Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 08.03.2018 betreffend Gemeinnützigkeit "Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V." und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Nach Medienberichten steht der eingetragene und als gemeinnützig anerkannte Verein Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. seit Jahren unter Beobachtung des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz . In einem Verfassungsschutzbericht soll der angesprochene Verein als "aktuell bedeutendste islamistische Organisation in Wiesbaden" eingestuft worden sein und einen "verfassungsfeindlichen und integrationshemmenden Einfluss" nehmen. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Der Moscheeverein Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. (Vahdet Moschee) wurde im Februar 2005 gegründet und ist seit 15. März 2005 im Vereinsregister des Amtsgerichts (AG) Wiesbaden eingetragen; seine Räumlichkeiten befinden sich in der Helenenstraße 26 in Wiesbaden. Die Vahdet Moschee ist ein wichtiger Stützpunkt der Türkischen Hizbullah (TH) in Deutschland . Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten TH ist die Abschaffung des laizistischen Staatssystems in der Türkei, die Errichtung eines islamistischen Staates und dessen kontinuierliche , letztlich globale Ausweitung. Zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH die Anwendung von Gewalt für gerechtfertigt. Die Organisation nutzt Deutschland als Rückzugsraum zur Gewinnung neuer Mitglieder, für Spendensammlungen und zur Veranstaltung religiöser und kultureller Treffen. Der Verfassungsschutzverbund beobachtet die TH als Organisation. Die Formulierung, der Verein Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. sei die "aktuell bedeutendste islamistische Organisation in Wiesbaden" stammt indes nicht aus einem Verfassungsschutzbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen (LfV Hessen). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen wie folgt: Frage 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi -Vahdet e.V.? Frage 2. Wird der Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. vom hessischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Verbindungen der Vahdet Moschee zur TH lassen sich über handelnde Akteure, die dort vertretene Ideologie, ausgelegte Publikationen, genutzte Symbolik und die Ausrichtung mehrerer Veranstaltungen belegen. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft (StA) Frankfurt am Main wurde 2008 beim Polizeipräsidium Westhessen ein Ermittlungsverfahren gegen maßgebliche Personen der TH wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB geführt. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde bekannt , dass sich im Raum Wiesbaden wohnende TH-Mitglieder bzw. -Unterstützer in der Vahdet Moschee organisiert hatten. Des Weiteren wurden direkte Kontakte zu der Europafüh- Eingegangen am 9. Mai 2018 · Bearbeitet am 9. Mai 2018 · Ausgegeben am 14. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6152 09. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6152 rung der TH in der Schweiz festgestellt. Das Verfahren wurde in 2011 durch die StA Frankfurt am Main nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zu dem seit dem Jahr 2017 in der Vahdet Moschee tätigen Imam liegen Erkenntnisse vor, dass es sich bei ihm um einen Anhänger bzw. Sympathisanten der TH und deren Zielen handelt. Im Umfeld des Moscheevereins wurden bis Sommer 2017 TH-nahe Publikationen wie die Wochenzeitung Doğru Haber ("Wahre Nachricht"), das Monatsmagazin İnzar ("Warnung"), das Kindermagazin Ҫoçuk ("Kind") und die Monatszeitschrift "Nisanur" (sinngemäß "Licht der Frauen") ausgelegt oder gegen geringes Entgelt verkauft. Diese Magazine weisen zahlreiche antisemitische, antiisraelische, antiamerikanische, demokratiefeindliche und das Märtyrertum verherrlichende Inhalte auf. Alle Magazine werden in der Türkei gedruckt und nach Deutschland verschickt - meist direkt an die Privatadressen von Abonnenten. Folgende Veranstaltungen der Vahdet Moschee, die Bezüge zur TH aufweisen, sind hervorzuheben : Jährliches Märtyrergedenken für den TH-Gründer Hüseyin Velioğlu am 17. Januar Am 17. Januar feiern TH-Anhänger Gedenkveranstaltungen für den TH-Gründer Hüseyin Velioğlu - so auch regelmäßig in der Vahdet-Moschee Wiesbaden. Der TH-Gründer Hüseyin Velioğlu wurde am 17. Januar 2000 bei einem polizeilichen Zugriff (sog. Operation "Beykoz" der türkischen Polizei) in einer mehrstündigen Schießerei erschossen und wird seitdem als Märtyrer verehrt. Die Wiesbadener Gedenkveranstaltung stellt ein eindeutiges Bekenntnis zur TH dar. Bemerkenswert ist, dass die Veranstaltung auch von etlichen Kindern und Jugendlichen besucht wird. Die Gedenkveranstaltung für Velioğlu ist eine unverhohlene Werbung für die TH, für die Islamisierung der Gesellschaft und für das vermeintlich erstrebenswerte Märtyrertum. Der damalige Imam der Vahdet Moschee traf laut Medienbericht auf der TH-nahen Webseite www.hurseda.net (Artikel vom 20. Januar 2016) auf der Gedenkveranstaltung am 17. Januar 2016 in der Wiesbadener Moschee folgende Aussage: "Unsere Aufgabe besteht darin, uns für die Sache einzusetzen und sie fortzusetzen. [...] Ist dieser Kampf durch den Tod des letzten Propheten Mohammed unterbrochen worden? Natürlich nicht. [...] Neben vielen Märtyrern, die keine anderen Ziele hatten, als die erneute Einführung der Religion Allahs und die Erlangung des Willen Allahs, haben auch der Märtyrerführer Hüseyin Velioğlu und seine Weggefährten alles für Gott gegeben und gingen zu Gott. Sie haben ihre Aufgabe mehr als genug ausgeführt und ihren Wunsch erfüllt bekommen. Unsere Aufgabe besteht darin, ihre Sache dort, wo sie aufgehört haben, zu übernehmen, sie fortzusetzen." Die Aussage wurde auch im Verfassungsschutzbericht 2016 des LfV Hessen veröffentlicht. Zentrale Europaveranstaltungen ("Kutlu Doğum" - Veranstaltungen) der TH Anlässlich der Geburt des Propheten Mohammed führt die TH jährlich sogenannte "Kutlu Doğum "-Veranstaltungen ("Heilige Geburt") durch. Diese Veranstaltungen dienen der Zusammenkunft von TH-Angehörigen und als Gelegenheit, niederschwellig in Kontakt mit Personen ohne TH-Bezug treten zu können und sie ggf. für die Organisation gewinnen zu können. Dabei sind die Veranstaltungsinhalte nicht extremistisch und lassen auch keine Verbindung zur TH erkennen . Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht des LfV Hessen 2016: "Am 27. März übernahm der Verein (ergänzt: gemeint ist der Trägerverein der Vahdet Moschee, Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi - Vahdet e.V.) die wesentliche Organisation und Mitgestaltung der jährlich stattfindenden zentralen Feier der TH anlässlich der Geburt des Propheten Mohammed in Hofheim am Taunus (Main-Taunus-Kreis). Hatten die Kutlu Doğum-Veranstaltungen in Hessen bislang meist regionalen Charakter, so war die diesjährige Feier mit prominenten TH-Rednern hochkarätig besetzt. Hunderte Personen aus dem TH-Spektrum waren (u.a.) aus Frankreich, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Belgien und Großbritannien angereist." Ehrengast und Redner auf der Veranstaltung war Reza Ramezani, Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), der in der schiitischen Community als der Statthalter des iranischen Revolutionsführers Khamenei gilt. Anwesend war auch Mahmoud Khalilzadeh, Vorsitzender der vom IZH beeinflussten Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V. (IGS). Die IGS mit Sitz in Hamburg ist ein Dachverband der schiitischen Muslime Deutschlands. Ihr Ziel ist es, die Interessen der Schiiten in Deutschland gesellschaftlich und politisch zu vertreten. Auch im Jahr 2017 organisierte die Vahdet Moschee Wiesbaden wieder die zentrale europaweite Kutlu Doğum-Veranstaltung der TH, die wiederum in Hofheim-Wallau stattfand. Die Veranstaltung war mit mehreren hundert Besuchern aus dem In- und Ausland wieder gut besucht. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6152 3 Die Tatsache, dass die Wiesbadener Moscheegemeinde die hochkarätig besetzte Europaveranstaltung der TH zweimal hintereinander wesentlich mitorganisierte und mitgestaltete, unterstreicht ihre Bedeutung für die TH als Organisation. Der Moscheeverein kann als eine gut besuchte Moschee eingestuft werden, die stetigen Zulauf erfährt und sich nach außen hin als integrative Kraft darstellt, tatsächlich aber konsequent im Sinne der TH agiert. Sie wird insgesamt als extremistisches Objekt bewertet. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. Frage 3. Ist dem Verein Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. die Gemeinnützigkeit nach den §§ 51 bis 68 Abgabenordnung (AO) zuerkannt? Frage 4. Wenn die Frage mit ꞌjaꞌ beantwortet wird, gibt es Bestrebungen, dem Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. die Gemeinnützigkeit abzuerkennen? Frage 5. Ist der Verein Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. als extremistische Organisation im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO eingestuft? Frage 6. Falls die Frage 4 mit ꞌneinꞌ beantwortet wird, wie legt die Landesregierung § 51 Abs. 3 Satz 2 AO in Verbindung mit § 51 Abs. 3 Nr. 10 Satz 2 AEAO aus? Frage 7. Welchen Gemeinnützigen Zweck im Sinne der AO verfolgt der Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V.? Frage 8. Gibt es Bestrebungen den Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma Dernegi-Vahdet e.V. nach dem Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (VereinsG) zu verbieten? Die Fragen 3 bis 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Wegen der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 der Abgabenordnung (AO) können zu den persönlichen Verhältnissen von Vereinen, hierzu gehören auch Informationen über die An- und Aberkennung der Gemeinnützigkeit, keine Auskünfte erteilt werden. Maßnahmen im Rahmen des Vereinsrechts können ebenfalls nicht öffentlich erörtert werden. Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinnützigkeit nach § 51 Abs. 3 Satz 1 AO voraussetzt, dass ein Verein nach seiner Satzung sowie der tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Schädlich sind danach unter anderem Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung der Gemeinnützigkeit von Vereinen gehen die Finanzämter - in enger Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden - daher stets auch Hinweisen nach, die auf eine verfassungswidrige Tätigkeit von Vereinen hindeuten. Liegen entsprechende , dem Verein zurechen- und nachweisbare Erkenntnisse vor, verweigert das Finanzamt die Anerkennung der Gemeinnützigkeit oder erkennt diese nachträglich ab. Wiesbaden, 26. April 2018 Peter Beuth