Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 07.03.2018 betreffend Niddastraße 49 und Frankfurter Bahnhofsviertel und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Nach einer Recherche von "akte 20.18" hat sich die Drogen- und Müllproblematik im Frankfurter Bahnhofsviertel entgegen aller Ankündigungen gravierend verschlechtert. Prägendes Beispiel ist die Drogenhilfeeinrichtung in der Niddastraße. Sowohl die Anwohner als auch die Gewerbetreibenden sind mit der unhaltbaren Situation überfordert. Gehwege haben sich teilweise zu öffentlichen Drogenumschlagplätzen entwickelt, auf denen offen Drogen gekauft und konsumiert werden. Die Stadt Frankfurt wird nur unzureichend aktiv. Bisher fühlt sich kein öffentlicher Träger zuständig. Im Vergleich zum Jahr 2016 sind die erfassten Fälle von Drogenhandel um 147 auf insgesamt 530 Fälle angewachsen. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist seit vielen Jahren ein Kriminalitätsschwerpunkt, welcher durch den Handel und Konsum von Betäubungsmitteln besonders belastet ist. Deswegen ist es ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, dass die Sicherheitsbehörden Präsenz zeigen und anlassbezogen konsequent eingreifen. Nur so ist zu erreichen, dass das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger weiterhin auf einem hohen Niveau bleibt. Die Frankfurter Polizei hat bereits seit August 2015 die polizeilichen Maßnahmen in diesem Bereich verstärkt und die verfügbaren Kräfte in einem Rahmeneinsatzkonzept gebündelt. Nachdem sich die Situation trotz der intensiven polizeilichen Maßnahmen im Bahnhofsgebiet nicht verbesserte , wurden im November 2016 die polizeilichen Maßnahmen nochmals erhöht und hierfür eine besondere Aufbauorganisation der Polizei eingerichtet. Ziel ist, die Kriminalität im Bahnhofsviertel einzudämmen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken. Zwischenzeitlich wurden die polizeilichen Maßnahmen in die Allgemeine Aufbauorganisation übernommen. Nähere Ausführungen dazu sind der folgenden Fragenbeantwortung zu entnehmen . Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz wie folgt: Frage 1. Hat die Landesregierung Kenntnis von der Situation im Bereich des Konsumraums in der Niddastraße 49 im Frankfurter Bahnhofsviertel? Das HMdIS steht in einem engen Kontakt und Informationsaustausch mit dem örtlich zuständigen Polizeipräsidium Frankfurt am Main. Somit ist die besondere Situation des Bahnhofsviertels und des angrenzenden Umfeldes der dortigen Konsumräume bekannt. Frage 2. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung im Bereich dieses speziellen Brennpunktes kurzund mittelfristig umsetzen? Die Landesregierung hat bereits in der Vergangenheit ein besonderes Augenmerk auf die Situation am und um den Frankfurter Hauptbahnhof gelegt. Nach der Zunahme des öffentlichen Drogenkonsums mit seinen entsprechenden Begleiterscheinungen, dem erheblichen Anstieg von Straftaten aus dem Bereich der Straßenkriminalität sowie einer daraus resultierenden massiven Beschwerdelage wurde schließlich am 23.11.2016 die Besondere Aufbauorganisation (BAO) Bahnhofsgebiet eingerichtet. Diese arbeitete über ein Jahr lang konsequent und erfolgreich im Frankfurter Bahnhofsgebiet. Zur weiteren Festigung des Erreichten und zur nachhaltigen Ver- Eingegangen am 9. Mai 2018 · Bearbeitet am 9. Mai 2018 · Ausgegeben am 14. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6145 09. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6145 besserung der Situation im Frankfurter Bahnhofsviertel war eine Fortsetzung dieser intensiven und umfangreichen polizeilichen Maßnahmen über den Bestand der zeitlich begrenzten BAO Bahnhofsgebiet hinaus erforderlich. Diesem Erfordernis kam das Polizeipräsidium Frankfurt am Main mit der Überführung der BAO Bahnhofsgebiet in die Allgemeine Aufbauorganisation (AAO) des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main und der damit einhergehenden Gründung einer neuen Dienststelle - D 100 / REE (Regionale Einsatz- und Ermittlungseinheit) - zum 01.12.2017 nach. Organisatorisch ist die neue Dienststelle bei der Direktion Mitte (D 100) angebunden. Herausragende polizeiliche Ziele der neuen Dienststelle sind dabei die Bekämpfung der "Straßendealer " sowie die Eindämmung entsprechender Begleiterscheinungen von Gewalt- und Eigentumskriminalität im gesamten Bahnhofs- und dem unmittelbar angrenzenden Stadtgebiet. Beispielhaft für das entschlossene Vorgehen der Polizei war jüngst die Durchsuchung zahlreicher Objekte im Frankfurter Bahnhofsgebiet und die Vollstreckung von Haftbefehlen durch das Polizeipräsidium Frankfurt am Main am 05.04.2018. Parallel wurden umfangreiche polizeirechtliche Kontrollen im Umfeld sowie in weiteren Objekten durchgeführt. Insgesamt waren hierbei über 300 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Einsatz und auch Kräfte des Spezialeinsatzkommandos eingebunden. Drogenspürhunde kamen ebenfalls zum Einsatz. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen konnten 60.000 € Bargeld, rund 10.000 € Falschgeld, 25 kg Heroin, 3,8 kg Marihuana, 1,6 kg Kokain und 700 g Crack sichergestellt werden. Insgesamt wurden bei den begleitenden Maßnahmen 150 Personen kontrolliert. 26 Personen wurden vorläufig bzw. aufgrund vorliegender Haftbefehle festgenommen. Frage 3. Ist der Betreiber des Konsumraums in der Niddastraße 49, der Integrative Drogenhilfe e.V., von den öffentlichen Trägern auf die Situation hingewiesen worden und zu einer Verbesserung aufgefordert worden? Bitte aufschlüsseln, wann und von welchem Träger entsprechende Hinweise ergangen sind? Das Polizeipräsidium Frankfurt am Main steht im Rahmen der sogenannten "Montagsrunde" und der OSSIP-Runde (Konzeption OSSIP - "Offensive - Sozialarbeit - Sicherheit - Intervention - Prävention") auf Leitungs- und Arbeitsebene im regelmäßigen Austausch mit den Betreibern der Drogenhilfseinrichtungen, bei denen die Situation und Entwicklung im gesamten Bahnhofsgebiet ständig besprochen und neu bewertet wird. Darüber hinaus hat das Polizeipräsidium Frankfurt am Main bei der Direktion Mitte - D 100 / REE - die Funktion eines OSSIP - Koordinators implementiert, der unabhängig von den regelmäßigen Gesprächsrunden den engen Kontakt mit den Drogenhilfseinrichtungen pflegt und als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Zur Verbesserung insbesondere der Situation vor der Drogenhilfseinrichtung in der Niddastraße wird die Stadt Frankfurt auf Anregung des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main voraussichtlich im April 2018 einen Nachtaufenthaltsraum für Drogenabhängige im Bahnhofsviertel eröffnen. Frage 4. Wie viele Anzeigen sind von Anwohnern und Gewerbetreibenden in den Jahren 2016 und 2017 in Bezug auf Kriminalität im Zusammenhang mit Drogen gestellt worden? Bitte aufschlüsseln nach Tatbeständen und Verfahrensausgang. In der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird die erweiterte Rolle eines Anzeigenerstatters (z.B. Anwohner oder Gewerbetreibender) nicht erfasst, weswegen keine belastbaren Zahlen vorhanden sind. In Zusammenhang mit der Drogenkriminalität kann angeführt werden, dass der Großteil der Anzeigen durch eigene Wahrnehmungen und Ermittlungen von Polizeibeamten generiert wird. Natürlich gibt es ebenfalls Hinweise und Beschwerden aus der Bevölkerung, die Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelkriminalität, sowohl den Konsum als auch den Handel, beinhalten. Bei den Hinweisgebern handelt es sich nicht nur um Anwohner und Gewerbetreibende , sondern auch um Berufspendler, die das Bahnhofsgebiet durchqueren sowie Touristen , die sich im Bahnhofsgebiet aufhalten. Bei konkreten Anhaltspunkten geht die Polizei den Hinweisen nach, leitet Ermittlungsverfahren ein und veranlasst Maßnahmen zur Gefahrenabwehr , um die Sicherheit im Bahnhofsgebiet zu gewährleisten. Mit Gewerbetreibenden steht die Polizei in einem konstruktiven Austausch und beteiligt sich an Gesprächsrunden. Ziel ist es, durch ein funktionierendes nachbarschaftliches Netzwerk die Sozialkontrolle in kriminalitätsbelasteten Bereichen zu erhöhen und die damit einhergehende Verdrängung der "Dealer-Szene" zu bewirken. Des Weiteren sollen die polizeilichen Maßnahmen transparent dargestellt und Vorurteile abgebaut werden. In den Jahren 2016 und 2017 kam es immer wieder zu Beschwerden von Gewerbetreibenden, Hoteliers und Unternehmen über aggressive Drogenkonsumenten und Drogenhändler im Bereich ihrer Liegenschaften. Konkrete Straftaten lagen dieser Informationslage häufig nicht zu Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6145 3 Grunde, sondern es handelte sich um eine Umschreibung der Allgemeinsituation in Bezug auf Drogenkriminalität im Umfeld ihrer Objekte. Im Rahmen des polizeilichen Beschwerdemanagements wurde mit diesen Gruppierungen Kontakt aufgenommen und es wurden Gespräche geführt, die im Ergebnis zu einer Verstärkung der offenen, polizeilichen, Kontrollen sowie dem gezielten Einsatz von verdeckten Zivilkräften führten. Weiterhin wurden präventive Hilfsangebote (z.B. Gewalt Sehen und Helfen - Mit Alltagssituationen im Bahnhofsgebiet besser umgehen ), in Kooperation mit anderen Präventionspartnern, den Anwohnern und Gewerbetreibenden unterbreitet. Diese sind positiv aufgenommen und vereinzelt durchgeführt worden. Frage 5. Wie viele Strafverfahren sind in den Jahren 2016 und 2017 in Bezug auf Kriminalität im Zusammenhang mit Drogen im Bahnhofsviertel eingeleitet und durchgeführt worden? Bitte aufschlüsseln nach Tatbeständen und Verfahrensausgang. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die Auswertung der PKS 2016 und 2017. Für die Erhebung sind die Stadteile Bahnhofsviertel, Gallusviertel und Gutleutviertel berücksichtigt worden. Dabei wurden die Tatbestände in Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz erhoben . Im Jahr 2016 wurden durch die Polizei insgesamt 4.093 Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingeleitet und nach erfolgten Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Weiterhin wurden 388 Strafanzeigen gegen unbekannt generiert. Dabei handelt es sich um aufgefundene Betäubungsmittel (Fund-BtM), die nicht eindeutig zugeordnet werden konnte. Im Jahr 2017 wurden durch die Polizei insgesamt 4.898 Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingeleitet und nach erfolgten Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Weiterhin wurden 568 Strafanzeigen gegen unbekannt generiert. Dabei handelt es sich um aufgefundene Betäubungsmittel (Fund-BtM), die nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. In den justiziellen Statistiken werden Verfahren mit Bezug zur Kriminalität im Zusammenhang mit Drogen im Frankfurter Bahnhofsviertel oder in einzelnen Frankfurter Stadtteilen nicht separat erfasst. Da es keine sogenannte Verlaufsstatistik gibt, können auch keine statistisch belastbaren Aussagen zum Ausgang der in der PKS erfassten Verfahren getroffen werden. Frage 6. Wie viele Polizistinnen und Polizisten werden derzeit im Bahnhofsviertel eingesetzt? Für das Bahnhofsgebiet sind originär zwei Dienststellen des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main zuständig: Das 4. Polizeirevier (Bahnhofsgebiet, Gutleutviertel, Gallusviertel und Teile des Europaviertels Personal (Stand März 2018): 80 Beamte/ - innen im Wach- und Wechselschichtdienst 20 Beamte/ - innen im Tagesdienst (Revierleitung und Ermittlungsgruppe) D 100 / REE Personal (Stand März 2018): 137 Beamte/- innen Darüber hinaus werden temporär Kräfte der Hessischen Bereitschaftspolizei, je nach Verfügbarkeit und Zuweisung durch das Landespolizeipräsidium zur Unterstützung entsandt. Diese zusätzlichen Kräfte werden unter Führung von D 100 / REE an Brennpunkten im Bahnhofsgebiet eingesetzt. Frage 7. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung zur Beseitigung der Müllproblematik im Bahnhofsviertel ergreifen? Die Straßenreinigung fällt in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Frankfurt am Main. Auf Initiative des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main stellte die Stabsstelle Sauberes Frankfurt den Unfallhilfewagen der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) zur Verfügung. Dieser ist auf Anforderung rund um die Uhr verfügbar und steht somit für kurzfristige, bedarfsorientierte Reinigungsmaßnahmen zur Verfügung. Der Unfallhilfewagen der FES wird ebenfalls schwerpunktmäßig für die Beseitigung von Sperrmüll im Bereich der Drogenhilfseinrichtungen eingesetzt. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6145 Frage 8. Wird die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass die Begehung von Straftaten insbesondere vor der Einrichtung in der Niddastraße unterbunden wird? Das Polizeipräsidium Frankfurt am Main hat sich mit der Gründung einer neuen Dienststelle - D 100 / REE - konzeptionell neu ausgerichtet und sich auf die Gegebenheiten im Bahnhofsgebiet noch besser eingestellt. Die polizeilichen Ziele, wozu auch die Unterbindung von Straftaten in besonders belasteten Bereichen zählt, werden auch zukünftig konsequent verfolgt. Frage 8. a) Wenn Nein: Warum nicht? b) Wenn Ja: Warum bisher nicht? Wie in den vorherigen Fragen ausführlich beantwortet, wurden auch in der Vergangenheit Strafverfolgung und gefahrenabwehrende Maßnahmen durch die Polizei und ihre Sicherheitspartner im Bahnhofsgebiet gewährleistet. Wiesbaden, 26. April 2018 Peter Beuth