Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 02.03.2018 betreffend Ungereimtheiten bei der Vorbereitung des Berufsschulunterrichts für den neuen dualen Ausbildungsberuf "Kaufmann im E-Commerce und Kauffrau im E-Commerce" - Teil I und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Kultusministers: Bedingt durch den demografischen Wandel, die Akademisierung und den starken Zuzug in die Oberzentren Hessens geraten die Ausbildungsbetriebe und damit auch die Fachklassen in den beruflichen Schulen der ländlichen Regionen unter starken Druck. Unternehmen und Betrieben fällt es zunehmend schwer, offene Ausbildungsplätze zu besetzen. Die Zahl der gemeldeten unbesetzten betrieblichen Ausbildungsstellen erreichte im langjährigen Vergleich einen neuen Höchststand. Der Rückgang bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ist deshalb mit Sorge zu betrachten . Der Sicherung der Fachkräfte in den strukturschwachen Gebieten des Landes kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Dieser Herausforderung ist sich das Hessische Kultusministerium bewusst und hat mit der Einrichtung einer landesweiten Kommission zur Lösung der Standortthematik der Fachklassen eine Anregung aus dem Bildungsgipfel aufgegriffen. Der landesweiten Kommission gehören Vertreter folgender Institutionen an: Hessischer Städtetag , Hessischer Landkreistag, Hessischer Industrie- und Handelskammertag, Arbeitsgemeinschaft der hessischen Handwerkskammern, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Hessisches Kultusministerium, Staatliche Schulämter Hessen, Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e.V., Verband freier Berufe, Arbeitsgemeinschaft der Direktorinnen und Direktoren an Beruflichen Schulen Hessens, Deutscher Gewerkschaftsbund , Deutscher Beamtenbund, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Gesamtverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Hessen e.V. und Landeselternbeirat von Hessen, Landesschülervertretung Hessen. Die landesweite Kommission hat wiederum für das weitere Vorgehen eine regionalisierte Betrachtung vorgeschlagen und einvernehmlich nachfolgende Regionen benannt: Region 1 (Süd), Region 2 (Mitte), Region 3 (Ost), Region 4 (West) und Region 5 (Nord). Für die weitere Arbeit in den Regionen wurden von der landesweiten Kommission Institutionen vorgeschlagen, die einbezogen werden sollen. Die regionalen Gremien setzen sich jeweils aus Vertretern folgender Institutionen zusammen: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Schulträger, Staatliche Schulämter, Vertreter der Arbeitgeberverbände des Hessischen Handwerks, Hessischer Industrie - und Handelskammertag, Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern und des Hessischen Handwerkstages, Industrie- und Handelskammer (IHK), Kreishandwerkerschaft, Kammern der freien Berufe, Gesamtverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen , Hessisches Kultusministerium, AG der Direktorinnen und Direktoren an beruflichen Schulen , Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Der Dialog in der landesweiten Kommission sowie den regionalen Gremien soll dazu beitragen, das Bildungsangebot in der Fläche aufrechtzuerhalten und einzelne Standorte zu stärken. Darüber hinaus werden bundesweit jährlich etwa zehn bis fünfzehn Berufe neu geordnet bzw. entstehen neue Berufe, die den Erfordernissen der Entwicklung der Arbeitswelt Rechnung tra- Eingegangen am 17. April 2018 · Bearbeitet am 17. April 2018 · Ausgegeben am 20. April 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6119 17. 04. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6119 gen. Aufgrund oftmals zu geringer Auszubildendenzahlen können nicht alle Berufe an jeder Berufsschule in einer Region oder einem Bundesland unterrichtet werden. Daher gibt es Regelungen für schulbezirksübergreifende Fachklassen, für Landesfachklassen oder in sogenannten Splitterberufen für Bundesfachklassen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Gab es zwischen dem Hessischen Kultusministerium bzw. der Hessischen Landesregierung sowie den Handels- oder sonstigen Fachverbänden, den hessischen Industrie- und Handelskammern oder den Gewerkschaften bereits Gespräche zu dem neuen Ausbildungsberuf "Kaufmann im E-Commerce und Kauffrau im E-Commerce? a) Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Inhalt? b) Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen des Bildungsgipfels wurde 2015 abgestimmt, dass eine landesweite Kommission und regionale Verbünde zur Festlegung von Fachklassenstandorten einzurichten sind. Dabei sollte das Hessische Kultusministerium unter Berücksichtigung von bereits genannten Vorschlägen einen Kriterienkatalog für die Auswahl von Landesfachklassenstandorten erarbeiten. Diese Vorgehensweise zur Regelung von Fachklassenstandorten wurde seither von den Mitgliedern der landesweiten Kommission begrüßt und begleitet. Für den ab dem Schuljahr 2018/2019 neu anerkannten Ausbildungsberuf Kaufmann im E- Commerce/Kauffrau im E-Commerce wurde diese Vorgehensweise bereits angewandt. Die Entwürfe der Ausschreibung und des Kriterienkatalogs wurden den Mitgliedern der landesweiten Kommission am 14. Dezember 2017 vorgestellt. Die Kriterien sind auf Grundlage von Vorgaben der landesweiten Kommission entwickelt worden. Der Kriterienkatalog sowie der Prozess bzw. das Vorgehen zur Ausschreibung wurde von allen Mitgliedern der landesweiten Kommission ausdrücklich gelobt. Darüber hinaus wurden die Mitglieder der regionalen Gremien über den neu aufgesetzten Prozess informiert. Frage 2. Wie hoch schätzen die Handels- oder sonstigen Fachverbände, die hessischen Industrie- und Handelskammern oder die Gewerkschaften die zu erwartende Nachfrage für den Ausbildungsberuf "Kaufmann im E-Commerce und Kauffrau im E-Commerce" in Hessen? Es gibt aktuell und nach Prüfung durch die IHK 68 geeignete Betriebe. Ausbildungsverträge sind noch nicht registriert. Die Prüfung durch die IHK dauert nach Kenntnis noch bis August /September 2018 an. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Ausbildung bei den meisten Betrieben bereits zum kommenden Schuljahr ansteht. Vielmehr ist angesichts des fortgeschrittenen Bewerbungsjahres davon auszugehen, dass etliche Unternehmen ihr Interesse erst 2019 in Ausbildungsverträge umsetzen werden. Der Hessische Industrie- und Handelskammertag empfiehlt daher perspektivisch regionale "geclusterte" Standorte. Frage 3. Wie hoch schätzt das Hessische Kultusministerium die diesbezüglich zu erwartende Nachfrage? Das Fachreferat des Hessischen Kultusministeriums orientiert sich an den Zahlen und Informationen der Hessischen Industrie- und Handelskammern. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen . Frage 4. Warum hat das Hessische Kultusministerium bislang nur eine einzige Landesfachklasse für diesen Ausbildungsberuf vorgesehen (vgl. ABl. 12/7, S. 842 f.)? Gemäß § 143 Abs. 6 des HSchG hat das Kultusministerium für die Einführung eines neuen Ausbildungsberufs eine vorläufige Regelung getroffen. Die Festlegung auf einen im Prozess zu begleitenden und zu evaluierenden Landesfachklassenstandort erscheint aufgrund der noch offenen Entwicklung der Ausbildungszahlen sinnvoll. Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 geschildert , liegen bis dato keine abgeschlossen Ausbildungsverträge vor. Da sich laut Hessischem Industrie- und Handelskammertag aktuell nur 68 über ganz Hessen verteilte Betriebe zur Ausbildung potenziell eignen, erscheint eine Fachklassenbildung an verschiedenen Standorten unter Einhaltung der Mindestschülerzahlen gemäß der Verordnung über die Festlegung der Anzahl und der Größe der Klassen für das kommende Schuljahr nicht realistisch. Die Anzahl der tatsächlich zu bildenden Fachklassen am Landesfachklassenstandort steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Sie hängt von den konkreten Anmeldungen zum Schuljahr 2018/2019 ab, welche erst mit Beginn des neuen Schuljahres abzusehen sind. Bei Bedarf können Parallelklassen gebildet und kann damit mehrzügig beschult werden. Es ist somit sichergestellt, dass alle hessischen Auszubildenden in diesem Ausbildungsberuf ab dem kommenden Schuljahr in Hessen beschult werden können. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6119 3 Frage 5. Wann will das Hessische Kultusministerium den Standort der einzigen Landesfachklasse bekannt geben, der aktuell für potenziell ausbildende Betriebe für das Werben von Auszubildenden ein Kriterium darstellt? Das Kultusministerium hatte im Dezember 2017 angekündigt, den Auswahlprozess bis Ende März 2018 abzuschließen. Die Auswahl des Landesfachklassenstandorts "Modellschule Obersberg " in Bad Hersfeld erfolgte am 26.03.2018 und die Bekanntgabe der Auswahl am 29.03.2018. Frage 6. Wie will das Hessische Kultusministerium den tatsächlich zu erwartenden Schülerzahlen für diesen Ausbildungsberuf gerecht werden? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Frage 7. Kann das Hessische Kultusministerium zeitnah reagieren und bereits für den Start zum Schuljahr 2018/2019 einen zweiten oder dritten Standort mit Fachklassen in Hessen einrichten? a) Wenn ja, wann und muss dafür erneut eine Ausschreibung im Amtsblatt erfolgen? b) Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zur Frage 4 wird verwiesen. Das Kultusministerium prüft die Entwicklung der Schülerzahlen regelmäßig. Es obliegt jedem Schulträger einen Antrag auf Einrichtung einer Fachklasse zu stellen, wenn ausreichend Auszubildende gemäß der Verordnung über die Festlegung der Anzahl und der Größe der Klassen in seinem Schulamtsbezirk vorhanden sind. Frage 8. Warum hat das Hessische Kultusministerium in der Ausschreibung im Amtsblatt darauf hingewiesen , dass der Kriterienkatalog zu der Ausschreibung über eine bestimmte E-Mail-Adresse angefordert werden kann, Schulen, die sich daraufhin an diese Adresse wandten, aber zurechtgewiesen , die Anforderung habe auf dem Dienstweg zu erfolgen? Ein entsprechender Hinweis, den Dienstweg einzuhalten, erfolgte in den Fällen, in denen ersichtlich war, dass das zuständige Staatliche Schulamt nicht in die Kommunikation eingebunden wurde. Wiesbaden, 10. April 2018 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz