Kleine Anfrage des Abg. Grüger (SPD) vom 26.03.2018 betreffend Razzia gegen rechtsextreme Szene im Lahn-Dill-Kreis und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Am 23.01.2018 wurde eine gemeinsame Pressemeldung der Polizeidirektion Lahn-Dill und der Staatsanwaltschaft Frankfurt veröffentlicht, der zufolge vier Tatverdächtige aus der rechtsextremen Szene wegen verschiedener Vorwürfe vorläufig festgenommen worden seien. Laut der Pressemitteilung ermitteln die Behörden seit Anfang des Jahres 2017 "wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz, gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie wegen des Straftatbestandes der 'Bildung einer kriminellen Vereinigung '". In den darauffolgenden Tagen berichteten dann der Hessische Rundfunk und die Frankfurter Rundschau darüber, dass es sich mutmaßlich um die Gruppierung "Berserker Lahn-Dill" handeln soll, deren mittelhessischer Ableger rund 100 Mitglieder umfasse. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, wird die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz wie folgt beantwortet: Frage 1. Welche Informationen über die Gruppierung, die in den Medien als "Berserker Lahn-Dill" genannt wird, liegen der Landesregierung vor? Die "Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill" sind eine rechtsextremistische Gruppierung, deren Aktivitätsschwerpunkt der Lahn-Dill-Kreis bildet. Gemäß den hessischen Sicherheitsbehörden vorliegenden Erkenntnissen umfasst der enge Kreis der Gruppierung eine Mitgliederzahl im einstelligen Bereich; die Gruppierung trat durch ihr uniformiertes Erscheinungsbild bei demonstrativen Veranstaltungen insbesondere im Lahn-Dill-Kreis in Erscheinung. Die Staatsanwaltschaft Limburg a.d. Lahn hat seit März 2017 gegen zwei Mitglieder der "Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill" jeweils ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Betäubungsmittelgesetz geführt . Aufgrund der in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse hat die Staatsanwaltschaft Limburg sodann gegen diese beiden Personen sowie drei weitere Beschuldigte ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB eingeleitet und dieses Verfahren an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main abgegeben, wo es seit Anfang September 2017 geführt wird. Auch die beiden erstgenannten Verfahren wurden an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main abgegeben. Die Beschuldigten sind dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. Zudem sind diese in der Vergangenheit u.a. mehrfach wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und Gewaltdelikten polizeilich in Erscheinung getreten. Am 23. Januar 2018 erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen. Unmittelbar im Nachgang der Exekutivmaßnahmen vom 23. Januar 2018 gab die Gruppierung ihre Auflösung bekannt. Frage 2. Welche Verbindungen dieser Gruppierung zu anderen rechtsextremen Parteien, Gruppierungen oder Einzelpersonen sind der Landesregierung bekannt? Die Gruppierung war in die partei-/organisationsgebundene und subkulturelle rechtsextremistische Szene sowie in die neonazistische Kameradschaftsszene vernetzt. Eingegangen am 25. Mai 2018 · Ausgegeben am 30. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6220 25. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6220 Frage 3. In welchem Zusammenhang steht diese Gruppierung nach Kenntnis der Landesregierung zur Gruppe "Haiger steht auf" bzw. "Haiger passt auf", die im April und Juni 2016 einen Aufmarsch und eine Kundgebung in Haiger durchgeführt hat? Bei "Haiger steht auf" und "Haiger passt auf" handelte es sich um zwei Demonstrationen, die am 29. April 2016 ("Haiger steht auf") und am 22. Juni 2016 ("Haiger passt auf") in Haiger stattgefunden haben. Bei der Veranstaltung "Haiger steht auf" unter dem Motto "Wir demonstrieren friedlich für unsere Zwecke gegen Masseneinwanderung, Extremismus von rechts, links und religiös begründet und die Verarmung und Vernachlässigung unseres Landes" trat der mutmaßliche Anführer der genannten Gruppierung "Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill" als Redner auf. Bei der Demonstration "Haiger passt auf" unter dem Motto "Wir demonstrieren friedlich für unsere Zwecke gegen Masseneinwanderung, Extremismus von rechts, links und religiös begründet und die Verarmung und Vernachlässigung unseres Landes und gegen Krieg mit Russland " trat die vorbezeichnete Person als Anmelder der Veranstaltung auf. Weitere Mitglieder konnten als Teilnehmer an diesen Veranstaltungen festgestellt werden. Ferner besteht unter dem Namen "Haiger steht auf" ein asylfeindlicher Facebook-Auftritt. Das Facebook-Profil "Haiger passt auf" existiert zwischenzeitlich nicht mehr. Frage 4. Ist es richtig, dass einer der vorläufig festgenommenen Anführer der Gruppierung mehrere Demonstrationen in Mittelhessen angemeldet hat? Falls ja, bitte nach Ort und Datum und Anzahl der Teilnehmer aufschlüsseln. Ja, das ist zutreffend. Hierbei handelte es sich um folgende Demonstrationen: Ort Datum Veranstaltung Teilnehmerzahl Haiger 22.06.2016 Demonstration "Haiger passt auf" unter dem Motto "Wir demonstrieren friedlich für unsere Zwecke gegen Masseneinwanderung, Extremismus von rechts, links und religiös begründet und die Verarmung und Vernachlässigung unseres Landes und gegen Krieg mit Russland" 30 bis 50 Dillenburg 01.12.2016 Demonstration unter dem Motto "Wir demonstrieren friedlich für unsere Zwecke, für die Zukunft unserer Kinder" 35 bis 50 Wetzlar 22.04.2017 "Für die Zukunft unserer Kinder" (als Versammlungsleiter ) ca. 80 Frage 5. Ist das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) nach Einschätzung der Landesregierung seiner im Jahresbericht 2016 beschriebenen Funktion als "Frühwarnsystem" (LfV-Jahresbericht 2016, S. 15) vor dem Hintergrund, dass bereits bei einem Fackelmarsch in Dillenburg am 01.12.2016 Personen mit Pullovern mit der Aufschrift "Berserker Lahn-Dill" aufgetreten sind, diese Gruppierung jedoch im Jahresbericht 2016 nicht erwähnt wird, nachgekommen? Als "Frühwarnsystem" unterrichtet das LfV vorrangig die zuständigen staatlichen Stellen in Bund und Ländern, um diese in die Lage zu versetzen, verfassungsfeindlichen Bestrebungen rechtzeitig mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen. Grundsätzlich wird unter dem Begriff des Frühwarnsystems im Konzept der wehrhaften oder streitbaren Demokratie die Tätigkeit von Verfassungsschutzbehörden im Vorfeld von Strafverfolgungsbehörden verstanden. Bis Ende des Berichtszeitraums lagen dem LfV in Bezug auf die "Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill" noch nicht die hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gemäß dem Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen vor, die bereits eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ermöglicht hätten. Wiesbaden, 15. Mai 2018 Peter Beuth