Kleine Anfrage der Abg. Decker, Frankenberger, Hofmann und Rudolph (SPD) vom 13.03.2018 betreffend langwieriges Verfahren gegen Finanzbeamten in Hessen und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragesteller: Laut "HNA" vom 01.02.2018 wurde viereinhalb Jahre gegen einen Finanzbeamten aus Kassel wegen des Verdachts der Bestechlichkeit sowie Steuerhinterziehung ermittelt. Ende Februar 2017 habe die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Ob in diesem Jahr über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden werde, stehe noch nicht fest. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Das Verfahren geht auf eine bei der Staatsanwaltschaft Kassel am 15. Januar 2013 eingegangene anonyme Anzeige zurück. Die Staatsanwaltschaft Kassel hat berichtet, dass der Verfahrenskomplex insgesamt 179 Steuerpflichtige umfasst. Bei zahlreichen Steuerpflichtigen seien - in gesonderten Verfahren - Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt und vollstreckt worden. Die umfangreichen Ermittlungen, insbesondere der Steuerfahndung, hätten sich aufgrund der komplexen Beweislage und der großen Menge an auszuwertenden Beweismitteln sehr zeitintensiv gestaltet. Die Ermittlungen habe man im Dezember 2016 abschließen können. Die Ermittlungsergebnisse in den gegen die einzelnen Steuerpflichtigen geführten Verfahren seien für einen Abschluss der Ermittlungen im Verfahren gegen den Finanzbeamten vorgreiflich gewesen. Nachdem die Ermittlungen in jenen Verfahren abgeschlossen worden seien, sei dem Verteidiger des Finanzbeamten noch eine Frist zur Stellungnahme bis Ende Januar 2017 eingeräumt worden . Die Anklageschrift sei am 22. Februar 2017 fertiggestellt worden. Sie umfasse 236 Seiten, dem Angeschuldigten würden darin insgesamt 217 Taten vorgeworfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Verfahrenskomplex wiederholt mitgeteilt, dass sie die Verfahren als sachgerecht gefördert ansieht. Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und ggf. über eine Terminierung der Hauptverhandlung obliegt dem zuständigen Gericht im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit . Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wann ist das Ermittlungsverfahren im in der Vorbemerkung benannten Fall genau eingeleitet worden? Wie in den Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz bereits ausgeführt, geht das Ermittlungsverfahren auf eine am 15. Januar 2013 bei der Staatsanwaltschaft Kassel eingegangene anonyme Anzeige zurück. Frage 2. Wie ist der derzeitige Sachstand des Zwischenverfahrens? Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kassel ist am 24. Februar 2017 beim Landgericht Kassel eingegangen. Das Gericht hat bisher noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden. Eingegangen am 30. April 2018 · Bearbeitet am 30. April 2018 · Ausgegeben am 4. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6169 30. 04. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6169 Frage 3. Wann ist mit der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu rechnen? Sowohl der Inhalt als auch der Zeitpunkt einer gerichtlichen Entscheidung unterliegen grundsätzlich der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit. Aus Respekt vor der richterlichen Unabhängigkeit gibt die Landesregierung grundsätzlich keine Stellungnahme dazu ab, wann mit einer gerichtlichen Entscheidung in einem bestimmten Verfahren zu rechnen ist. Frage 4. Wie viele und welche Fälle in der hessischen Justiz sind der Landesregierung bekannt, in denen bereits das Ermittlungsverfahren länger als 1 Jahr andauerte? Bitte aufschlüsseln nach Fall und Dauer. Die Statistik weist für die Jahre 2014 bis 2017 - jeweils zum Stichtag des 31. Dezember - folgende Daten für sämtliche erledigten Ermittlungsverfahren des staatsanwaltschaftlichen Geschäftsbereiches aus: Verfahrensdauer 2014 2015 Anzahl Erl. Anteil in % Anzahl Erl. Anteil in % bis 6 Monate 328.490 92,9 335.733 92,6 6 bis 12 Monate 18.297 5,2 19.960 5,5 länger als 12 Monate 6.760 1,9 7.006 1,9 Gesamt 353.547 100 362.699 100 Verfahrensdauer 2016 2017 Anzahl Erl. Anteil in % Anzahl Erl. Anteil in % bis 6 Monate 360.236 92,3 355.965 92,0 6 bis 12 Monate 22.171 5,7 22.978 5,9 länger als 12 Monate 7.690 2.0 8.144 2,1 Gesamt 390.097 100 387.087 100 Dem Geschäftsbereich der Justiz ist es technisch nicht möglich, die Sachverhalte der einzelnen Ermittlungsverfahren und deren konkrete Dauer entsprechend der Fragestellung automatisiert auszuwerten. Von einer händischen Auswertung jedes einzelnen Falles sowie einer anschließenden statistischen Auswertung wurde aufgrund des damit einhergehenden erheblichen Verwaltungsaufwandes für den Geschäftsbereich abgesehen; eine solche händische Auswertung wäre außerdem in absehbarer Zeit auch nicht leistbar gewesen. Frage 5. Wie bewertet die Landesregierung die Langwierigkeit hessischer Strafverfahren, die ja im Widerspruch zum eigenen Anspruch steht, einen sicheren und funktionierenden Rechtsstaat gewährleisten zu wollen? Ein solcher Widerspruch ist aus Sicht der Landesregierung nicht gegeben. In den letzten Jahren wurden konstant jeweils rund 92 % aller Ermittlungsverfahren innerhalb der ersten sechs Monate nach deren Einleitung erledigt und rund 98 % innerhalb eines Jahres. Generell kann die Dauer der verbleibenden rund 2 % der Verfahren verschiedene Ursachen wie beispielsweise einen großen Umfang bzw. eine hohe Komplexität haben, aber auch auf andere, von den Ermittlungsbehörden wenig beeinflussbare Umstände zurückzuführen sein, wie zum Beispiel ein unbekannter Aufenthalt eines Beschuldigten oder eines wichtigen Zeugen. Aus Sicht der Landesregierung sollte ein Rechtsstaat nicht nur den Abschluss eines Ermittlungsverfahrens in angemessener Zeit garantieren, sondern auch sorgsame und ausgewogene Ermittlungen. Wiesbaden, 23. April 2018 Eva Kühne-Hörmann