Kleine Anfrage der Abg. Dr. Neuschäfer (SPD) vom 02.07.2014 betreffend befristete Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragesteller: An Hessens Hochschulen ist eine große Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befristet eingestellt. Zudem werden offenbar häufig Tarifverträge unterlaufen. Auch Teilzeitbeschäftigungen nehmen immer mehr zu bzw. sogar überhand, wobei in vielen Fällen faktisch mehr als nur eine halbe Stelle Arbeitszeit geleistet wird. In Hamburg haben sich die Hochschulen nach Verhandlungen mit dem Senat auf den Abbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse verpflichtet. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind ähnliche Abmachungen geplant. Die Bundesregierung beabsichtigt aufgrund der Problematik kurzer Kettenverträge eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: An den hessischen Hochschulen wird ein erheblicher Anteil der Arbeitsverhältnisse mit dem Ziel der Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses begründet. Da die Beschäftigung somit überwiegend einen vorübergehenden Zweck verfolgt, ist die Befristung derartiger Beschäftigungsverhältnisse aus Sachgründen geboten. Hierdurch ist der - gegenüber anderen Branchen - höhere Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse zu erklären. Hinzu kommt ein vergleichsweise hoher Anteil Drittmittelbeschäftigter, die aufgrund der befristeten Finanzierung nur befristet beschäftigt werden können. Die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit des hohen Anteils befristeter Beschäftigungsverhältnisse im Hochschulwesen ist daher im Grundsatz allgemein anerkannt und unbestritten. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die (befristete) Beschäftigung des wissenschaftlichen Personals durch Hochschulen ergeben sich vor allem aus dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz . Mit diesem Gesetz hat der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG) Gebrauch gemacht. Für landesrechtliche Regelungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts des wissenschaftlichen Personals besteht insoweit kaum Raum. Zudem handelt es sich bei der Begründung und Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals durch die Hochschulen um einen Bereich, der darüber hinaus dem besonderen Schutz der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG unterliegt. Der Handlungsspielraum des Landes in Bezug auf die Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals ist vor diesem Hintergrund eingeschränkt. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst befindet sich dennoch gegenwärtig im Rahmen der Landeshochschulentwicklungsplanung in Erörterungen mit den Hochschulen über die Personalstrukturen im Wissenschaftsbereich. Diese sollen einerseits die Angemessenheit der landesrechtlichen Rahmenbedingungen und mögliche Änderungsbedarfe klären, andererseits Perspektiven für eine Reduktion des Anteils befristet beschäftigten Personals und zielführende Befristungsdauern eruieren. Eingegangen am 4. August 2014 · Ausgegeben am 7. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/603 04. 08. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/603 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Hat die Landesregierung Kenntnis von der Praxis, dass oftmals nach dem Wissenschaftszeitver- tragsgesetz (WissZeitVG) ausgeschrieben wird, aber nach Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eingestellt wird? Wenn ja, wie wird die Landesregierung darauf reagieren bzw. wie hat sie darauf reagiert? Die Landesregierung hat keine Kenntnis von einer derartigen Praxis. Ausschreibungen enthalten im Regelfall eine Beschreibung der Aufgaben, der Anforderungen an die Bewerber und der Beschäftigungsbedingungen. Eine verbindliche Festlegung auf den Rechtsgrund für eine mögliche Befristung in einer Ausschreibung wäre eher ungewöhnlich. Ohne eine nähere Kenntnis konkreter Sachverhalte kann eine Stellungnahme zu möglichen Reaktionen der Landesregierung nicht erfolgen. Hervorzuheben ist jedoch, dass eine Befristung nach dem TzBfG nicht dazu führt, dass die nach dem WissZeitVG zulässige Befristungshöchstdauer generell ausgehebelt wird (§ 2 Abs. 3 WissZeitVG ). Andererseits kann es in Ausnahmefällen sinnvoll sein, auf die Befristungstatbestände des TzBfG zurückzugreifen, wenn nur eine befristete Beschäftigung möglich ist und die Befristungshöchstdauer nach dem WissZeitVG im konkreten Einzelfall erschöpft ist. Frage 2. Wie wird die Landesregierung prekären Beschäftigungsverhältnissen (befristete und von der Laufzeit (sehr) kurze Arbeitsverträge) von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an hessischen Hochschulen begegnen? Die Landesregierung ist bestrebt, im Rahmen der in der Vorbemerkung geschilderten Konsultationen ein einheitliches Vorgehen der Hochschulen im Hinblick auf die Befristung von Arbeitsverhältnissen des wissenschaftlichen Personals zu erreichen. Hierbei wird eine generelle Anpassung der Befristungsdauer an den Befristungsgrund, insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen , die der Qualifikation dienen, angestrebt. Zudem ist geplant, dass künftig sowohl die sogenannten QSL-Mittel als auch die Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 wie unbefristete Mittel behandelt werden können; damit wäre eine generelle Befristung des aus diesen Mitteln vergüteten Personals nicht mehr notwendig. Eine völlige Abschaffung befristeter Arbeitsverträge mit kurzer Laufzeit kann andererseits für das Personal nachteilig sein, wenn es dadurch unmöglich wird, im Einzelfall einen kurz befristeten Folgevertrag abzuschließen, um den demnächst erwarteten Qualifikationsabschluss zu ermöglichen . Betroffen wäre vor allem der Drittmittelbereich, in dem Mittel häufig nur für kurze Zeit zur Verfügung stehen oder Projekte trotz Personalfluktuation zu Ende zu führen sind. Frage 3. Wie wird die Landesregierung vor dem Hintergrund der prekären Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Qualität von Forschung und Lehre an hessischen Hochschulen erhalten bzw. ausbauen? Forschung und Lehre sind die Kernaufgaben der Hochschulen, die zudem dem besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterliegen. Die Qualität von Forschung und Lehre wird mithin entscheidend durch die wissenschaftliche Tätigkeit der insoweit autonomen Hochschulen geprägt . Damit ist die Qualitätssicherung in diesen Bereichen eine Kernaufgabe der Hochschulen. Unabhängig hiervon gibt es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob und in welcher Weise sich die Befristung der Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals und die Ausgestaltung als Teilzeitarbeitsverhältnisse auf die Qualität von Forschung und Lehre auswirken. In anderen Bereichen wirkt sich die Teilzeitbeschäftigung sogar eher effizienzsteigernd aus. Die Landesregierung ist jedoch bestrebt, im Rahmen des ihr zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums den Hochschulen die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und weiterhin die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Forschung und Lehre auf einem hohen Niveau zu ermöglichen. Darüber hinaus werden mit den Hochschulen im Rahmen der nächsten Zielvereinbarungsrunde neue Übereinkünfte zur Qualitätssicherung in Forschung und Lehre getroffen werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/603 3 Frage 4. Wird die Landesregierung es weiterhin unterstützen, Aufgaben von Forschung und insbesondere Lehre wissenschaftlichen Hilfskräften (WHK) und Honorarkräften zu übertragen? a) Wenn ja, wie wird die Landesregierung den ungleichen Arbeitsbedingungen von Gleich- qualifizierten in unterschiedlichen Personalkategorien begegnen und vor dem Hintergrund der nicht-tarifär geregelten Beschäftigungsverhältnisse Aufgaben von Forschung und insbesondere Lehre dauerhaft bzw. verlässlich sicherstellen? b) Wenn nein, wie wird die Landesregierung mit der Personalkategorie "Wissenschaftliche Hilfskräfte" (WHK) zukünftig verfahren? Die Begründung und Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals erfolgt in Verantwortung der Hochschulen. Eine wie auch immer geartete "Unterstützung" der Landesregierung für die Übertragung spezifischer Tätigkeitsbereiche auf bestimmte Personalkategorien gibt es nicht. Im Grundsatz haben sich jedoch die im Hessischen Hochschulgesetz (HHG) festgelegten Personalkategorien , insbesondere auch die der wissenschaftlichen Hilfskräfte (§ 75 HHG) und der Lehrbeauftragten (§ 71 HHG) bewährt. Jede Personalkategorie deckt einen spezifischen Tätigkeitsbereich ab und weist Differenzierungen zu den anderen Personalkategorien im Hinblick auf Qualifikation und bzw. oder Aufgabenspektrum auf. Auch im Tarifrecht ist die auszuübende Tätigkeit neben der erforderlichen Qualifikation Grundlage der Eingruppierung, so dass formal gleich Qualifizierte in Abhängigkeit von den ausgeübten Tätigkeiten unterschiedlich eingruppiert werden; insoweit ist die unterschiedliche Eingruppierung formal gleich Qualifizierter im Arbeitsrecht nicht ungewöhnlich. Wissenschaftliche Hilfskräfte haben die Aufgabe, Studierende durch Tutorien in ihrem Studium zu unterstützen, Dienstleistungen in Forschung und Lehre sowie studiennahe Dienstleistungen zur Unterstützung von Studium und Lehre zu erbringen (§ 75 HHG); wissenschaftliche Mitarbeiter erbringen wissenschaftliche Dienstleistungen in Studium und Lehre (§ 65 Abs. 1 HHG). Bei den Personalkategorien sind damit trotz ähnlicher Qualifikationserfordernisse (abgeschlossenes Hochschulstudium) unterschiedliche Aufgaben in Forschung und Lehre zugewiesen, die sich durch den Grad der Wissenschaftlichkeit unterscheiden. Insoweit bestehen keinerlei Bedenken gegen den Einsatz wissenschaftlicher Hilfskräfte in Forschung und Lehre, soweit sie mit Aufgaben nach § 75 Abs. 1 HHG betraut werden. Auch die Personalkategorie der Lehrbeauftragten (§ 71 HHG) ist unentbehrlich, etwa um den Praxisbezug der Lehre sicherzustellen oder Fächer abzudecken, in denen kein Bedarf für die Beschäftigung hauptberuflichen Personals besteht. Im Ergebnis ist daher die Übertragung von Aufgaben in Forschung und Lehre auf wissenschaftliche Hilfskräfte und Lehrbeauftragte im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen sinnvoll. Frage 5. Wird die Landesregierung weiterhin die Befristung von Lehrkräften für besondere Aufgaben (LfbA) unterstützen? a) Wenn ja, wie wird die Landesregierung vor dem Hintergrund von Befristungen gewährleis- ten, dass Lehrkräften für besondere Aufgaben die Erfüllung der Lehraufgaben dauerhaft bzw. verlässlich möglich ist? b) Wenn nein, wie wird die Landesregierung der Befristung von Beschäftigungsverhältnissen von Lehrkräften für besondere Aufgaben begegnen? Zunächst wird eingangs auf die Ausführungen zu den Verantwortlichkeiten von Land und Hochschulen sowie möglichen "Unterstützungen" durch die Landesregierung auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Nach der Aufgabenzuweisung des Hessischen Hochschulgesetzes nehmen Lehrkräfte für besondere Aufgaben (§ 66 HHG) grundsätzlich Daueraufgaben wahr. Die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Angehörigen dieser Personalkategorie ist beim Vorliegen von arbeitsrechtlichen Befristungsgründen, insbesondere nach dem TzBfG, möglich. In der Vergangenheit sind teilweise Arbeitsverhältnisse mit Lehrkräften für besondere Aufgaben begründet worden, deren Befristung auf das WissZeitVG gestützt wurde. Soweit im Rahmen dieser Arbeitsverhältnisse eigenständige wissenschaftliche Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wahrgenommen wurden, wurde durch die Gerichte die Zulässigkeit der Befristung bejaht. Unabhängig von der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit des geschilderten Vorgehens sollten Personen , deren Arbeitsverhältnis nach dem WissZeitVG befristet wird, aufgrund der hochschulrechtlichen Bestimmungen als wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden. Den Befristungsbe- 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/603 stimmungen des WissZeitVG liegt - mit Ausnahme der Regelungen zur Drittmittelbefristung - eine Qualifikationsvermutung zu Grunde. Zur wissenschaftlichen Qualifikation beschäftigte Personen werden nach der Systematik des Hessischen Hochschulgesetzes als wissenschaftliche Mitarbeiter nach § 65 HHG eingestellt. Im Rahmen der in der Vorbemerkung geschilderten Erörterungen sind die Hochschulen über diese Sach- und Rechtslage informiert worden. Wiesbaden, 21. Juli 2014 Boris Rhein