Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 11.04.2018 betreffend rechtliche Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG und der 39. BImSchV und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Die Richtlinie 2008/50/EG regelt in Anhang III die Lage der Probenahmestellen für Messungen von Schwefeldioxid , Stickstoffdioxid und Stickstoffoxiden, Partikeln (PM10 und PM2,5), Blei, Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft. Die Richtlinie ist in der 39. BImSchV umgesetzt. Dort gibt es klare Regelungen, welche Anforderungen die Messstellen erfüllen müssen, damit eine europaweit einheitliche Messung der Luftbelastung erfolgen kann. Diese Messungen sind Grundlage für alle Maßnahmen der Luftreinhaltung, die zukünftig auch Fahrverbote enthalten können. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Verschärfungen sind bei der Umsetzung der RL 2008/50/EG in deutsches Recht vorgenommen worden? Keine. Änderungen der damals geltenden Rechtslage, die über den durch die Richtlinie 2008/50/EG vorgegebenen Rahmen hinausgingen, gab es nicht. Frage 2. Wurden in anderen Mitgliedstaaten Verschärfungen bei der Umsetzung der RL 2008/50/EG in einzelstaatliches Recht vorgenommen? Diese Frage kann nicht beantwortet werden, da die Umsetzungen in das jeweilige Recht der weiteren Mitgliedstaaten nicht bekannt sind. Frage 3. Wie steht die Landesregierung zu den Gründen 5 und 7 der Richtlinie 2008/50/EG, nach denen gemeinschaftsweit einheitliche Kriterien für die Standortwahl der Probenahmestellen Anwendung finden sollen? Um zu vermeiden, dass europäisches Recht durch die Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt und vollzogen wird, ist die Festlegung einheitlicher Kriterien von besonderer Bedeutung. Nur so ist eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleistet. Eine Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten durch die EU-Kommission ist auch für die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten sehr wichtig. Nur wenn das Gefühl besteht, dass alle Mitgliedstaaten gleich behandelt werden, werden auch Vorgaben akzeptiert, die Einschränkungen oder Belastungen vorsehen. Das betrifft z.B. die Einrichtung von Umweltzonen oder Emissionsbegrenzungen von Industrieanlagen. Frage 4. Welche Maßnahmen in den einzelnen Luftreinhalteplänen sind bislang umgesetzt? Da in Hessen bisher 22 Luftreinhalte- und Aktionspläne aufgestellt wurden, ist die Liste der bereits umgesetzten Maßnahmen sehr lang. Sie reicht vom Bau einer Umgehungsstraße in Reinheim, über die Umsetzung eines Lkw-Durchfahrtsverbots in Darmstadt und Rüsselsheim, die Einrichtung von Umweltzonen in Darmstadt, Frankfurt am Main, Limburg, Marburg, Offenbach am Main und Wiesbaden, Maßnahmen zur Verkehrsverflüssigung bis hin zu diversen Maßnahmen zum Ausbau und zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV und des Radwegenetzes, die in allen von Luftschadstoffüberschreitungen betroffenen Städten umgesetzt wurden. Eine genaue Liste der Maßnahmen befindet sich in den jeweiligen Luftreinhalte- und Aktionsplänen, die unter https://umwelt. hessen.de/umwelt-natur/luft-laerm-licht/luftreinhalteplanung eingesehen und heruntergeladen werden können. Eingegangen am 23. Mai 2018 · Bearbeitet am 23. Mai 2018 · Ausgegeben am 25. Mai 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6260 23. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6260 Frage 5. Welche beauftragte Stelle überwacht die ordnungsgemäße Umsetzung der Luftreinhaltepläne? Bitte darlegen, auf welcher Grundlage die Aufgabenzuweisung erfolgt. Nach § 47 Abs. 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz sind für die ordnungsgemäße Umsetzung der Maßnahmen in den Luftreinhalteplänen die jeweils zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung zuständig . D.h., Verkehrsbehörden für die Anordnung von verkehrslenkenden oder -beschränkenden Maßnahmen oder die jeweiligen Städte für die Umstellung ihrer Busflotten bzw. der städtischen Fahrzeuge u.ä.m. Frage 6. Wie wird auf bauliche oder vergleichbare, das Messergebnis möglicherweise verfälschende, Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung der Probenahmestellen reagiert? Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung der Probenahmestellen werden im Rahmen der regelmäßigen Stationswartungen erfasst und dokumentiert. Die erhobenen Messdaten werden daraufhin intensiver kontrolliert und auf mögliche Einflüsse hin überprüft. Sollte ein deutlicher Einfluss erkennbar sein, werden Maßnahmen ergriffen, um die Ursache der Beeinflussung nach Möglichkeit zu beseitigen. Dies kann beispielsweise bei starkem Wachstum der Vegetation (Bäume/Büsche) im direkten Umfeld einer Station der Fall sein. Sollte es sich um dauerhafte Veränderungen handeln, die dazu führen, dass zentrale Probenahmebedingungen nicht mehr erfüllt werden können, kommt es gegebenenfalls zu einer Versetzung der Messstelle. Hierbei erfolgt ein mehrmonatiger Parallelbetrieb der alten und neuen Messstelle, sofern dies möglich ist. Durch eine solche Messung wird die Vergleichbarkeit der Standorte sichergestellt. In einzelnen Fällen wird der Messstandort auch beibehalten, wenn der Standort einer bereits lange bestehenden Messstation nicht mehr den neuen gesetzlichen Regelungen entspricht. Dann wird zusätzlich eine neue Messstation eingerichtet, die die aktuellen Vorgaben einhält und die EU-Konformität der Messergebnisse gewährleistet. Die Messwerte der "alten" Messstation können dennoch als Beleg für die Entwicklung der Luftqualität in diesem Bereich herangezogen werden. Ein Beispiel für eine solche Station ist die Messstation Wiesbaden-Ringkirche. Sie wurde durch die verkehrsbezogene Messstation in der Schiersteiner Straße ergänzt. Frage 7. Welche Probenahmestellen mussten aufgrund von baulichen oder vergleichbaren, das Messergebnis möglicherweise verfälschenden, Veränderungen umgesetzt werden? Bitte aufschlüsseln, welche Probenahmestellen versetzt wurden und aus welchem Grund. Die in der Anlage 1 aufgeführten Probenahmestellen wurden in den letzten zehn Jahren aufgrund von baulichen Veränderungen der betreffenden Kommunen umgesetzt. Frage 8. Wie legt die Landesregierung die Passage in Anlage III Abschnitt C der 39. BImSchV aus, dass bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie in einem Bogen von mindestens 270 Grad oder 180 Grad frei strömen soll? Bitte darlegen, aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen für die jeweilige Probenahmestelle die Erfüllung dieser Kriterien aufgenommen wurde. Dieses Kriterium hat zum Ziel, die "freie Anströmbarkeit" der Probenahmestelle zu gewährleisten . Dies gilt natürlich besonders bei einer Probenahme "an der Baufluchtlinie", weil die entsprechenden Gebäude ein besonderes Hindernis für die freie Anströmbarkeit darstellen können. Alle im hessischen Luftmessnetz betriebenen Luftmessstationen, auch solche die in einer Straße parallel zu einer Häuserzeile (Baufluchtlinie) positioniert sind, stehen deutlich weiter als 0,5 m vom nächsten Gebäude entfernt. In der Regel beträgt der Abstand einige Meter. Daher erübrigt sich die mögliche damit verbundene Problematik einer Behinderung der freien Anströmung. Frage 9. Wer klassifiziert, welche Kreuzung als verkehrsreiche Kreuzung einzustufen ist? Bitte aufschlüsseln , welche Kreuzungen eingestuft worden sind und auf welcher Grundlage diese Einstufung erfolgte . Die Festlegung/Klassifizierung einer "verkehrsreichen Kreuzung" wurde erst im Jahre 2015 durch eine Änderung bestimmter Anhänge der in 2008 veröffentlichten EU-Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft in Europa eingeführt und durch die daraufhin ebenfalls geänderte 39. BImSchV am 10.10.2016 in der deutschen Gesetzgebung umgesetzt. Seitdem gilt nach der 39. BImSchV eine Kreuzung als "verkehrsreich", wenn der Verkehrsstrom unterbrochen wird und sich durch die höheren Emissionen beim Anfahren gegenüber den restlichen Straßenabschnitten Emissionsschwankungen ergeben. Nur vier der verkehrsnahen hessischen Luftmessstationen liegen in der Nähe von verkehrsreichen Kreuzungen. Dazu gehören die Messstationen Gießen-Westanlage, Limburg-Schiede, Kassel -Fünffensterstraße und Wiesbaden-Ringkirche. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6260 3 Die in der 39. BImSchV formulierte Anforderung, dass eine Messstelle mindestens 25 Meter von einer so definierten Kreuzung entfernt sein soll, hält indes nur die Station Wiesbaden- Ringkirche nicht ein, da sie lange Zeit vor den entsprechenden Vorgaben eingerichtet wurde. Um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, wurde im Jahr 2009 zusätzlich die verkehrsbezogene Luftmessstation Wiesbaden-Schiersteiner Straße eingerichtet. Damit konnte verhindert werden, dass die langjährige Messreihe unterbrochen wird, die einen guten Überblick über die Entwicklung der Luftqualität in Wiesbaden in diesem Bereich bietet. Die Messungen an der Messstelle Wiesbaden-Schiersteiner Straße zeigen darüber hinaus, dass die Ergebnisse an der Ringkirche durchaus als repräsentativ für die Situation hoher Verkehrsbelastung in Wiesbaden gelten können. Wiesbaden, 3. Mai 2018 Priska Hinz Anlage Anlage zur Drs. 19/6260 Anlage 1 Stationscode Gemeinde Einrichtungsdatum Neuer Standort Alter Standort Grund der Umsetzung DEHE032 Bebra 08.05.2008 Goethestraße 2 Parkdeck Gilfershäuserstraße Abriss des Parkdecks DEHE005 Frankfurt (Höchst) Berichterstattung seit 01.01.2017 (Inbetriebnahme /Parallelbetrieb ab 15.01.2016) Bürgerhaus (40 m südöstlich des alten Standorts) Dalbergstraße 14 Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes am alten Standort DEHE134 Fulda Berichterstattung seit 01.01.2017 (Inbetriebnahme /Paralellbetrieb ab 20.10.2016) Buseckstraße Franzosenwäldchen Umgestaltung des Geländes DEHE011 Hanau 11.07.2013 Sandeldamm 5a Am Freiheitsplatz Umgestaltung des Freiheitsplatzes DEHE013 Kassel Berichterstattung seit 01.01.2008 (Inbetriebnahme /Parallelbetrieb ab 13.12.2007) Hinter der Komödie Wendeschleife Holländische Straße Umgestaltung des Platzes DEHE062 Marburg 16.02.2017 Universitätsstraße , zwischen den Hausnummern 4 und 6 Universitätsstraße 8 Umgestaltung am alten Standort