Kleine Anfrage des Abg. Weiß (SPD) vom 20.02.2018 betreffend Lkw-Durchfahrtsverbot in Wiesbaden und Auswirkungen auf den Rheingau-Taunus-Kreis und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Die Stadt Wiesbaden plant für den Bereich der Kernstadt die Einführung eines Durchfahrtsverbots für Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen. Voraussetzung für die Anordnung eines Durchfahrtsverbots durch das Hessische Umweltministerium im Einvernehmen mit dem Hessischen Verkehrsministerium ist die Vorlage eines Plans für Umleitungsstrecken. Dem Rheingau-Taunus-Kreis wurde diesbezüglich vom RP Darmstadt ein Gutachten mit der Bitte um Prüfung und Stellungnahme vorgelegt. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Nach ausführlicher und ergebnisoffener Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen eines Lkw- Durchfahrtsverbots durch das Umwelt- und das Verkehrsministerium hat sich herausgestellt, dass die Maßnahme den rechtlichen Anforderungen nicht entspricht und daher nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden kann. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Welche Auswirkungen hätte das Wiesbadener Lkw-Durchfahrtsverbot laut Gutachten für welche Städte und Gemeinden im Rheingau-Taunus-Kreis? Im Falle einer Verlagerung des Lkw-Durchgangsverkehrs müssten im Wesentlichen die Bundesstraßen B 260 und B 275 sowie die Autobahnen A 3 und A 66 den Lkw-Verkehr aufnehmen. Zusätzliche Lkw-Fahrten (zwischen 26 und 283 Lkw-Fahrten pro Tag) werden für die Kommunen bzw. Ortsteile Martinsthal, Wambach, Bad Schwalbach, Bleidenstadt, Hahn, Wehen, Neuhof und Eschenhahn prognostiziert. Der Ortsteil Georgenborn der Kommune Schlangenbad sowie Teilabschnitte der Ortsdurchfahrten Bleidenstadt, Hahn und Wehen würden dagegen vom Schwerverkehr teilweise entlastet. Frage 2. Wer hat das Gutachten zu den Auswirkungen des Lkw-Durchfahrtsverbots wann eingeleitet bzw. in Auftrag gegeben? Das Gutachten erfolgte im Auftrag der Stadt Wiesbaden. Wann genau es in Auftrag gegeben wurde, ist der Landesregierung nicht bekannt. Frage 3. Welcher Zweck sollte mit diesem Gutachten verfolgt werden? Das Gutachten stellt die Grundlage für eine sachgerechte Bewertung des beantragten Lkw- Durchfahrtsverbots als Maßnahme des fortzuschreibenden Luftreinhalteplans Wiesbaden unter Berücksichtigung aller möglichen Betroffenheiten dar. Jede Maßnahme muss im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit bzw. auf ihre Rechtmäßigkeit insgesamt überprüft werden. Für die Prüfung, ob die Aufnahme eines Lkw-Durchfahrtsverbots ein geeignetes Mittel zur Verringerung der Luftschadstoffbelastung in Wiesbaden darstellt, wurde zunächst: Eingegangen am 9. Mai 2018 · Bearbeitet am 9. Mai 2018 · Ausgegeben am 14. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6079 09. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6079 der Anteil an Lkw-Durchgangsverkehr innerhalb der Kommune durch Befragungszählungen erhoben, mögliche Umfahrungsstrecken und die Verteilung des Lkw-Verkehrs auf die einzelnen Strecken ermittelt, die straßenverkehrsrechtliche Eignung der Umfahrungsstrecken geprüft sowie die Immissionsbelastung (Luftschadstoffe und Lärm) auf den Umfahrungsstrecken im Ist- Zustand und nach einer Zusatzbelastung berechnet. Rechtlich unzulässig ist eine reine Verlagerung von Belastungen, die anderenorts zu neuen oder höheren Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten führen würde. Eine Verlagerung von Belastungen, die an anderer Stelle nicht zu Grenzwertüberschreitungen bzw. zu keinen Gesundheitsgefährdungen führt, ist dagegen zulässig. Frage 4. Auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht die Beteiligung des Rheingau-Taunus-Kreises durch den RP Darmstadt? Handelt es sich um eine Anhörung nach dem BImSchG? Hat der RP Darmstadt die Beteiligung auf Veranlassung des Hessischen Umweltministeriums und/oder des Hessischen Verkehrsministeriums durchgeführt? Im Rahmen der fachlichen Vorprüfung der straßenverkehrsrechtlichen Eignung der Umfahrungsstrecken hat das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung u.a. die Stellungnahmen der zuständigen oberen und unteren sowie der örtlichen Straßenverkehrsbehörden angefordert. Die Beteiligung der betreffenden Behörden erfolgte nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Dabei handelte es sich nicht um eine formale Anhörung nach § 47 Abs. 5, 5a Bundes-Immissionsschutzgesetz. Frage 5. Welche Vorbereitungen für die Einführung eines Lkw-Durchfahrtsverbots in Wiesbaden hat es bisher gegeben und welche weiteren Maßnahmen sind zu welchem Zeitpunkt noch geplant? Siehe auch Antwort auf Frage 3 Zur Klärung der Frage, ob ein Lkw-Durchfahrtsverbot als Maßnahme des Luftreinhalteplans aufgenommen werden kann, wurde eine Reihe von Gutachten beauftragt und vorgelegt bzw. Gebietsabgrenzungen vorgenommen. Dazu gehören: Ein Gutachten "Verkehrsbefragung und Untersuchung zum Schwerverkehr", beauftragt von der Stadt Wiesbaden. o Die Ergebnisse der von der Stadt Wiesbaden beauftragten Untersuchungen zu o der Gebietsabgrenzung eines Lkw-Durchfahrtsverbots, o der Verlagerungsrouten sowie o eines Beschilderungskonzepts. Ein von der Stadt Wiesbaden beauftragtes ergänzendes Gutachten zur verkehrlichen Untersuchung des Lkw-Durchgangsverkehrs im Hinblick auf o die genaue Gebietsabgrenzung, o die entsprechend der genauen Gebietsabgrenzung neu berechneten Verlagerungseffekte sowie o die Ermittlung der zusätzlichen Lärmbelastung. Unter Berücksichtigung verschiedener Verkehrsszenarien erfolgten entsprechende Vorher- Nachher-Berechnungen der Immissionsbelastungen (Luftschadstoffe und Lärm) in den betroffenen Kommunen und die fachliche Vorprüfung der straßenverkehrsrechtlichen Eignung der Umfahrungsstrecken durch Auswertung der Stellungnahmen der oberen und unteren sowie der örtlich zuständigen Verkehrsbehörden. Frage 6. Welche Zuständigkeiten haben das RP Darmstadt, das HMWEVL und das HMUKLV für die Initiierung , Planung, Genehmigung und Durchsetzung eines Lkw-Durchfahrtsverbots? Das Regierungspräsidium Darmstadt (RP Darmstadt) als obere Verkehrsbehörde des Regierungsbezirks Darmstadt wirkte zunächst fachaufsichtlich an der Prüfung der straßenverkehrsrechtlichen Eignung der Umfahrungsstrecken mit. Im Falle der Aufnahme eines Lkw- Durchfahrtsverbots als Maßnahme des Luftreinhalteplans wäre das RP Darmstadt die zuständige Straßenverkehrsbehörde für den Erlass der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde ist an die Entscheidung im Luftreinhalteplan gebunden; sie ist also zur Umsetzung der verkehrlichen Maßnahme verpflichtet. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6079 3 Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung prüft unter Einbindung der nachgeordneten Straßenverkehrsbehörden die Maßnahme im Hinblick auf ihre straßenverkehrsrechtliche Eignung und ist in Bezug auf die Festlegung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen im Luftreinhalteplan Einvernehmensbehörde nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Bundes- Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist die in Hessen für die Aufstellung und Fortschreibung der Luftreinhaltepläne zuständige Behörde. Sie initiiert die erforderlichen Untersuchungen, berechnet die Wirksamkeit der Maßnahme bzw. die Veränderung der Immissionsbelastung in den betroffenen Kommunen. Werden alle Voraussetzungen für die Umsetzung eines Lkw-Durchfahrtsverbots erfüllt, nimmt das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach erfolgtem Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung die Maßnahme in den Luftreinhalteplan auf. Frage 7. Unterstützt die Landesregierung die Pläne für ein Lkw-Durchfahrtsverbot in Wiesbaden? Im Falle von Immissionsgrenzwertüberschreitungen hat die zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Immissionsgrenzwertes umfasst. Ein Lkw- Durchfahrtsverbot kann eine wirksame Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität in einer Stadt darstellen. Sofern ein Lkw-Durchfahrtsverbot den rechtlichen Anforderungen entspricht, d.h. sowohl wirksam als auch verhältnismäßig und insgesamt rechtmäßig ist, muss es als Maßnahme der Luftreinhaltung aufgenommen werden, sofern nicht mit anderen milderen Maßnahmen eine Einhaltung des Immissionsgrenzwertes erreicht werden kann. D.h., stehen keine anderen gleich geeigneten und weniger belastenden Maßnahmen zur Verfügung, mit denen eine Grenzwerteinhaltung erzielt werden kann, besteht für die planaufstellende Behörde nach aktueller Rechtsprechung kein Ermessensspielraum, auf die Aufnahme dieser Maßnahme zu verzichten. Wie in der Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ausgeführt, entspricht das geplante Lkw-Durchfahrtsverbot nicht den vorgenannten rechtlichen Anforderungen und wird die Maßnahme auch nicht in den Entwurf des Luftreinhalteplans aufgenommen. Wiesbaden, 26. April 2018 Priska Hinz