Kleine Anfrage der Abg. Degen, Lotz und Schmitt (SPD) vom 27.02.2018 betreffend Genehmigung eines atomaren Zwischenlagers in Hanau und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Im Streit mit der Firma Nuclear Cargo Service (NCS) musste die Stadt Hanau eine Niederlage hinnehmen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt erklärt, dass der Bau eines weiteren atomaren Zwischenlagers im Technologiepark Wolfgang durch die Firma Nuclear Cargo Service (NCS) zulässig sei. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Die Nuclear Cargo und Service GmbH (NCS), heute Daher NT, ist ein weltweit tätiges Logistikunternehmen , das auf den Transport von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen spezialisiert ist. Das Unternehmen erstellt Transport- und Verpackungskonzepte und erbringt alle im Zusammenhang mit Beförderungsaufgaben stehenden Leistungen. Am Standort Hanau werden Transportbehälter und Spezialfahrzeuge gewartet und instand gesetzt. Mitte 2007 hat die Stinnes AG als Unternehmen der Deutsche Bahngruppe die NCS- Gesellschafteranteile an die französische Gesellschaft Compagnie Daher verkauft. Die NCS wurde vollständig in die DAHER Gruppe integriert. Zum 01.10.2015 erfolgte die Umbenennung in DAHER NUCLEAR TECHNOLOGIES GmbH. Die Firma Daher NT betreibt in Hanau zwei Lagerhallen (Halle 6 und 12) zur Zwischenlagerung radioaktiver Stoffe sowie zwei Freiläger. Bei der Auseinandersetzung mit der Stadt Hanau um ein weiteres Zwischenlager geht es um eine Genehmigung nach Baurecht zur Nutzungsänderung einer vorhandenen Lagerhalle (Halle 15), die die Stadt Hanau als zuständige Baubehörde verweigert. Die Halle 15 war ursprünglich für die Brennelementfertigung von NUKEM 2 gebaut, aber nie genutzt worden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Welche strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen liegen in welchem Umfang derzeit für den Betrieb des Standorts Hanau der Firma NCS vor? Die Fa. Daher NT (ehemals NCS) verfügt über mehrere Genehmigungen nach der Strahlenschutzverordnung zum Umgang mit radioaktiven Stoffen auf ihrem Betriebsgelände in Hanau Wolfgang. 1. Genehmigung des RP Darmstadt, Staatliches Amt für Umwelt Frankfurt vom 17.05.2000 für den Umgang mit radioaktiven Stoffen in der Halle 6, Abschnitt I A und I B Der genehmigte Umgang umfasst die Lagerung der radioaktiven Stoffe und die Wartungsund Instandsetzungsarbeiten an den verschlossenen Behältern in der Lagerhalle, Transporte auf dem abgezäunten, ehemals als Nukleargelände bezeichneten Gelände, nunmehr Technologie -Park Hanau, sowie Umschlagvorgänge auf dem Betriebs-Gelände. Sonstiger Umgang Eingegangen am 20. April 2018 · Bearbeitet am 23. April 2018 · Ausgegeben am 26. April 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6106 20. 04. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6106 (z. B. Öffnen von Verpackungen, Umfüllen und dgl.) ist im Rahmen dieser Genehmigung nur gestattet, wenn im Einzelfall die zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde schriftlich zugestimmt hat. Die genehmigte Lagerung erfolgt in den Hallenabschnitten IA und IB, der auf dem abgezäunten Teil des Geländes der Nuklearbetriebe befindlichen Lagerhalle (Halle 6) in Hanau. Die max. zulässige Gesamtaktivität beträgt das E+10 fache der Freigrenze der Anlage III der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV). 2. Genehmigung des Hessischen Umweltministeriums vom 11.06.2002, geändert mit Genehmigung vom 21.03.2005 zur Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle Die Genehmigung umfasst die Zwischenlagerung von endkonditionierten radioaktiven Abfällen aus Betrieb und Rückbau des Siemens Brennelemente Werks, Betriebsteile Uran- und MOX-Verarbeitung. Die genehmigte Lagerung erfolgt in Konrad-Containern in der Lagerhalle 12. Es dürfen maximal 1250 Container bis zur Abgabe an ein Endlager gelagert werden . Die maximal zulässige Aktivität im Lager beträgt 2 E+16 Bq. 3. Änderungsgenehmigung des RP Darmstadt, Staatliches Amt für Umwelt Frankfurt vom 19.06.2009 Genehmigt ist der Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen in verschlossenen Transportbehältern im Hallenteil B der Halle 6. Die zulässige Gesamtaktivität darf das E+4fache der Freigrenze der Anlage III der StrlSchV nicht überschreiten. 4. Änderungsgenehmigung des RP Darmstadt, Staatliches Amt für Umwelt Frankfurt vom 13.11.2009 Genehmigt ist der Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen in verschlossenen Transportbehältern bzw. mit innen kontaminierten Geräten. Die zulässige Gesamtaktivität darf das E+8 fache der Freigrenze der Anlage III der StrlSchV nicht überschreiten Der genehmigte Umgang findet im Freilager I auf dem Betriebsgelände statt. 5. Änderungsgenehmigung des RP Darmstadt, Staatliches Amt für Umwelt Frankfurt vom 06.03.2009 Genehmigt ist der Umgang mit leeren, gespülten und geschlossenen Transportbehältern, die innen kontaminiert sein können. Die zulässige Gesamtaktivität darf das E+6 fache der Freigrenze der Anlage III der StrlSchV nicht überschreiten. Der genehmigte Umgang findet im Freilager II auf dem Betriebsgelände statt. Frage 2. Welche Behörden sind bei der Erteilung, Überprüfung und ggf. Erweiterung der Betriebsgenehmigung eingebunden? Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, existieren mehrere Genehmigungen nach der Strahlenschutzverordnung . Welche Behörden bei einer Änderung bzw. einem neuen Genehmigungsverfahren zu beteiligen sind, hängt vom Antragsgegenstand ab. Grundsätzlich sind alle Behörden zu beteiligen, deren Zuständigkeit berührt wird. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die Absicht der Firma NCS ein weiteres Zwischenlager für radioaktive Abfälle am Standort Hanau zu errichten? Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung den Bau eines weiteren Zwischenlagers in einem Gewerbegebiet und in Nähe zu einem Wohngebiet? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, geht es bei dem Verwaltungsstreit mit der Stadt Hanau um eine Genehmigung nach Baurecht zur Nutzungsänderung einer vorhandenen Lagerhalle (Halle 15). Bauordnungsrechtlich handelt es sich bei dem Vorhaben "Zwischenlager für radioaktive Abfälle " um eine Nutzungsänderung einer bereits bestehenden und genehmigten Halle. Nach § 58 Hessische Bauordnung (HBO) unterliegt diese Nutzungsänderung dem Baugenehmigungsverfahren , in dem die Bauaufsichtsbehörde die Zulässigkeit nach dem Baugesetzbuch (BauGB), der HBO und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften prüft. Sofern das Vorhaben den genannten Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6106 3 Vorschriften entspricht, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung (§ 64 Abs. 1 HBO). Ob die baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden, lässt sich ohne genaue Kenntnis der Antragsunterlagen nicht beurteilen. Nach § 58 Satz 1 Nr. 3 HBO sind auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften zu prüfen. Vorliegend sind das die Vorschriften des Immissions- und Brandschutzes. Im Rahmen der Beteiligung der Immissions- und Brandschutzbehörde werden unter anderem auch die Auswirkungen auf umliegende Baugebiete, wie z.B. Wohngebiete geprüft. Für die geplante Nutzung als Lagerhalle für radioaktiven Abfall ist auch noch eine Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung erforderlich. Diese wird nicht durch die Baugenehmigung ersetzt, sondern sie ist nach § 7 Abs. 1 StrlSchV neben der Baugenehmigung zu erteilen. Die Landesregierung sieht grundsätzlich die besondere Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger Hanaus durch die bisherigen Atomanlagen und hat Kenntnis darüber, dass die Stadt Hanau seit vielen Jahren darum bemüht ist, neue Firmen mit zukunftsträchtigen Technologien anzusiedeln . Dies wird von ihr ausdrücklich unterstützt. Grundsätzlich sollte die Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Material standortnah erfolgen bis ein Endlager zur Verfügung steht. Auch in diesem Zusammenhang hält die Hessische Landesregierung eine Erweiterung der Zwischenlagerungskapazitäten für nicht erforderlich. Dessen ungeachtet muss darauf hingewiesen werden, dass die Strahlenschutzverordnung für die Genehmigungsbehörde in derartigen Fällen keinen Ermessensspielraum vorsieht. Daher müsste eine entsprechende Genehmigung erteilt werden, sofern alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Sofern die Stadt Hanau letztinstanzlich vor Gericht unterliegen sollte und der Vorhabenträger an seiner Absicht festhält, müsste daher eine erneute strahlenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt werden, welche ergebnisoffen auf der Grundlage der zu berücksichtigenden Rechtsnormen erfolgt . Frage 5. Ist aus Sicht der Landesregierung die Errichtung eines weiteren Zwischenlagers für radioaktive Abfälle mit der bestehenden Baunutzungsordnung vereinbar? Das weitere Zwischenlager für radioaktiven Abfall in Hanau soll in einem nach § 8 Baunutzungsverordnung (BauNVO) festgesetzten Gewerbegebiet realisiert werden. Nach § 8 Abs.1 BauNVO dienen Gewerbegebiete überwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Zulässig sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO unter anderem Lagerhäuser . Aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise trifft die BauNVO grundsätzlich keine Unterscheidung , was in der einzelnen Lagerhalle beziehungsweise dem einzelnen Lagerhaus gelagert wird. Nach § 15 Abs. 1 BauNVO sind die in den §§ 2-14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen jedoch im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Hinsichtlich des Anlieferungsverkehrs sind keine unzumutbaren Belästigungen oder Störungen in einem Industrie- und Gewerbegebiet zu erwarten. Soweit es um eine Beeinträchtigung durch die Strahlungen der radioaktiven Stoffe geht, sind diese im Rahmen der Strahlenschutzgenehmigung zu prüfen und zu beurteilen . Das Gebot der Rücksichtnahme geht insoweit in der spezielleren Schutznorm des Strahlenschutzrechts auf. Frage 6. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt auf das Image des Technologieparks und des benachbarten Industrieparks Wolfgang? Siehe Antwort zu Frage 4. Frage 7. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Stadt Hanau in ihrem Widerstand gegen die Errichtung eines weiteren Zwischenlagers zu unterstützen? Das Klageverfahren der Firma Daher NT ist noch nicht abgeschlossen. Das Gericht hat die Berufung zugelassen und die Stadt Hanau hat angekündigt, Rechtsmittel einzulegen. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, dessen Bestandteil die Unabhängigkeit der Gerichte ist, folgt, dass es der Landesregierung verwehrt ist, auf laufende Gerichtsverfahren einzuwirken. Der Ausgang des Verwaltungsstreitverfahrens bleibt daher abzuwarten. Wie bereits in der Antwort zu Frage 4 ausgeführt ist die Landesregierung der Meinung, dass standortnahe Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Material grundsätzlich sinnvoll und möglich ist. Wiesbaden, 11. April 2018 Priska Hinz