Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 02.03.2018 betreffend Verdachtsunabhängige Kontrollen und Polizei nach § 18 Abs. 2 HSOG und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG können Polizeibehörden die Identität von Personen feststellen, die sich an einem Ort aufhalten "von dem auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich Personen ohne erforderlichen Aufenthaltstitel treffen oder sich Straftäterinnen oder Straftäter verbergen, oder an dem Personen der Prostitution nachgehen". Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Die Identitätsfeststellung ist eine polizeirechtliche Befugnis im HSOG, die dazu dient, die Personalien einer unbekannten Person festzustellen oder weitergehende Feststellungen zu treffen, um welche Person es sich handelt. Sie kommt grundsätzlich gegenüber dem polizeilichen Störer zur Anwendung. Dem Umstand, dass sich Örtlichkeiten aufgrund bestimmter tatsächlicher Anhaltspunkte als so gefährlich erweisen, dass die konkrete bzw. unmittelbar bevorstehende Gefahr bis zum polizeilichen Tätigwerden nicht abgewartet werden kann, trägt die aus dem § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG hervorgehende Befugnis Rechnung. Sie setzt also nicht das Vorliegen einer Gefahr oder eines Verdachts voraus, sondern ermöglicht bereits in deren Vorfeld in bestimmten Fällen Kontrollmaßnahmen in Form der Identitätsfeststellung vorzunehmen. Bei diesen Örtlichkeiten kann es sich beispielsweise um bekannte Trefforte von Kriminellen, Örtlichkeiten der offenen Drogenszene oder um Bereiche handeln, in denen verbotenes Glücksspiel regelmäßig stattfindet. Solche Orte können sich durch präventivpolizeilich intensivierte Maßnahmen verlagern oder in Abhängigkeit von Veranstaltungen wie Messen oder Konzerten zeitlich befristet entstehen. Die Bewertung hinsichtlich der Gefährlichkeit obliegt den örtlich zuständigen Polizeibehörden, wobei diese zeitlichen und räumlichen Veränderungen der jeweiligen Gefährdungs- und Kriminalitätslage in die Festlegung einzubeziehen haben. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Orte in Frankfurt am Main, Wiesbaden, Darmstadt, Offenbach am Main und Kassel sind aktuell als solche "verrufenen Orte" eingestuft? Gebeten wird um eine Aufschlüsselung der jeweiligen Orte und genauer Begrenzungen (etwa durch Straßen oder ähnliches) dieser, der jeweiligen Begründungen zur Einstufung sowie Zeitpunkt und -dauer. § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG sieht eine Erfassung der von der Norm umfassten Örtlichkeiten nicht vor. Deshalb werden bei den Polizeibehörden keine Auflistungen geführt. Frage 2. Für die Einrichtung solcher "verrufenen Orte" werden ausführliche Lageerkenntnisse benötigt. Wie werden diese eingeholt und wie sieht dabei die Zusammenarbeit zwischen der Landespolizei und der jeweiligen Stadtpolizei in Bezug auf den § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG aus? Die in § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG geforderten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben sich beispielsweise aus einer gehäuften Einsatznotwendigkeit der Polizei oder einer entsprechenden Anzeigenhäufigkeit bezüglich der Vorkommnisse an dieser Örtlichkeit. Die Lageerkenntnisse werden in den Behörden durch die Erstellung von Lagebildern, die Erhebung und Bewertung von Veranstaltungslagen sowie die Auswertung und Analyse des Kriminalitätsgeschehens erhoben. Eingegangen am 3. Mai 2018 · Bearbeitet am 3. Mai 2018 · Ausgegeben am 4. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6121 03. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6121 Ein Austausch mit den kommunalen Ordnungsbehörden erfolgt grundsätzlich in Eigenverantwortung und Absprachen der örtlich zuständigen Behörden, sowohl turnusmäßig als auch anlassbezogen . Dabei werden die jeweiligen Erkenntnisse, nicht nur in Bezug auf solche Örtlichkeiten , ausgetauscht und zusammengeführt. Frage 3. Wie lauten etwaige spezielle Dienstvorschriften für Polizeibeamte und -beamtinnen für die Kontrolle an Orten nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG? Spezielle Dienstvorschriften für Kontrollen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG existieren nicht. Frage 4. Nach welchen Maßgaben und Kriterien finden diese Kontrollen je ausgewiesenem Ort nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG statt? Gebeten wird um die Nennung von Zielgruppenangaben oder sonstigen Kontrollkriterien. Der auf einer Lageanalyse und Kriminalitätsauswertung basierende Erkenntnisstand sowie die in Dienstbesprechungen ausgetauschten Erkenntnisse dienen als Grundlage für Polizeibeamtinnen und -beamte, die Identitätsfeststellungen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG anordnen oder durchführen . Zielgruppen und Kontrollkriterien orientieren sich individuell in der Bewertung des Einzelfalles auch an den Grundlagen, die zu der Bewertung der Örtlichkeit geführt haben. Frage 5. Werden für die verdachtsunabhängigen Kontrollen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG Einsatzberichte erstellt? Allein für die Identitätsfeststellungen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG werden keine Einsatzberichte erstellt. Abfragen zur Identitätsfeststellung in polizeilichen Systemen werden automatisiert gemäß der gesetzlichen Vorschriftenlage protokolliert. Ergibt sich aus dem Ergebnis der Identitätsfeststellung Anlass für weiterführende polizeiliche Maßnahmen, werden diese bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen z.B. als Erkenntnismitteilung, Ordnungswidrigkeitenoder Strafanzeige erfasst. Frage 6. In welchen Abständen finden von wem Evaluationen ob des Effekts der verdachtsunabhängigen Kontrollen nach § 18 Abs.2 Nr. 1 HSOG an diesen Orten statt? Da das polizeiliche Tätigwerden eine Kombination von offenen und verdeckten, repressiven und präventiven Maßnahmen beinhaltet und sich nicht in den Identitätsfeststellungen nach § 18 Abs.2 Nr. 1 HSOG erschöpft, erfolgt keine Evaluation der Wirkung dieser Einzelmaßnahme. Frage 7. Anhand welcher Maßgaben und Kriterien entscheidet wer, ob weiterhin nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG kontrolliert wird? Die Entscheidung über die Durchführung der Maßnahme nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG treffen im konkreten Einzelfall die Polizeibeamtinnen oder -beamten vor Ort, es sei denn, dass es sich um eine planmäßig vorbereitete Absperrung bestimmter Räume oder Plätze zum Zweck der Sammelkontrolle mit Identitätsfeststellung handelt. Frage 8. Wie viele verdachtsunabhängige Kontrollen gab es an den jeweiligen Orten nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG monatlich in 2016 und 2017? Frage 9. Zu wie vielen Strafverfahren und Bußgeldverfahren (jeweils ausgenommen Verkehr) haben die Kontrollen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG geführt? Die Fragen 8. und 9. werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Eine statistische Erfassung der Kontrollen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 HSOG und möglicher resultierender Maßnahmen erfolgt nicht. Diese ist gesetzlich nicht vorgesehen. Wiesbaden, 17. April 2018 Peter Beuth