Kleine Anfrage des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP) vom 01.03.2018 betreffend Übergangsmanagement in den hessischen Justizvollzugsanstalten und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung des Fragestellers: Das Übergangsmanagement in den hessischen Justizvollzugsanstalten dient der Vorbereitung von Gefangenen mit besonderem Hilfebedarf nach der Entlassung in den sozialen Empfangsraum. Betreut werden hierbei Gefangene , die eine Freiheitsstrafe verbüßen und ohne anschließende staatliche Unterstützung oder Aufsicht zum Endstrafenzeitpunkt entlassen werden. Ziel ist, die Rückfallgefahr der Insassen in der ersten Zeit nach der Entlassung zu verringern. Daher ist es notwendig, eine systematische Auswertung und Aufbereitung von Daten im Bereich des Übergangsmanagements vorzunehmen. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Bereits seit April 2007 werden im hessischen Vollzug inhaftierte erwachsene Frauen und Männer mit besonderem Hilfebedarf - insbesondere Gefangene, die ohne staatliche Unterstützung wie zum Beispiel im Rahmen der Bewährungshilfe oder der Führungsaufsicht zum Endstrafenzeitpunkt entlassen werden - durch Maßnahmenträger der freien Straffälligenhilfe betreut. Ziel ist es, Rückfälle zu vermeiden, dadurch den Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten zu erhöhen und mögliche Schwierigkeiten in der Entlassungsphase zu minimieren. Hintergrund dieses Hilfsangebotes ist die Tatsache, dass entlassene Gefangene oftmals nicht mehr in der Lage sind, unmittelbar nach der Entlassung - auf sich allein gestellt - Arbeit und Wohnung zu finden oder eine finanzielle Sicherung ihres Lebensunterhaltes zu organisieren. Durch das Projekt "Übergangsmanagement" wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Justizvollzug und der freien Straffälligenhilfe auf eine qualifizierte Basis gestellt. Spätestens sechs Monate vor Entlassung der Gefangenen erfolgt die Zuweisung durch die internen Sozialdienste der Justizvollzugsanstalten an das Übergangsmanagement der freien Straffälligenhilfe . Das Übergangsmanagement unterstützt die Gefangenen bei der Suche nach einem Arbeits - oder Ausbildungsplatz, bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung oder Unterkunft sowie bei der Kontaktanbahnung zu Beratungsstellen für die Zeit nach der Haft. Die Beraterinnen und Berater des Übergangsmanagements bieten den Gefangenen Hilfestellung beim Umgang mit Behörden und Ämtern. Die notwendigen Kontakte werden bereits vor der Entlassung aufgebaut . Die örtlichen Zuständigkeiten werden dabei ebenso geklärt wie mögliche Ansprüche auf Leistungen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Projekte des Übergangsmanagements werden aktuell und im Kalenderjahr 2018 in Hessen wie gefördert? Bitte aufschlüsseln bei welchen Trägern, mit welchen Aufgaben und welchen Fördersummen . Das Übergangsmanagement wird im laufenden Kalenderjahr 2018 von den nachfolgend aufgeführten Trägern durchgeführt. Die Aufgaben der Träger sind in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz dargestellt. Die jeweiligen Fördersummen für die einzelnen Träger sind in der nachfolgenden Auflistung ebenfalls ausgewiesen. Caritas Limburg (Zuwendung: 12.500 €), Soziale Hilfe e.V. Kassel (Zuwendung: 75.000 €), Diakonisches Werk Darmstadt-Dieburg (Zuwendung: 50.000 €), Eingegangen am 12. April 2018 · Bearbeitet am 12. April 2018 · Ausgegeben am 13. April 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6116 12. 04. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6116 Diakonisches Werk Offenbach-Dreieich-Rodgau (Zuwendung: 75.000 €), AWO Frankfurt e.V. (Zuwendung: 50.000 €), Caritasverband Fulda und Geisa e.V. (Zuwendung: 12.500 €), Haftentlassenenhilfe e.V. (Zuwendung: 75.000 € für das Übergangsmanagement sowie 26.000 € für einen Wohnraum im Rahmen von Entlassungsurlaub), Diakonisches Werk Wetterau (Zuwendung: 50.000 €), Diakonisches Werk Gießen (Zuwendung: 50.000 €). Für das laufende Kalenderjahr stehen somit finanzielle Mittel in Höhe von insgesamt 476.000 € zur Verfügung. Davon werden 276.000 € aus dem Landeshaushalt finanziert und 200.000 € aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Frage 2. Gibt es Projekte des Übergangsmanagements, die sich gezielt an unschuldig Inhaftierte richten? Projekte des Übergangsmanagements, die sich gezielt an unschuldig Inhaftierte richten, gibt es nicht, da eine sofortige Entlassung zu erfolgen hätte, wenn ein derartiger Fall durch die Justiz festgestellt werden würde. Frage 3. Wie hoch sind die Fallzahlen des Übergangsmanagements in den Jahren 2015, 2016 und 2017? Zu der Fragestellung wurden die Übergangsmanagerinnen und Übergangsmanager bei den Justizvollzugsanstalten einbezogen. Auf Grundlage der von dort übermittelten Antworten können folgende Fallzahlen genannt werden: Kalenderjahr 2015: 700 Gefangene, Kalenderjahr 2016: 813 Gefangene, Kalenderjahr 2017: 796 Gefangene. Frage 4. Gibt es Untersuchungen zur Häufigkeit von Rückfällen? Aus der Rückfallforschung ist bekannt, dass die Anzahl der Vorstrafen, die Deliktsart sowie Alter und Geschlecht des Verurteilten die Gefahr einer erneuten Rückfälligkeit indizieren. Als besonders problematischer Zeitraum für einen Rückfall gilt die Zeit unmittelbar nach der Entlassung aus der Haft. Diese allgemeinen Erkenntnisse der Rückfallforschung haben in vielen Ländern zu Bestrebungen geführt, die Modalitäten der Haftentlassung und der sozialen Wiedereingliederung zu optimieren. Ob diese Programme einen rückfallvermindernden Effekt zeigen, ist bisher noch nicht untersucht worden. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat unlängst eine Online- Studie in der Schweiz, Österreich und Deutschland zur Praxis des Übergangsmanagements mit dem Ziel durchgeführt, Arbeitsmethoden und Zielsetzungen von mit dem Übergangsmanagement befassten Sozialarbeitern im Strafvollzug sowie in der Bewährungshilfe zu ermitteln und Schwachstellen dieser Schnittstellenproblematik zu beleuchten. Untersuchungen zur Rückfälligkeit sind indessen nicht Teil des Vorhabens. Frage 5. Sofern die Frage 4 mit 'nein' beantwortet wird: Warum nicht? Hinsichtlich des Umstands, dass bislang keine Forschungen zum Thema Übergangsmanagement /Rückfallzahlen vorliegen, können nur Vermutungen angestellt werden. Es dürften folgende Gesichtspunkte eine Rolle spielen: Rückfallforschung setzt üblicherweise Beobachtungszeiträume von mindestens drei Jahren ab Entlassungszeitpunkt voraus. Um auch Eintragungsrückstände des Bundeszentralregisters zu berücksichtigen, empfiehlt sich eine erstmalige Abfrage nach frühestens vier Jahren. Diese Zeitspanne dürfte sich für Programme jüngeren Datums als zu lang erweisen. Außerdem müsste eine Untersuchung zur Rückfälligkeit nach Übergangs- /Entlassungsmanagement durch eine (zeit)aufwendige Aktenauswertung begleitet werden, da nur auf diesem Weg die individuell sehr unterschiedlichen intensiven Bemühungen rund um die Entlassung dokumentiert und mit dem etwaigen Rückfall in Verbindung gebracht werden könnten. Frage 6. Werden die Maßnahmen des Übergangsmanagements für jeden Inhaftierten in einem Evaluationsbogen erfasst? Frage 7. Wenn die Frage 6 mit 'ja' beantwortet wird: Inwieweit wurden die Evaluationsbögen mit welchem Ergebnis ausgewertet? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Maßnahmen des Übergangsmanagements werden nicht in einem Evaluationsbogen für jeden In- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6116 3 haftierten erfasst. Jedoch werden Daten zum Übergangsmanagement im sogenannten Monitoring durch die Hessen Agentur im Rahmen der Vorgaben des Europäischen Sozialfonds erhoben. Die Datenabfrage erfolgt postalisch und anonymisiert im Nachgang zur Entlassung. Die Teilnahme an der Evaluierung erfolgt selbstverständlich auf freiwilliger Basis; die wahrscheinlich dadurch bedingte geringe Anzahl von Rückläufen lässt jedoch keine validen Schlussfolgerungen zu. Die Firma Rambøll Management Consulting hat im Auftrag der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen im Jahr 2012 eine Evaluation der "Vorbereitung der Entlassung von Strafgefangenen - Übergangsmanagement - Schwerpunkt: Vorbereitung der Entlassung in den sozialen Empfangsraum von Gefangenen mit besonderem Hilfebedarf nach der Haft als Dienstleistung der freien Straffälligenhilfe" durchgeführt. Ziel der Evaluation war die Prüfung des Stands der Umsetzung , Zielerreichung und Wirksamkeit der Programmkomponenten. Es wurden Daten und Dokumente analysiert sowie qualitative Interviews und Befragungen mit den Akteuren durchgeführt . In einem zweiten Schritt wurden die bis dato erzielten Ergebnisse und Wirkungen der Programmkomponenten beleuchtet. Insgesamt konnte das Projekt auf der Grundlage dieser Evaluierung optimiert und weiterentwickelt werden. Wiesbaden, 6. April 2018 Eva Kühne-Hörmann