Kleine Anfrage der Abg. Merz, Di Benedetto, Alex, Decker, Gnadl, Roth und Dr. Sommer (SPD) vom 13.04.2018 betreffend Hessischer Integrationsplan und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Im Frühjahr 2015 hat die Hessische Landesregierung die Integrationskonferenz mit dem Auftrag berufen, einen Hessischen Integrationsplan zu erarbeiten. Die wesentliche Aufgabe der Integrationskonferenz sollte die Formulierung von messbaren Integrationszielen und Vorhaben des Landes, der Kommunen und der Zivilgesellschaft sein. Die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure seitens der Landesregierung sollte einen partizipativ angelegten Prozess ermöglichen, durch den gleichzeitig die gesellschaftliche Dimension von Integration hervorgehoben werden sollte. Die Integrationskonferenz legte in Erfüllung ihres Auftrags bereits im Frühjahr 2016 den Entwurf eines Hessischen Integrationsplans vor. Erst im Dezember 2017 legte wiederum die Landesregierung ohne weitere vorherige Konsultation einen davon erheblich abweichenden, vom Kabinett bereits beschlossenen Integrationsplan der Integrationskonferenz vor, aber lediglich zur Kenntnis. Eine von der Integrationskonferenz erwartete Gelegenheit zur Stellungnahme blieb seitens der Landesregierung vor der Beschlussfassung ohne Begründung aus. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist sich die Hessische Landesregierung dessen bewusst, dass sie mit ihrem Verfahren zur Beschlussfassung des Integrationsplans die Integrationskonferenz insgesamt brüskiert und sie dadurch das Vertrauen und die Gutgläubigkeit deren Mitglieder missbraucht hat? Frage 2. Weshalb hat die Hessische Landesregierung zur Erstellung eines Hessischen Integrationsplans überhaupt eine Integrationskonferenz eingerichtet, wenn dieser keine Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben wird? Die Fragen 1 und 2 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Zur Erstellung des Integrationsplans hat die Landesregierung die Integrationskonferenz einberufen , deren 60 Mitglieder die vielfältige hessische Gesellschaft repräsentieren. Dazu zählen Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen, Gewerkschaften, Unternehmen, Migrantenorganisationen , Ressorts und Fraktionen sowie weitere Fachexpertinnen und -experten. Wesentliche Basis des neuen Integrationsplans sind die Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen der Enquetekommission "Migration und Integration" der 18. Legislaturperiode. Die weiteren Grundlagen wurden gemeinsam mit der Hessischen Integrationskonferenz erarbeitet. Die Abschlussberichte der dort eingerichteten sieben Arbeitsgruppen wurden nach Überarbeitung durch ein Redaktionsteam, dem auch zwei Personen der Zivilgesellschaft, Frau Prof. Dr. Schröter (Universität Frankfurt) und Frau Nakipoğlu-Schimang (Türkische Gemeinde Hessen), angehörten, auf der Sitzung der Integrationskonferenz im Juni 2016 durch die AG-Leitungen vorgestellt. Danach erfolgten die Einbindung der Ressorts und die Beschlussfassung durch das Kabinett. Direkt im Anschluss wurde der Plan am 19. Dezember 2017 der Konferenz vorgestellt. Dieses Verfahren steht auch im Einklang mit dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, der festgelegt hat, dass der Integrationsplan durch die Hessische Landesregierung erstellt wird. Die Integrationskonferenz wurde wie oben ausgeführt dort ebenfalls vorgesehen und intensiv beteiligt. Darüber hinaus wurde die Integrationskonferenz am 12. März 2018 zu einer weiteren Sitzung, gemeinsam mit dem Integrationsbeirat, eingeladen. Hier konnte der Integrationsplan in aller Eingegangen am 30. Mai 2018 · Ausgegeben am 6. Juni 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6276 30. 05. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6276 Ausführlichkeit diskutiert werden. Die zu den Handlungsfeldern vorgebrachten Stellungnahmen, Kritik und Ergänzungswünsche wurden in einem Ergebnisprotokoll festgehalten. Die weit überwiegende Mehrheit der Anwesenden stellte heraus, dass viele Anregungen der Integrationskonferenz in den Hessischen Integrationsplan eingeflossen sind. Frage 3. Welche Vorschläge der Integrationskonferenz wurden seitens der Landesregierung in ihren Integrationsplan übernommen, welche nicht und warum nicht? Die von der Integrationskonferenz eingerichteten themenorientierten sieben Arbeitsgruppen Sprache und Bildung; Wirtschaft und Arbeit; Gesundheit, Pflege, Familie und Gleichberechtigung ; politische und gesellschaftliche Partizipation, Sport, Wohnen und Freizeit; Religion, Kultur und Medien; Interkulturelle Öffnung, Diversity, Antidiskriminierung; Zuwanderung und Flüchtlinge haben langfristige Zielsetzungen und konkreten Empfehlungen erarbeitet. Diese sind in folgende Leitlinien des Hessischen Integrationsplans eingeflossen: Schaffung von Chancengerechtigkeit durch Bildung (Sprache als Schlüssel für Integration), Kompetent mit Vielfalt umgehen (Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft durch Prozesse der interkulturellen Öffnung), Teilhabe schaffen (insbesondere im direkten Umfeld, Stadtteil/Quartier ist es wichtig, Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen), Respekt und Wertschätzung für jeden Menschen (Zusammenleben in Pluralität funktioniert, wenn gegenseitiger Respekt und Wertschätzung gerade auch für abweichendes Verhalten/Aussehen/Lebensgestaltung die Grundlage bilden), Fachkräfte für heute und morgen gewinnen (auch weiterhin wird qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt benötigt und gleichzeitig müssen die vorhandenen Potenziale genutzt werden). Beispielhaft verdeutlichen sich diese Leitlinien an folgenden konkreten Maßnahmen und Programmen , die auf Anregungen der Integrationskonferenz beruhen: - Öffnung etablierter und bewährter Programme auch für Geflüchtete, mit dem Ziel, soweit möglich keine Sonderprogramme aufzulegen. Beispiel Seite 43: "Qualifizierung und Beschäftigung" (für benachteiligte junge Menschen im Übergang von Schule in Beruf) und "Ausbildungs- und Qualifizierungsbudget" sind für Geflüchtete (mit guter Bleibeperspektive) geöffnet worden. - Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund . Beispiel Seite 48: ZIP Hessen Zentrum zur Integration internationaler Gesundheits- und Pflegekräfte. - Wertschätzung der bereits länger hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. Beispiel Seite 52: erste zentrale Einbürgerungsfeier auf Landesebene 2017 und Wiederholung der Feier im April 2018. - Unterstützung und Stärkung von Migrantenorganisationen. Beispiel Seite 54: Landesprogramm WIR, Eröffnung des Kompetenzzentrums Vielfalt - Migrantenorganisationen . Das Kompetenzzentrum vernetzt Akteure und bietet Professionalisierungsangebote . Ehrenamtliches Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund wird so sichtbarer. - Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Beispiel Seite 68, 69: Beitritt zur bundesweiten "Koalition gegen Diskriminierung", Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle und Förderung eines hessenweiten Beratungsangebots mit externen Netzwerkpartnern (ADiBe). Frage 4. Warum hat die Hessische Landesregierung nicht gleich zu Beginn der 19. Legislaturperiode mit der Umsetzung der einvernehmlichen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission Migration und Integration aus der 18. Wahlperiode begonnen? Die Empfehlungen der Enquete-Kommission Migration und Integration aus der letzten Legislaturperiode sind wie zu Frage 1 beschrieben in die Grundlage des Hessischen Integrationsplans eingeflossen und wurden weiterentwickelt. Dies wird auch an den Handlungsfeldern deutlich, die sich ebenfalls an den Inhalten des Enqueteberichts orientieren. Frage 5. Warum bleiben die Inhalte des vom Kabinett beschlossenen Integrationsplans so weit hinter den einvernehmlich beschlossenen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission zurück? Die Handlungsfelder des Enqueteberichts dienten wie zu Frage 4 ausgeführt als Orientierung für den Hessischen Integrationsplan. Alle Arbeitsgruppen der Integrationskonferenz hatten zu Beginn ihrer Arbeit den Bericht als Grundlage verwandt und anschließend alle dort aufgeführten Inhalte diskutiert und bei Bedarf weiterentwickelt. Der Bericht der Kommission stammt von 2013. Folgerichtig wurden die Inhalte und Empfehlungen für den Integrationsplan aktualisiert und in konkrete Maßnahmen umgesetzt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6276 3 Frage 6. Ist der inhaltliche Minimalkonsens des vom Kabinett beschlossenen Integrationsplans und der damit verbundenen, anderthalb Jahre dauernden Ressortabstimmung auf den integrationspolitischen Konflikt in der schwarzgrünen Regierungskoalition zurückzuführen? Frage 7. Ist sich die Hessische Landesregierung darüber im Klaren, dass der vom Kabinett beschlossene Hessische Integrationsplan gar kein Plan ist, sondern lediglich eine bloße Zusammenstellung von derzeit laufenden Projekten und Maßnahmen darstellt? Die Fragen 6 und 7 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Der Hessische Integrationsplan beschreibt in allen relevanten Handlungsfeldern Grundlagen sowie Ziele der hessischen Integrationspolitik. Er geht jedoch noch darüber hinaus und schlägt auch konkrete Initiativen sowie Projekte für die zukünftige Integrationsarbeit des Landes vor. Insofern ist er sowohl eine Standortbestimmung als auch eine Leitlinie für die Zukunft. Die Landesregierung versteht Integrationspolitik als eine Querschnittsaufgabe, an der alle Ressorts verantwortlich beteiligt sind. Es ist also eine Selbstverständlichkeit, dass für die Erarbeitung des Hessischen Integrationsplans alle Ministerien beteiligt wurden und in ihrer Zuständigkeit auch eigene Ziele und darauf abgestimmte Maßnahmen entwickelt haben. Insbesondere die Bewältigung der Fluchtzuwanderung in den Jahren 2015 und 2016 hat in diesem Zusammenhang mehrfache Aktualisierungen des Entwurfs des Integrationsplans nach sich gezogen, da die Hessische Landesregierung die diesbezüglichen Aktionspläne zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts I und II konsequent umgesetzt hat. Auch diese beiden Aktionspläne haben bekanntlich zahlreiche Anregungen der Integrationskonferenz aufgenommen . Sie sind in den Integrationsplan eingeflossen. Frage 8. Teilt die Hessische Landesregierung die Auffassung, dass durch die Erstellung des vorliegenden Integrationsplans fast eine komplette Legislaturperiode sinnlos verstrichen ist, ohne dass dringend notwendige Verbesserungen in der hessischen Integrationspolitik planvoll in Angriff genommen werden konnten? Nein, diese Auffassung teilt die Hessische Landesregierung nicht. Wiesbaden, 17. Mai 2018 Stefan Grüttner