Kleine Anfrage der Abg. Geis und Kummer (SPD) vom 26.03.2018 betreffend stufenfreie und barrierefreie Bahnhöfe im Kreis Groß-Gerau und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Laut der Allianz pro Schiene sind mittlerweile fast 80 % der deutschen Bahnhöfe stufenfrei. In Hessen sind allerdings nur 66 % der 429 Bahnhöfe stufenfrei. Hessen schafft es mit diesem Wert nur auf Platz 15 der 16 Bundesländer. Stufenfreie Bahnhöfe nutzen Menschen mit Behinderungen, Müttern oder Vätern mit Kinderwagen , Fahrradfahrern, Reisenden mit schwerem Gepäck und älteren Reisenden, so die Allianz pro Schiene. Laut der Deutschen Bahn umfasst Barrierefreiheit an Bahnstationen darüber hinaus eine Vielzahl von Aspekten der Informationen, des Service und der baulichen Gestaltung des Bahnhofes. Im Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) § 4 Barrierefreiheit heißt es: "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme und Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig." Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Bahnhöfe und Stationen in Hessen sind in der Regel Eigentum der DB Station & Service AG. Sie ist daher für die Planung und Ausführung des barrierefreien Ausbaus zuständig. Die Finanzierung liegt gemäß Art. 87e Abs. 4 Grundgesetz in der Verantwortung des Bundes. Der Bund stellt der DB Station & Service AG Bundesmittel aus dem Budget der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zur Verfügung. Die aus diesem Budget vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel haben jedoch nicht die Barrierefreiheit als Vorgabe, sondern den Bestandserhalt der Bahnhöfe. Insofern werden seitens des Bundes bezogen auf die Barrierefreiheit fehlende oder falsche Anreize gesetzt. Das Land Hessen wird daher im Rahmen der nun beginnenden Verhandlungen zwischen Bund und Deutscher Bahn zur Ausgestaltung einer Nachfolgelösung der aktuellen LuFV II eine deutliche Anreizregelung zum barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen fordern, mit der zudem auch den Verpflichtungen des Bundes in finanzieller Hinsicht entsprochen wird. Die derzeit laufenden Planungen und baulichen Umsetzungen des barrierefreien Ausbaus von Verkehrsstationen in Hessen erfolgen auf Basis der "Rahmenvereinbarung über die Modernisierung und Qualitätsverbesserung von Personenbahnhöfen in Hessen (Laufzeit 2011 bis 2019)". Vor dem Hintergrund, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen, um die Bahnhöfe im gebotenen Tempo zu modernisieren und barrierefrei auszubauen, wurde von vielen Ländern eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, in der für die Planung und Realisierung der Vorhaben ein Finanzierungsmix vereinbart wurde. D.h. für den Ausbau und die Erweiterung bestehender Anlagen an Bahnhöfen, die über die Instandhaltung des Bahnhofs hinausgehen , wie beispielsweise der erstmalige Einbau von Fahrtreppen, Aufzügen und Rampen, beinhaltet der vereinbarte Finanzierungsmix eine Einbeziehung der Fördermittel des Landes und die Einbeziehung der Aufgabenträger des ÖPNV. In diesem vereinbarten mehrjährig getakteten Programm der DB Station & Service AG mit dem Land Hessen und den Aufgabenträgern (RMV, NVV, VRN) ist der Umfang, die Finanzierung und die Terminierung der Modernisierungsprojekte von Bahnhöfen antizipiert, um das verfügbare Budget der DB (LuFV II und Eigenmittel DB Station & Service AG) auf den Erneuerungs- und Ausbaubedarf abzustimmen. Dabei stellt sich die Finanzierung des einzelnen Bahnhofs - je nach Sanierungs- und Modernisierungsbedarf des Vorhabens - unterschiedlich dar. Diese bis 2019 laufende Rahmenvereinbarung sieht vor, dass mit einem jeweils rund hälftig von DB Station & Service AG einerseits und vom Land, den Verbünden und den lokalen Aufgabenträgern andererseits bereitgestellten Finanzvo- Eingegangen am 9. Mai 2018 · Bearbeitet am 9. Mai 2018 · Ausgegeben am 14. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6217 09. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6217 lumen von insgesamt 258 Mio. € rund 90 Verkehrsstationen u.a. mit neuen Bahnsteigen, Aufzügen und Rampen ausgestattet werden. Zudem hat der Bund im Jahr 2015 ein Sonderprogramm (Zukunftsinvestitionsprogramm ZIP) zum Umbau kleiner Bahnstationen mit weniger als 1000 Ein- und Aussteigern pro Tag gestartet. Die Landesregierung hat diese Chance ergriffen und zur Beschleunigung des Prozesses entschieden , die vom Bund geforderte hälftige Beteiligung an den Kosten im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern komplett durch das Land zu tragen. Dieser Schritt hat entscheidend dazu beigetragen, dass von den bundesweit 132 für dieses Programm angemeldeten Stationen der absolut höchste Anteil, nämlich 31 und damit fast ein Viertel der in diesem Programm finanzierten Umbauten, hessische Stationen betreffen, darunter auch die Stationen Biebesheim, Gernsheim und Stockstadt (Rhein). Die Liste der im Rahmen des ZIP geförderten Stationen ist der Antwort als Anlage angefügt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welches sind die Gründe für das schlechte Abschneiden Hessens bei stufenfreien Bahnhöfen? Wie viele Bahnhöfe im Kreis Groß-Gerau gibt es und wie viele sind stufenfrei oder barrierefrei? Frage 2. Wieviel wurde bisher investiert und von welcher Ebene, um die Bahnhöfe im Kreis Groß-Gerau stufenfrei oder barrierefrei zu machen? Bitte für jeden Bahnhof einzeln darstellen in Bezug auf Stufenfreiheit und Barrierefreiheit. Frage 3. Was wird die Landesregierung in den kommenden Jahren unternehmen, um den Nachholbedarf im Kreis Groß-Gerau aufzuarbeiten? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Hinsichtlich der genannten Statistik der Allianz Pro Schiene zur Stufenfreiheit von Verkehrsstationen in verschiedenen Bundesländern ist darauf hinzuweisen, dass die erstplatzierten Länder meistens über deutlich weniger Bahnstationen verfügen als Hessen. Bei der Interpretation der erwähnten Statistik ist außerdem relevant, dass Bundesländer mit überwiegend ländlichem Raum und einfachen bahnbetrieblichen Verhältnissen (z.B. viele eingleisige Strecken) im Hinblick auf die Stufenfreiheit Vorteile gegenüber bevölkerungsreichen Bundesländern haben. In Hessen, mit insgesamt etwa 500 Bahnhöfen der DB Station & Service AG, der Kurhessenbahn sowie der Hessischen Landesbahn und sowohl sehr ländlichem Raum als auch sehr verkehrsreichen Ballungszentren , ist die Herstellung von Stufenfreiheit ungleich schwieriger und aufwendiger. Der Landkreis Groß-Gerau verfügt über 18 Verkehrsstationen. Nach Mitteilung von DB Station & Service AG sind bereits heute 9 Stationen stufenfrei ausgebaut. Bei drei weiteren Stationen - Biebesheim, Gernsheim und Stockstadt (Rhein) - ist der barrierefreie Umbau in Umsetzung und wird noch im Laufe des Jahres 2018 fertiggestellt. Für die Station in Riedstadt-Goddelau bereitet die DB Station & Service den Umbau bis Ende 2020 vor, hier seien die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren Anfang dieses Jahres beim Eisenbahn -Bundesamt eingereicht worden. In Kelsterbach sei für 2019 der Einbau eines Aufzugs vorgesehen (erster Bauabschnitt). Die Umsetzung der Planungen zum gesamthaften Stationsumbau (zweiter Bauabschnitt: Neubau eines Mittelbahnsteiges) soll im Jahr 2021 beginnen. Für eine Station im Landkreis Groß-Gerau gebe es erste Gespräche zur Aufnahme der Planung. Hierbei handelt es sich um den Bahnhof Walldorf (Hessen). Hier habe es bereits mehrere Gespräche der DB Station & Service AG mit Vertretern der Kommune gegeben. Zurzeit werde mit der Stadt Mörfelden-Walldorf die genaue Ausgestaltung des Vorhabens erörtert. Für den Bahnhof Groß-Gerau hat die Stadt Interesse an einer Aufnahme der Planung bekundet. Bislang noch keine konkreten Ausbauvorhaben gebe es bezüglich der Stationen Rüsselsheim Opelwerk und Groß-Gerau Dornheim. Zur Gesamtinvestition im Landkreis durch Land, DB und Kommunen hat DB Station & Service AG mitgeteilt, dass in den vergangenen zehn Jahren etwa 19 Mio. € in die Verkehrsstationen im Landkreis investiert worden seien. Bis zum Jahr 2023 würden weitere ca. 37 Mio. € in die Modernisierung der Stationen fließen. Allein für die Vorhaben in Biebesheim, Gernsheim und Stockstadt (Rhein) seien rund 21 Mio. € als Investitionssumme erforderlich. Frage 4. Welche Aufgaben hat die Bundesebene, welche die Landesebene und welche die Standortkommunen , um Bahnhöfe stufenfrei und barrierefrei zu machen? Wie beurteilt die Landesregierung diese Aufgabenübernahme durch die Gemeinden vor dem Hintergrund der Abgrenzung freiwilliger zu Pflichtaufgaben? Frage 5. Sind Entlastungen für die Standortkommunen geplant, die sich an der Finanzierung beteiligen und wie sollen diese erfolgen? Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6217 3 Frage 7. Ist eine Änderung der Rahmenvereinbarung Hessen zur Modernisierung der Bahnhöfe erforderlich , um das Ziel der vollständigen Barrierefreiheit der hessischen Bahnhöfe zu erreichen? Frage 8. Was kann das Land tun, um die Barrierefreiheit an hessischen Bahnhöfen schneller umzusetzen? Wird sie sich für eine schnellere Umsetzung einsetzen? Die Fragen 4, 5, 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Finanzierungsbeteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften beruht auf der in der Vorbemerkung genannten Rahmenvereinbarung, die für den Zeitraum von 2011 bis 2019 geschlossen worden ist. Hintergrund hierfür ist, dass in Hessen die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV, gemäß dem Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr, bei den kommunalen Gebietskörperschaften in gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung mit den Verkehrsverbünden liegt. Die DB Station & Service AG hingegen finanziert im Grundsatz die Maßnahmenteile, die dem Bestandserhalt dienen. Zu den in diesem Zusammenhang bestehenden Forderungen des Landes an den Bund wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Um den barrierefreien Ausbau von Stationen bis zum Vorliegen der vom Bund und der Bahn in der Verhandlung befindlichen LuFV III voranzubringen, plant die Landesregierung - parallel zu der derzeit noch laufenden Rahmenvereinbarung II - mit der DB Station & Service AG und den Aufgabenträgern eine Vereinbarung abzuschließen, um bis zum Vorliegen der LuFV III einen Planungsvorrat für die Modernisierung von weiteren Stationen auf den Weg zu bringen. Auf diesem Wege sollen Mittel des Bundes, die im Rahmen von Sonderprogrammen oder durch die LuFV III zur Verfügung gestellt werden, unmittelbar für die bauliche Realisierung von Bahnhofsmodernisierungen eingesetzt und der barrierefreie Ausbau beschleunigt werden. Frage 6. Bis wann soll für alle Bahnhöfe im Kreis Groß-Gerau die Barrierefreiheit hergestellt werden? Nach dem derzeitigen Planungsstand werden von insgesamt 18 Stationen 13 Stationen bis 2020 modernisiert und damit über 90 % der Reisenden stufenfrei zum Bahnsteig gelangen. Die Station Kelsterbach wird 2019 einen Aufzug bekommen und mit der Umsetzung der Planung zum gesamthaften Stationsumbau soll im Jahr 2021 begonnen werden. Für zwei weitere Bahnhöfe gibt es Gespräche beziehungsweise ein Planungsinteresse. Zum Zeitpunkt der Herstellung der Barrierefreiheit (Niveaugleichheit von Bahnsteighöhe und Fahrzeugeinstieg) können derzeit keine Aussagen getroffen werden, da seitens des Bundes und der DB Station & Service AG ein neues Bahnsteighöhenkonzept zur Umsetzung gelangen soll. Das Bahnsteighöhenkonzept des Bundes sieht vor, an allen Hauptstrecken eine Bahnsteighöhe von 76 cm umzusetzen und bestimmt die Herstellung der Barrierefreiheit - die untrennbar mit den im Einsatz befindlichen Fahrzeugen steht - lediglich als Langfristziel. Mit Beschluss vom November 2017 hat die Verkehrsministerkonferenz den Bund gebeten, das Konzept zu überprüfen und einen Migrationspfad auf den Weg zu bringen, der dem gebotenen Maßstab der schnellstmöglichen Herstellung der Barrierefreiheit entspricht. Wiesbaden, 30. April 2018 Tarek Al-Wazir Anlage Anlage KLA 19/6217Liste der im Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP) angemeldeten Stationen im Land HessenAuringen-Medenbach Kirch GönsBad Arolsen KorbachBaunatal-Guntershausen Korbach-SüdBensheim-Auerbach* LehnheimBiebesheim MandernBiedenkopf MengeringhausenBorken (Hess) MesselBruchköbel Oestrich-WinkelDarmstadt Süd Ostheim (b Butzbach)Fritzlar SterzhausenFuldatal-Ihringshausen Stockstadt (Rhein)Gernsheim UngedankenGießen Erdkauter Weg WeiterstadtGoßfelden Wiesbaden-ErbenheimGroß-Rohrheim* Wölfersheim-SödelHadamar* Der Projektzuschnitt des barrierefreien Ausbaus und die Finanzierung wurden zwischenzeitlich geändert.