Kleine Anfrage der Abg. Löber und Strube (SPD) vom 13.02.2018 betreffend Bisphenol A im Lebensmittelbereich und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Bereits am 13. Mai 2014 (Drs. 19/393) hat die SPD-Fraktion dem Hessischen Landtag einen Antrag zum Verbot von Bisphenol A im Lebensmittelbereich vorgelegt. Er wurde in den Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ULA) überwiesen und dort am 12. Februar 2015 durch die Stimmen der CDU, GRÜNEN und FDP abgelehnt. In derselben Ausschusssitzung nahmen selbige Fraktionen einen ursprünglich erst am 9. Februar 2015 in den Landtag eingebrachten Antrag der Regierungsfraktionen (Drs. 19/1579) betreffend "gesundheitliche Unbedenklichkeit von Verpackungen gewährleisten" mit Bezug auf Bisphenol A an. In jenem Antrag hatten die Regierungsfraktionen diverse Ziele und Aufgaben definiert. Die Fortschritte bei der Verwirklichung der Antragsinhalte der Drucksache 19/1579 in Erfahrung zu bringen, ist Hintergrund eines Teils der Fragen der vorliegenden Initiative. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Der Landtag sprach sich seinerzeit für die weitere Voranbringung der Entwicklung und Erforschung von Alternativen zur Verwendung von Bisphenol A aus. Welche konkreten Maßnahmen, die in Folge des Antrages von ihr oder anderen vorangebracht wurden, sind der Landesregierung bekannt? Derzeit steht ein Forschungsprojekt unter Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA (Projektkoordinator) und des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV zur Substitution von Bisphenol A (BPA) in Beschichtungssystemen für Weißblechdosen (Titel: Einfluss der Beschichtungsstruktur neuer Bisphenol A-nonintent -Doseninnenbeschichtungen, Projektbeginn: 01.12.2014) kurz vor seinem Abschluss. Projektträger bzw. Zuwendungsgeber sind die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschung AiF (über Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. FPL und Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e. V. IVLV) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Frage 2. Der Landtag sprach sich seinerzeit für die dauerhafte verlässliche Überprüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Stoffen, die in Zusammenhang mit Lebensmitteln stehen, aus. Welche Überprüfungsergebnisse, die in Folge des Antrags ermittelt wurden, liegen der Landesregierung vor? Gleichzeitig mit der Neubewertung der Exposition gegenüber Bisphenol A und dessen Toxizität durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Januar 2015 und der Herabsetzung der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake - TDI) für Bisphenol A von 50 auf 4 µg/kg KG/Tag hat sich die EFSA verpflichtet, eine weitere Neubewertung der Toxizität von Bisphenol A vorzunehmen, sobald die Ergebnisse einer zweijährigen Studie des US-amerikanischen National Toxicology Program vorliegen. In der Folge hat das Sachverständigengremium der EFSA für Lebensmittelkontaktmaterialien, Enzyme, Aromastoffe und Verarbeitungshilfsstoffe (CEF) im Dezember 2017 ein wissenschaftliches Protokoll für die bevorstehende Neubewertung der von Bisphenol A ausgehenden Gefahren , die 2018 beginnen soll, verabschiedet. Bei dem Protokoll handelt es sich um einen detaillierten Plan, der vor Beginn der Bewertung deren Umfang und Methodik sowie Datenanforderungen festlegt. Eingegangen am 21. März 2018 · Bearbeitet am 21. März 2018 · Ausgegeben am 29. März 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6049 21. 03. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6049 Zwischenzeitlich haben 2016 neuere Daten die frühere Schlussfolgerung der EFSA bestätigt, dass Bisphenol A sich auf das Immunsystem von Tieren auswirken könnte. Laut EFSA sind die Erkenntnisse jedoch zu begrenzt, um Rückschlüsse auf die Gesundheit des Menschen ziehen zu können. Frage 3. Der Landtag begrüßte seinerzeit die Absenkung des durch die Europäische Union als für die tägliche durch den Menschen aufgenommene Menge unbedenklich geltenden Bisphenol- A-Grenzwertes von 0,05 auf 0.004 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht und bat die Landesregierung auf die Bundesregierung einzuwirken, dass diese und neue Erkenntnisse schnellstmöglich in nationales beziehungsweise europäisches Recht Einfluss finden sollen. Welche konkreten Maßnahmen ergriff die Landesregierung in Folge und in Umsetzung des beschlossenen Antrags? In welchen Vorschriften fanden diese und neue Erkenntnisse Einfluss? Auf der 11. Verbraucherschutzministerkonferenz am 8. Mai 2015 in Osnabrück haben alle Bundesländer den Bund aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass in der EU-Verordnung 10/2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, der Grenzwert für Bisphenol A an die Neubewertung der EFSA angepasst wird und danach ggf. ein nationales Verbot von Bisphenol A bei der Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien zu prüfen. Mit der Verordnung (EU) 2018/213 der Kommission vom 12. Februar 2018 über die Verwendung von Bisphenol A in Lacken und Beschichtungen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 hinsichtlich der Verwendung dieses Stoffes in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff wurde die letzte Bewertung der EFSA auf Ebene der Europäischen Union in einer rechtlichen Regelung, die ab dem 6. September 2018 gelten wird, umgesetzt. Sie beinhaltet neben dem Verbot eines Übergangs von Bisphenol A aus Lacken und Beschichtungen , die auf Materialien und Gegenstände aufgebracht werden, die dazu bestimmt sind, mit den folgenden Lebensmitteln gemäß der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 in Berührung zu kommen (Säuglingsanfangsnahrung, Folgenahrung, Getreidebeikost, andere Beikost, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, die für die Ernährungsanforderungen von Säuglingen und Kleinkindern entwickelt wurden, sowie Milchgetränke und gleichartige Erzeugnisse, die für Kleinkinder bestimmt sind), die Absenkung des spezifischen Migrationsgrenzwerts auf 0,05 mg Bisphenol A je Kilogramm Lebensmittel (mg/kg) für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff , die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und die Einführung eines spezifischen Migrationsgrenzwertes in derselben Höhe für entsprechende Lacke und Beschichtungen . Frage 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung überdies eigeninitiativ in Sachen Bisphenol A zum Schutze der Menschen in Hessen und Deutschland angestrengt? In einer Protokollerklärung im Rahmen der 11. Verbraucherschutzministerkonferenz haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erklärt, dass sie insbesondere wegen des hormonähnlichen Wirkpotenzials von Bisphenol A der Auffassung sind, dass aus Gründen des vorsorgenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes ein Verbot für Bisphenol A in Lebensmittel-Kontaktmaterialien von der Bundesregierung schnellstmöglich erlassen werden muss. Frage 5. Am 11. Januar 2018 beschloss der EU-Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Absenkung des Bisphenol-A-Grenzwertes in Verpackungen von 0,6 Milligramm auf 0,05 Milligramm je Kilogramm darin verpacktem Lebensmittel. Wie bewertet die Landesregierung diese Entscheidung? Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf Ebene der Europäischen Union erfolgte die Befassung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments mit dem Verordnungsvorschlag der Kommission über die Verwendung von Bisphenol A in Lacken und Beschichtungen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 hinsichtlich der Verwendung dieses Stoffes in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff. Dieser Vorschlag der Kommission wurde in der Folge mit der in der Beantwortung zu Frage 3 genannten Verordnung in geltendes Recht umgesetzt. Die Hessische Landesregierung begrüßt diese Verordnung auf Ebene der Europäischen Union als einen ersten Schritt zur rechtlichen Umsetzung, um den toxikologischen Bedenken zu begegnen , die mit der Verwendung der Verbindung Bisphenol A einhergehen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6049 3 Frage 6. Welche Position nimmt die Landesregierung aktuell in der Frage des vollständigen Verbotes von Bisphenol A ein? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Frage 7. Welche Position vertritt die Landesregierung in der Frage, dass ein Stoff, der etwa in der Lebensmittelwirtschaft , der Bekleidungs- oder Gebrauchswarenindustrie Verwendung findet, nicht erst dann verboten werden kann, wenn er Umwelt und/oder Gesundheit nachweißlich beeinträchtigt , sondern erst verwendet werden darf, sobald seine Unbedenklichkeit zweifelsfrei belegt ist? Ein wesentliches Ziel der lebensmittelrechtlichen Vorgaben ist es, ein hohes Maß an Schutz für das Leben und die Gesundheit des Menschen sicherzustellen. Lebensmittelzusatzstoffe mit einer technologischen Zweckbestimmung unterliegen beispielsweise einem gesundheitlichen Bewertungsverfahren, bevor sie Lebensmitteln zugesetzt werden dürfen . Im Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff spiegelt sich dieses Prinzip neben allgemeinen Anforderungen, beispielsweise bezüglich der Gesamtmigration, in der Festlegung spezifischer Migrationsgrenzwerte für einzelne Verbindungen wieder. Integraler Bestandteil des Anspruchs, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, ist das Vorsorgeprinzip. Dieses Prinzip ermöglicht es, dass in bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung verfügbarer Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, vorläufige Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden können, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen. Ein Beispiel hierfür ist die Verbindung Bisphenol A. Am Beispiel dieser Verbindung zeigt sich, dass toxikologische Bewertungen nicht statisch, sondern vom wissenschaftlichen Fortschritt abhängig sind. Grundlage einer toxikologischen Bewertung ist immer der jeweilige aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand. Da sich dieser aber stetig weiterentwickelt, ist auch die Bewertung eines möglichen gesundheitlichen Risikos ein dynamischer Prozess. Insofern ist ein zweifelsfreier Nachweis einer Unbedenklichkeit als Grundlage für regulatorische Maßnahmen zwar wünschenswert, aber trotzdem immer mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Bewertung verknüpft und somit grundsätzlich revidierbar. Frage 8. Empfindet die Landesregierung die bisherigen gesetzlichen Regelungen zu Bisphenol A als ausreichend ? Auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 wird verwiesen. Frage 9. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung aktuell in Sachen Bisphenol A? Wenn ja, wann ist mit deren Umsetzung zu rechnen? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Wiesbaden, 12. März 2018 Priska Hinz