchführen und handelt es sich dabei um öffentliche Verfahren ? Unklar bleibt, welche Verfahren mit dieser Frage angesprochen sind und was in diesem Zusammenhang mit "öffentliche Verfahren" gemeint ist. Das Bündnispapier sieht vor, dass regelmäßig untersucht wird, ob der Flugbetrieb zum und vom Flughafen Frankfurt Main die Lärmobergrenze einhält. Hierfür wird jährlich ein entsprechender Monitoringbericht veröffentlicht. Die fachlichen Arbeiten hierfür erfolgen im Expertengremium Aktiver Schallschutz und dessen Arbeitsgruppen. Unter Leitung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) wird ein Steuerungskreis eingerichtet, der mindestens einmal jährlich tagt. Er setzt sich aus Vertretern der folgenden Institutionen zusammen: HMWEVL, Fraport AG, Fluglärmkommission Frankfurt, den Homebase Carriern Deutsche Lufthansa und Condor sowie dem Forum Flughafen und Region. Der Steuerungskreis entscheidet über die Abnahme des jährlichen Monitoringberichts. Dem Monitoringbericht wird eine Stellungnahme des Umwelt- und Nachbarschaftshauses zur fachlichen Plausibilität der wesentlichen Aussagen beigefügt. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine vorausschauende Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Flächeninhalte der durch Fluglärm hoch- und höchstbetroffenen Flächen in der Umgebung des Flughafens Frankfurt Main. Die kontinuierliche Entwicklung von Lärmminderungsmaßnahmen wird dadurch strukturiert, dass alle fünf Jahre von den Bündnispartnern einvernehmliche Empfehlungen und mögliche Umsetzungsschritte zu Maßnahmen des Lärmschutzes entwickelt und in einem Bericht zusammengefasst werden. Frage 6. Warum wird nicht ein Änderungsverfahren zum Planfeststellungsbeschluss des Frankfurter Flughafens durchgeführt bzw. wie unterscheiden sich die Verfahren? Solange das freiwillige Bündnis für eine Lärmobergrenze eingehalten wird, besteht kein Anlass zur Anpassung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Betriebsgenehmigung, da die im Sinne des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm gewünschten Lärmminderungen gegenüber dem im Planfeststellungsverfahren abgewogenen Niveau durch die im freiwilligen Bündnis vereinbarten Maßnahmen erreicht werden können. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6025 3 Frage 7. Auf welcher Rechtsgrundlage wird ein "Lärmminimierungsplan" von welcher Stelle durchgeführt ? Das neu eingefügte Ziel der Landesplanung 5.1.6-5 knüpft an eine bisher am Standort Frankfurt bereits freiwillig geübte Praxis an, die auf Arbeiten des vom Land eingerichteten und finanzierten Forums Flughafen und Region sowie der Allianz für Lärmschutz des Landes Hessen und der Akteure der Luftverkehrswirtschaft aus dem Jahr 2012 zurückgreift, und in die auch der Flughafenbetreiber , die Flugsicherungsorganisation, die Fluglärmkommission und Airlines eingebunden sind. Mit der Aufnahme des Erfordernisses eines Lärmminimierungsplans in Planziffer 5.1.6-5 des Landesentwicklungsplans soll diese Praxis konsolidiert und verstetigt werden. Frage 8. Wenn dem Luftverkehrsrecht ein Lärmminimierungsplan nicht bekannt ist, warum wird dann dieses Instrument im Landesentwicklungsplan festgeschrieben? Der Lärmminimierungsplan soll auch unterhalb des Erreichens der Lärmobergrenze sicherstellen , dass dauerhaft und systematisch Lärmminderungsmöglichkeiten entwickelt und genutzt werden. Um eine Reduktion von Lärm- und Luftschadstoffemissionen zu erreichen, sind z.B. die Optimierung der Flugzeugtechnik, der Flugverfahren und flugbetrieblichen Verfahren und eine darauf abzielende Entgeltpolitik des Flughafenbetreibers weiter zu verfolgen. Das neu eingefügte Ziel der Raumplanung 5.1.6-5 sieht deshalb vor, dass regelmäßig Potenziale des aktiven Schallschutzes identifiziert werden. Die proaktive Entwicklung und Prüfung möglicher technischer oder betrieblicher Lärmminderungsmöglichkeiten oder ökonomischer Anreize soll befördern , dass der Flugverkehr so lärmarm wie möglich durchgeführt wird. Die Aufnahme von Maßnahmen in einen solchen Plan berührt nicht die ggf. im Luftverkehrsrecht oder an anderer Stelle rechtlich für die Entscheidung festgeschriebenen Zuständigkeiten oder Verfahren. Frage 9. Wie groß ist die unter 5.1.6-4 benannte Fläche und wo befindet sie sich genau? Um Flexibilität bei Flugrouten und Flugverfahren zu ermöglichen, ist die durch 5.1.6-4 beabsichtigte Flächenbegrenzung losgelöst von konkreten Flächen in der Nähe des Flughafens Frankfurt Main. Die Flächengröße von 55 dB(A)-Flächen, also Flächen, die im Umkreis des Frankfurter Flughafens tagsüber in den sechs verkehrsreichsten Monaten von einem Fluglärmdauerschallpegel von 55 dB(A) und höher betroffen sein dürfen, wird auf eine maximale Hektarzahl von 22.193 ha begrenzt. Die maximale Hektarzahl für 60 dB(A)-Flächen, also Flächen, die im Umkreis des Frankfurter Flughafens tagsüber in den sechs verkehrsreichsten Monaten von einem Fluglärmdauerschallpegel von 60 dB(A) und höher betroffen sein dürfen, beträgt 8.815 ha. Wiesbaden, 29. März 2018 Tarek Al-Wazir