Kleine Anfrage der Abg. Hofmann, Di Benedetto, Müller (Schwalmstadt) und Lotz (SPD) vom 21.02.2018 betreffend jüdische Gefangene in hessischen Justizvollzugsanstalten und Antwort der Ministerin der Justiz Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele jüdische Gefangene gibt es derzeit in hessischen Justizvollzugs- und Jugendvollzugsanstalten sowie in Jugendarrestanstalten? Bitte nach Anstalt aufschlüsseln. Derzeit sind insgesamt 6 Gefangene jüdischen Glaubens in folgenden hessischen Justizvollzugsanstalten inhaftiert: JVA Anzahl Darmstadt 2 Dieburg 1 Frankfurt am Main IV 1 Kassel I 1 Kassel II 1 Frage 2. Wie viele Rabbiner sind in den hessischen Justizvollzugs- und Jugendvollzugsanstalten sowie in Jugendarrestanstalten zur religiösen Betreuung von jüdischen Gefangenen für wie viele Stunden tätig und in welchem Arbeitsverhältnis stehen sie? Bitte nach Art und Umfang der Tätigkeit sowie einzelnen Anstalten aufschlüsseln. Gemäß §§ 77 Abs. 1 HStVollzG, 68 Abs. 1 HUVollzG, 73 Abs. 1 HessJStVollzG und 72 Abs. 1 HSVVollzG werden Seelsorgerinnen und Seelsorger im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet. Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Abs. 1 der genannten Gesetze nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zu ermöglichen. Aufgrund der geringen Anzahl jüdischer Gefangener (2015: 8, 2016: 8, 2017: 6, 2018: 6, jeweils zum Stichtag 31. Januar) wird deren seelsorgerische Betreuung nicht durch einen hauptamtlich bestellten oder vertraglich verpflichteten Rabbiner gewährleistet, sondern jeweils im individuellen Einzelfall geregelt. Kontakte bzw. Kooperationen mit jüdischen Gemeinden bestehen nur im jeweiligen Einzelfall, da der Bedarf für eine regelmäßige Zusammenarbeit bislang nicht gegeben war. Im Bedarfsfall treten die hessischen Vollzugsanstalten mit der jüdischen Gemeinde bzw. mit den etablierten jüdischen Organisationen und Verbänden vor Ort in Kontakt, über die sodann eine geeignete Person mit entsprechender religiöser Qualifikation für die seelsorgerische Betreuung im jüdischen Glauben und zur Abhaltung von Gebeten etc. benannt werden kann. Insofern wird den Gefangenen und Untergebrachten gemäß den gesetzlichen Vorschriften geholfen , mit der Seelsorge ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten (vgl. §§ 32 Abs.1 HStVollzG, 24 Abs.1 HUVollzG, 31 Abs. 1 HessJStVollzG, 32 HSVVollzG und 21 HessJA- VollzG). Eine für die religiöse Betreuung benannte Person würde im Status eines ehrenamtlichen Mitarbeiters tätig. Statistische Daten oder gesicherte Informationen darüber, ob und wie häufig Rabbiner in den hessischen Justizvollzugsanstalten in der Vergangenheit im Einzelfall tätig waren, liegen nicht Eingegangen am 29. März 2018 · Bearbeitet am 29. März 2018 · Ausgegeben am 3. April 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6086 29. 03. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6086 vor und können rückwirkend auch nicht erhoben werden. Die Vollzugsanstalten haben insoweit von folgenden Kontakten zu jüdischen Gemeinden berichtet: In der JVA Frankfurt am Main I besteht Kontakt zu der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Ein Rabbiner kann auf Antrag von Gefangenen kontaktiert werden und die religiöse Betreuung übernehmen. In der JVA Darmstadt besteht über die evangelische Seelsorge Kontakt zu einer Mitarbeiterin der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Diese kann im Bedarfsfall kontaktiert werden. In der JVA Fulda besteht die Möglichkeit, Kontakt zu der jüdischen Gemeinde Fulda aufzunehmen; die religiöse Betreuung würde dort durch einen Rabbiner erfolgen. Frage 3. Welche Räumlichkeiten für Gespräche, Beratung und Gebete stehen den Rabbinern zur Verfügung ? Bitte nach Anstalt aufschlüsseln. Sofern notwendig und gewünscht, stehen für die religiöse Betreuung jüdischer Gefangener in den hessischen Vollzugsanstalten bedarfsorientiert verschiedene Räumlichkeiten zur Verfügung: JVA Räumlichkeiten für Gespräche/Beratung/Gebete Butzbach Gespräche können im Besuchsbereich der Anstalt sowie bei entsprechendem Bedarf im Mehrzweck-/Kirchenraum sowie in Freizeiträumen stattfinden . Darmstadt Gespräche können in den Besuchs-/Sprechräumen stattfinden sowie, in Absprache mit den Seelsorgern, in den Räumen des Seelsorgebereichs. Dieburg Gespräche können im Anwaltssprechraum stattfinden. Frankfurt am Main I Gespräche können in den Räumlichkeiten des Besuchsbereichs stattfinden. Sollte ein gemeinsames Gebet gewünscht sein und die Räumlichkeiten der Besuchsabteilung als nicht ausreichend erachtet werden, wird der multifunktionale Andachtsraum zur Verfügung gestellt. Frankfurt am Main III Gespräche können im sogenannten "Mehrzweckraum" stattfinden, der von allen Religionen genutzt wird. Frankfurt am Main IV Gespräche können sowohl in Räumen des geschlossenen als auch des offenen Vollzugs stattfinden. Hierbei handelt es sich um Büros für externe Gutachter, die Seelsorgebüros (im Einzelfall), den Kirchenraum, der Gebetsraum des Imam, den Sonderbesuchsraum oder sonstige Büros. Fulda Gespräche können sowohl im Kirchenraum als auch in einem Freizeitraum stattfinden. Jugendarrestanstalt Gelnhausen Gespräche können in einem Seminarraum durchgeführt werden. Gießen Gespräche können in den Räumen der Seelsorge stattfinden. Hünfeld Gespräche können in der christlichen Kapelle als Raum der Seelsorge durchgeführt werden. Sofern dies nicht erwünscht ist, steht ein weiterer, neutraler Raum zur Verfügung, der bisher auch vom Imam genutzt wird. Kassel I Gespräche können in einem Gruppenraum, ggf. in einem großen Gebetsraum , stattfinden. Kassel II Gespräche können in der Aula, in der auch christliche Gottesdienste abgehalten werden, stattfinden. Limburg Die religiöse Betreuung durch einen Rabbiner, wird - im Benehmen mit den evangelischen und katholischen Anstaltsgeistlichen - nach den jeweiligen Erfordernissen im Einzelfall auch räumlich organisiert. Rockenberg Bei Bedarf können entsprechende Räumlichkeiten (z.B. Gebetsraum, pp.) zur Verfügung gestellt werden. Schwalmstadt Gespräche können in Räumen des Besuchsbereichs sowie in Besprechungsräumen bzw. freien Büroräumen stattfinden. Weiterstadt Gespräche können in Räumen des Besuchsbereichs bzw. im Bedarfsfall im Mehrzweckraum stattfinden. Wiesbaden Im Bedarfsfall würde dies mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen abgeklärt. Gespräche können in den Besuchsräumen oder je nach Einzelfall in anderen geeigneten Räumlichkeiten durchgeführt werden . Frage 4. Wird für jüdische Gefangene koscheres Essen zur Verfügung gestellt und falls ja, wo wird dies zubereitet? Bitte nach Anstalt aufschlüsseln. Gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 4 HStVollzG, 14 Abs. 1 Satz 4 HUVollzG, 22 Abs. 1 Satz 4 HessJStVollzG, 22 Abs. 1 Satz 4 HSVVollzG und 13 Abs. 1 Satz 4 HessJAVollzG ist es den Gefangenen, Untergebrachten und Arrestierten zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen. Da die Anzahl der Gefangenen jüdischen Glaubens und deren Wunsch auf Einhaltung der koscheren Speisevorschriften insgesamt sehr gering sind, werden in Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6086 3 den hessischen Anstalten und Einrichtungen im Hinblick auf den Bezug koscherer Lebensmittel und deren Zubereitung Einzelfallentscheidungen getroffen. Im Rahmen der Anstaltsverpflegung wird kein koscheres Essen angeboten. Die Regeln der Zubereitung von koscheren Speisen sowie der Einrichtung entsprechender Küchen und Küchengeräten können in den hessischen Justizvollzugsanstalten mangels personeller, technischer und hygienischer Möglichkeiten nicht eingehalten werden. Angesichts der geringen Anzahl jüdischer Gefangener, die aufgrund der hessischen Einweisungsbestimmungen zudem in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten untergebracht sind, wäre die Bereitstellung einer koscheren Küche mit entsprechend benötigtem Zubehör auch nicht verhältnismäßig. Sofern Gefangene den Bezug koscherer Lebensmittel beantragen, wurde bzw. wird in den Anstalten wie folgt verfahren: JVA Koscheres Essen Butzbach Koschere Nahrungsmittel können in geringem Umfang über den Anstaltskaufmann bezogen werden. Darmstadt Gefangenen kann auf Anfrage eine "Koscher-Liste" (online erhältlich) zur Verfügung gestellt werden. Anhand dieser können aus dem Angebot des Anstaltskaufmanns und der Kost der Anstaltsküche Produkte ausgewählt werden, die als koscher eingestuft sind. Dieburg Der Anstaltskaufmann hat einige Artikel koscherer Lebensmittel in seinem Angebot. Im Bedarfsfall wird zu prüfen sein, ob und welche koscheren Lebensmittel zusätzlich in das Sortiment aufgenommen oder beschafft werden können. Der Bezug der Anstaltskost erfolgt über die JVA Weiterstadt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Tabelle wird verwiesen. Frankfurt am Main I In der Vergangenheit wurde Kontakt zu der jüdischen Gemeinde in Frankfurt aufgenommen; diese verwies auf ein Restaurant, welches koscheres Essen anbot. Das Restaurant lieferte einmal täglich Essen. Frankfurt am Main III Über die Versorgung von Gefangenen jüdischen Glaubens, die eine koschere Verpflegung beantragen, wird jeweils im Einzelfall entschieden. Die Zubereitung der Speisen könnte durch die Gefangenen selbst erfolgen; die Beschaffung der Lebensmittel und des Kochgeschirrs würde durch die Vollzugsanstalt sichergestellt. Frankfurt am Main IV Sollte koscheres Essen beantragt werden, so kann dieses über die Jüdische Gemeinde Frankfurt bezogen werden. Das koschere Essen wird so geliefert , dass es lediglich erwärmt werden muss. Sonstige koschere Lebensmittel können ggf. ebenfalls auf diesem Weg bezogen werden. Fulda Im Bedarfsfall besteht die Möglichkeit, koscheres Essen als fertiges Produkt aus Restaurants der Umgebung zu beziehen; koschere Lebensmittel können ebenso von entsprechenden Anbietern bezogen werden. Jugendarrestanstalt Gelnhausen Die Arrestierten können zwischen Normalkost, Austauschkost (ohne Schweinefleisch) und vegetarischer Kost wählen. Weitere Bedarfe wären jeweils im spezifischen Einzelfall zu klären. Gießen Koschere Nahrungsmittel können in geringem Umfang über den Anstaltskaufmann bezogen werden. Hünfeld Für den Fall des Zugangs eines Strafgefangenen jüdischen Glaubens und bei entsprechendem Antrag auf Bezug koscherer Lebensmittel könnte ggf. eine Verlegung des Gefangenen in eine andere hessische Anstalt organisiert werden, um die dortige Infrastruktur nutzen zu können. Kassel I Koschere Lebensmittel können über den Anstaltskaufmann bezogen werden . Sollte es notwendig werden, koschere Speisen für Gefangene jüdischen Glaubens anzubieten, würde sich die Anstalt um Rat und Unterstützung an die jüdische Gemeinde in Kassel wenden. Kassel II Die Anstalt bezieht das Essen über die JVA Kassel I, insofern wird auf die Ausführungen zur JVA Kassel I verwiesen. Limburg Die Versorgung Gefangener mit koscherem Essen wäre über einen Zulieferer aus dem Raum Frankfurt, welcher auch von der jüdischen Gemeinde genutzt wird, möglich. Rockenberg Bei Bedarf können koschere Lebensmittel über den Anstaltskaufmann bezogen werden. Über die Möglichkeit, koscheres Essen zuzubereiten, wird im Einzelfall entschieden. Schwalmstadt In der Vergangenheit konnten Gefangene jüdischen Glaubens auf Antrag mit koscheren Lebensmitteln über den Anstaltskaufmann versorgt werden. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6086 Weiterstadt In der Vergangenheit wurden koschere Lebensmittel über den Anstaltseinkauf bezogen. Inwieweit das Anstaltsessen entsprechend zubereitet werden muss, konnte in der Vergangenheit immer im Einzelfall mit dem Gefangenen und Bediensteten der Küche besprochen und geklärt werden. Wiesbaden Im Bedarfsfall würde dies mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen abgeklärt. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass die hessischen Justizvollzugsanstalten in den Fällen, in denen Gefangene jüdischen Glaubens die religiöse Betreuung durch einen Rabbiner sowie den Bezug von koscheren Lebensmitteln beantragen, in jedem Einzelfall in Kooperation mit den jüdischen Gemeinden eine praktikable Lösung finden. Wiesbaden, 22. März 2018 Eva Kühne-Hörmann