Kleine Anfrage der Abg. Faeser (SPD) vom 05.03.2018 betreffend stufenfreie und barrierefreie Bahnhöfe im Main-Taunus-Kreis und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragestellerin: Laut der Allianz pro Schiene sind mittlerweile fast 80 % der deutschen Bahnhöfe stufenfrei. In Hessen sind allerdings nur 66 % der 429 Bahnhöfe stufenfrei. Hessen schafft es mit diesem Wert nur auf Platz 15 der 16 Bundesländer. Stufenfreie Bahnhöfe nutzen Menschen mit Behinderungen, Müttern oder Vätern mit Kinderwagen , Fahrradfahrern, Reisenden mit schwerem Gepäck und älteren Reisenden, so die Allianz pro Schiene. Laut der Deutschen Bahn umfasst Barrierefreiheit an Bahnstationen darüber hinaus eine Vielzahl von Aspekten der Informationen, des Service und der baulichen Gestaltung des Bahnhofes. Im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) § 4 Barrierefreiheit heißt es: "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme und Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig." Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Bahnhöfe und Stationen in Hessen sind in der Regel Eigentum der DB Station & Service AG. Sie ist daher für die Planung und Ausführung des barrierefreien Ausbaus zuständig. Die Finanzierung liegt gemäß Art. 87e Abs. 4 Grundgesetz in der Verantwortung des Bundes. Der Bund stellt der DB Station & Service AG Bundesmittel aus dem Budget der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zur Verfügung. Die aus diesem Budget vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel haben jedoch nicht die Barrierefreiheit als Vorgabe, sondern den Bestandserhalt der Bahnhöfe. Insofern werden seitens des Bundes bezogen auf die Barrierefreiheit fehlende oder falsche Anreize gesetzt. Das Land Hessen wird daher im Rahmen der nun beginnenden Verhandlungen zwischen Bund und Deutscher Bahn zur Ausgestaltung einer Nachfolgelösung der aktuellen LuFV II eine deutliche Anreizregelung zum barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen fordern, mit der zudem auch den Verpflichtungen des Bundes in finanzieller Hinsicht entsprochen wird. Die derzeit laufenden Planungen und baulichen Umsetzungen des barrierefreien Ausbaus von Verkehrsstationen in Hessen erfolgen auf Basis der Rahmenvereinbarung über die Modernisierung und Qualitätsverbesserung von Personenbahnhöfen in Hessen (Laufzeit 2011 bis 2019). Vor dem Hintergrund, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen, um die Bahnhöfe im gebotenen Tempo zu modernisieren und barrierefrei auszubauen, wurde von vielen Ländern eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, in der für die Planung und Realisierung der Vorhaben ein Finanzierungsmix vereinbart wurde. D.h. für den Ausbau und die Erweiterung bestehender Anlagen an Bahnhöfen, die über die Instandhaltung des Bahnhofs hinausgehen , wie beispielsweise der erstmalige Einbau von Fahrtreppen, Aufzügen und Rampen, beinhaltet der vereinbarte Finanzierungsmix eine Einbeziehung der Fördermittel des Landes und die Einbeziehung der Aufgabenträger des ÖPNV. In diesem vereinbarten mehrjährig getakteten Programm der DB Station & Service AG mit dem Land Hessen und den Aufgabenträgern (RMV, NVV, VRN) sind der Umfang, die Finanzierung und die Terminierung der Modernisierungsprojekte von Bahnhöfen antizipiert, um das verfügbare Budget der DB (LuFV II und Eigenmittel DB Station & Service) auf den Erneuerungs- und Ausbaubedarf abzustimmen. Dabei stellt sich die Finanzierung des einzelnen Bahnhofs - je nach Sanierungs- und Modernisierungsbedarf des Vorhabens - unterschiedlich dar. Die derzeitige bis 2019 laufende Rahmenvereinbarung sieht vor, dass mit einem jeweils rund hälftig von DB Station & Service einerseits und vom Land, den Verbünden und den lokalen Aufgabenträgern andererseits bereitgestellten Eingegangen am 15. Mai 2018 · Bearbeitet am 15. Mai 2018 · Ausgegeben am 18. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6124 15. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6124 Finanzvolumen von insgesamt 258 Mio. € rund 90 Verkehrsstationen u.a. mit neuen Bahnsteigen , Aufzügen und Rampen ausgestattet werden. Zudem hat der Bund im Jahr 2015 ein Sonderprogramm (Zukunftsinvestitionsprogramm ZIP) zum Umbau kleiner Bahnstationen mit weniger als 1000 Ein- und Aussteigern pro Tag gestartet. Die Landesregierung hat diese Chance ergriffen und zur Beschleunigung des Prozesses entschieden , die vom Bund geforderte hälftige Beteiligung an den Kosten im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern, komplett durch das Land zu tragen. Dieser Schritt hat entscheidend dazu beigetragen, dass von den bundesweit 132 für dieses Programm angemeldeten Stationen der absolut höchste Anteil, nämlich 31 und damit fast ein Viertel der in diesem Programm finanzierten Umbauten, hessische Stationen betreffen. Die Liste der im Rahmen des ZIP geförderten Stationen ist der Antwort als Anlage angefügt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Gründe sprechen für das schlechte Abschneiden Hessens bei stufenfreien Bahnhöfen? Wie viele Bahnhöfe im Main-Taunus-Kreis gibt es und wie viele sind stufenfrei oder barrierefrei? Frage 2. Was wurde bisher investiert und von welcher Ebene, um die Bahnhöfe im Main-Taunus-Kreis stufenfrei oder barrierefrei zu machen? Bitte für jeden Bahnhof einzeln darstellen in Bezug auf Stufenfreiheit und Barrierefreiheit. Frage 3. Was wird die Landesregierung in den kommenden Jahren unternehmen, um den Nachholbedarf im Main-Taunus-Kreis zu bewerkstelligen? Frage 4. Welche Aufgaben hat die Bundesebene, welche die Landesebene und welche die Standortkommunen , um die Bahnhöfe stufenfrei und barrierefrei zu machen? Die Fragen 1 bis 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Hinsichtlich der genannten Statistik der Allianz Pro Schiene zur Stufenfreiheit von Verkehrsstationen in verschiedenen Bundesländern ist darauf hinzuweisen, dass die erstplatzierten Länder meistens über deutlich weniger Bahnstationen verfügen als Hessen. Bei der Interpretation der erwähnten Statistik ist außerdem relevant, dass Bundesländer mit überwiegend ländlichem Raum und einfachen bahnbetrieblichen Verhältnissen (z.B. viele eingleisige Strecken) im Hinblick auf die Stufenfreiheit Vorteile gegenüber bevölkerungsreichen Bundesländern haben. In Hessen, mit insgesamt etwa 500 Bahnhöfen der DB Station & Service AG, der Kurhessenbahn sowie der Hessischen Landesbahn und sowohl sehr ländlichem Raum als auch sehr verkehrsreichen Ballungszentren , ist die Herstellung von Stufenfreiheit ungleich schwieriger und aufwendiger. Der Main-Taunus-Kreis verfügt über 18 Verkehrsstationen. Nach Mitteilung der DB Station & Service AG sind bereits heute 12 Stationen stufenfrei. Die DB Station & Service AG teilt weiter mit, dass es bei fünf der sechs bisher nicht stufenfreien DB-Stationen Umbauplanungen gebe. Diese seien Hattersheim, Hochheim, Eddersheim, Lorsbach und Eschborn. In Hochheim und Hattersheim sind Machbarkeitsstudien für die Sanierungen durchgeführt und abgeschlossen worden. Bezüglich der Station Hochheim (Main) verdeutlicht der Status der Stadt Hochheim am Main als Modellkommune für Inklusion und das Antoniushaus als gemeinnützige Einrichtung für körperund mehrfachbehinderte Menschen, dass hier ein besonderer Handlungsbedarf besteht. Da diese Station nicht in der laufenden Rahmenvereinbarung II enthalten ist, ist vorgesehen, die Planung dieser Station zielgerichtet voranzubringen und in die vorgesehene Schaffung eines Planungsvorrates aufzunehmen. Auf die Antworten zu den Fragen 5, 7 und 8 wird verwiesen. Hinsichtlich der Modernisierung der schon heute - über einen Bahnübergang - stufenfrei erreichbaren , aber nicht modernisierten Verkehrsstation Eddersheim, hat die DB Station & Service AG mitgeteilt, dass sie mit der Stadt in Gesprächen für eine Aufnahme der Planung sei. Für die Station Eschborn befindet sich die Planung der Modernisierung einschließlich weiteren Umfeld-Maßnahmen in der Vorplanung, die von der Stadt Eschborn durchgeführt wird. Diese Vorplanungen (in Bezug auf die DB-eigenen Anlagen) müssen nun von der DB Station & Service AG geprüft und eine abgestimmte Planung der Station auf den Weg gebracht werden. Für die Station Lorsbach liegen fortgeschrittene Planungen der Stadt Hofheim vor. Eine Überprüfung der Planung seitens der DB Station & Service AG und der Finanzierung des Vorhabens steht noch aus. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6124 3 Eigentümerin und Betreiberin der 5 Stationen der Königsteiner Bahn, die von Frankfurt-Höchst nach Königstein (Taunus) verläuft und dabei auch Stationen im Main-Taunus-Kreis bedient, ist nicht die DB Station & Service AG. Für die Infrastruktur und den Betrieb dieser Strecke ist die Hessische Landesbahn (HLB) verantwortlich. Zum Sachstand wurde von der HLB mitgeteilt, dass auf dieser Strecke alle Bahnsteiganlagen mittels Rampen oder teilweise niveaugleich von der Zuwegung kommend stufenfrei erreichbar seien. Frage 5. Sind Entlastungen für die Standortkommunen geplant, die sich an der Finanzierung beteiligen und wie sollen diese erfolgen? Frage 7. Ist eine Änderung der Rahmenvereinbarung Hessen zur Modernisierung der Bahnhöfe erforderlich , um das Ziel der vollständigen Barrierefreiheit der hessischen Bahnhöfe zu erreichen? Frage 8. Was kann das Land tun, um die Barrierefreiheit an hessischen Bahnhöfen schneller umzusetzen? Die Fragen 5, 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Finanzierungsbeteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften beruht auf der in der Vorbemerkung genannten Rahmenvereinbarung, die für den Zeitraum von 2011 bis 2019 geschlossen worden ist. Hintergrund hierfür ist, dass in Hessen die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV, gemäß dem Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr, bei den kommunalen Gebietskörperschaften in gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung mit den Verkehrsverbünden liegt. Die DB Station & Service AG hingegen finanziert im Grundsatz die Maßnahmenteile, die dem Bestandserhalt dienen. Zu den in diesem Zusammenhang bestehenden Forderungen des Landes an den Bund wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. Um den barrierefreien Ausbau von Stationen bis zum Vorliegen der vom Bund und der Bahn in der Verhandlung befindlichen LuFV III voranzubringen, plant die Landesregierung - parallel zu der derzeit noch laufenden Rahmenvereinbarung II - mit der DB Station & Service AG und den Aufgabenträgern eine Vereinbarung abzuschließen, um bis zum Vorliegen der LuFV III einen Planungsvorrat für die Modernisierung von weiteren Stationen auf den Weg zu bringen. Auf diesem Wege sollen Mittel des Bundes, die im Rahmen von Sonderprogrammen oder durch die LuFV III zur Verfügung gestellt werden, unmittelbar für die bauliche Realisierung von Bahnhofsmodernisierungen eingesetzt und der barrierefreie Ausbau beschleunigt werden. Frage 6. Bis wann soll für alle Bahnhöfe im Main-Taunus-Kreis die Barrierefreiheit hergestellt werden? Nach Information der DB Station &Service AG werden im Main-Taunus-Kreis nach Realisierung der drei in Vorbereitung befindlichen Modernisierungsprojekte für die Stationen in Eschborn , Hattersheim und Hochheim (Main) nahezu 93 % der Ein- und Aussteiger den Bahnsteig stufenfrei erreichen können. Zum Zeitpunkt der Herstellung der Barrierefreiheit (Niveaugleichheit von Bahnsteighöhe und Fahrzeugeinstieg) können derzeit keine Aussagen getroffen werden, da seitens des Bundes und der DB Station & Service AG ein neues Bahnsteighöhenkonzept zur Umsetzung gelangen soll. Das Bahnsteighöhenkonzept des Bundes sieht vor, an allen Hauptstrecken eine Bahnsteighöhe von 76 cm umzusetzen und bestimmt die Herstellung der Barrierefreiheit - die untrennbar mit den im Einsatz befindlichen Fahrzeugen steht - lediglich als Langfristziel. Mit Beschluss vom November 2017 hat die Verkehrsministerkonferenz den Bund gebeten, das Konzept zu überprüfen und einen Migrationspfad auf den Weg zu bringen, der dem gebotenen Maßstab der schnellstmöglichen Herstellung der Barrierefreiheit entspricht. Frage 9. Welche Konsequenzen hat die Landesregierung aus den Ergebnissen des Landesrechnungshofberichts 2014 "Zuwendungen für Bauten in Bahnhöfen - Fehlanreize für Kommunen beenden" (S. 331 ff.) gezogen? Präsident Dr. Walter Wallmann wird in diesem Zusammenhang zitiert: "Der Rechnungshof mahnt die Einhaltung haushaltsrechtlicher Vorschriften an. Er erwartet, dass künftig nur dann Zuwendungen geleistet werden, wenn Eigentümer die Baumaßnahmen auf ihren Grundstücken selbst durchführen." Es ist richtig, dass im damaligen Bemerkungsverfahren "Bemerkungen 2014 des Hessischen Rechnungshofs zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Hessen (Haushaltsrechnung 2013), Teil II Bemerkungen zu den Einzelplänen - Zuwendungen an Kommunen für Bauten auf Bahngrundstücken" (Kap 1752, 1730), der Hessische Rechnungshof (HRH) forderte, dass Zuwendungen bei Bahnhofsvorhaben nur dann gewährt werden sollen, wenn das Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) - in der Regel die DB Station &Service AG - die Baumaßnahmen auf seinen Grundstücken selbst durchführt. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6124 Zum Zeitpunkt des Bemerkungsverfahrens existierte die Praxis, dass Kommunen Maßnahmen an Bahnhöfen, die im Eigentum der DB AG stehen, als Vorhabenträger selbst durchgeführt haben . Hierzu erhielten sie Zuschüsse vom Land Hessen. Als Konsequenz aus den Mitteilungen des HRH werden in einer solchen Konstellation der Vorhabenträgerschaft keine Zuschüsse mehr gewährt. Ein Landeszuschuss ist nun daran geknüpft, dass die Vorhabenträgerschaft beim Eigentümer der Bahnanlage liegt. Die Bahnhöfe und Stationen in Hessen sind in der Regel Eigentum der DB Station & Service AG. Sie ist daher für die Planung und Ausführung des barrierefreien Ausbaus zuständig und kann als Vorhabenträgerin entsprechende Fördermittel beantragen. Wiesbaden, 7. Mai 2018 Tarek Al-Wazir Anlagen Anlage KLA 19/6124Liste der im Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP) angemeldeten Stationen im Land HessenAuringen-Medenbach Kirch GönsBad Arolsen KorbachBaunatal-Guntershausen Korbach-SüdBensheim-Auerbach* LehnheimBiebesheim MandernBiedenkopf MengeringhausenBorken (Hess) MesselBruchköbel Oestrich-WinkelDarmstadt Süd Ostheim (b Butzbach)Fritzlar SterzhausenFuldatal-Ihringshausen Stockstadt (Rhein)Gernsheim UngedankenGießen Erdkauter Weg WeiterstadtGoßfelden Wiesbaden-ErbenheimGroß-Rohrheim* Wölfersheim-SödelHadamar* Der Projektzuschnitt des barrierefreien Ausbaus und die Finanzierung wurden zwischenzeitlich geändert.