Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 19.04.2018 betreffend Kompetenzzentrum Demografie für das Finanzamt Korbach-Frankenberg und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung der Fragestellerin: Das Hessische Ministerium der Finanzen will, wie in Drucks. 19/6096 erörtert, zwei Kompetenzzentren für Demografie einrichten. Unter anderem wird das Finanzamt ein Standort eines solchen Kompetenzzentrums. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Der sich seit einigen Jahren gesamtgesellschaftlich vollziehende demografische Wandel stellt die Steuerverwaltung - wie auch die meisten anderen Arbeitgeber - vor große Herausforderungen. Eine Vielzahl altersbedingter Personalabgänge war bereits zu verzeichnen, steht aber in den nächsten Jahren mit den Abgängen der sogenannten geburtenstarken Jahrgänge auch noch bevor . Im Rahmen der Demografiestrategie der hessischen Steuerverwaltung wurde im Jahr 2016 deshalb erstmals zentral eine umfassende Altersstrukturanalyse durchgeführt. Deren Ergebnisse zeigten, dass sich die einzelnen Dienststellen zwar teilweise erheblich in ihrer demografischen Ausgangslage unterscheiden, aber kein Finanzamt in den nächsten Jahren von demografiebedingten Personalveränderungen größeren Umfangs verschont bleibt. Folglich wurden in die weiteren Überlegungen für ein demografievorsorgendes Personalmanagement alle Finanzämter einbezogen . Im Prozess werden darüber hinaus aber auch dienststellenübergreifende und regionale Interessen zu berücksichtigen sein. Grundsätzlich zielen alle Anstrengungen darauf ab, in Zukunft Personalstellen in den Finanzämtern , die wegen altersbedingten Ausscheidens frei werden, noch systematischer als bisher zu ermitteln, das "kritische" (d.h. besonders erhaltenswerte) Wissen erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor deren Ausscheiden zu sichern und sowohl die Nachfolgeplanung als auch - qualifizierung frühestmöglich einzuleiten und darüber hinaus die Steuerverwaltung durch vielfache Angebote und Maßnahmen als attraktiven Arbeitgeber am Arbeitsmarkt zu positionieren. Außerdem gilt es, die Personalbindung sowie die Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit der vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter zu erhalten und zu stärken. Alles in allem ist somit ein strukturiertes und konsequent praktiziertes Verfahren erforderlich, bei dem großes Augenmerk auf die Koordination der Aktivitäten über die verschiedenen Ebenen hinweg sowie einen strukturierten Informationsaustausch unter Zuhilfenahme standardisierter Instrumente, aber auch auf deren Wirkung vor Ort zu legen ist. Bei der Umsetzung langfristiger personalplanerischer Überlegungen über alle Ebenen hinweg kommen mit dem insoweit eigens entwickelten DemografieLOTSEN-SYSTEM u.a. speziell auf die Bedürfnisse der Steuerverwaltung zugeschnittene Analysewerkzeuge zum Einsatz. Darüber hinaus wird in zunächst zwei Finanzämtern jeweils ein Competence Center Demografie eingerichtet, um die Umsetzung dienststellenbezogener demografievorsorgender Maßnahmen aus den einzelnen Handlungsfeldern zu erproben bzw. deren Praxisbezug sicherzustellen. Auf diese Weise wird ein maßgeblicher Beitrag für eine demografiefeste Steuerverwaltung im Ganzen geleistet. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Eingegangen am 6. Juni 2018 · Bearbeitet am 14. Juni 2018 · Ausgegeben am 18. Juni 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6314 06. 06. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6314 Frage 1. Wann und wo werden die beiden Kompetenzzentren für Demografie in Hessen eingerichtet und besetzt? Die ersten beiden Competence Center Demografie (CCD) werden zeitnah in den Finanzämtern Dillenburg und Korbach-Frankenberg eingerichtet. Es ist vorgesehen, anschließend auch im Rhein-Main-Gebiet und in Südhessen in jeweils einem Finanzamt ein solches Competence Center einzurichten. Frage 2. Wie viele Stellen werden im Zuge der Errichtung des Kompetenzzentrums für Demografie für das Finanzamt Korbach-Frankenberg am Standort Frankenberg sowie in Korbach neu zu besetzen sein? Im Finanzamt Korbach-Frankenberg wird - wie auch im Finanzamt Dillenburg - zunächst ein zusätzlicher Sachbearbeiter-Dienstposten eingerichtet, wobei perspektivisch über die Einrichtung weiterer Dienstposten in diesem zukunftsträchtigen Bereich nachgedacht werden muss. Der Dienstposten ist in beiden Fällen unmittelbar dem Sachgebiet des jeweiligen Finanzamtsvorstehers angegliedert, der das CCD fachlich leitet. Was in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist: Die vielschichtige Bearbeitung der Themenfelder rund um den demografischen Wandel wird auch nach der Einrichtung des CCD eine Aufgabe für den gesamten Querschnittsbereich sein. Dementsprechend wird aus vielen verschiedenen Richtungen Arbeitskraft in diese Themenfelder fließen. Frage 3. Wie sind diese einzelnen Stellen besoldet und mit welchen Aufgaben und Zielen sind diese jeweils betraut? Die hessische Steuerverwaltung behandelt den demografischen Wandel als Daueraufgabe, zu der neben langfristigen übergreifenden Personalplanungen sowohl die Ermittlung dienststellenbezogener und regionaler Bedarfe als auch die Gestaltung notwendiger bzw. förderlicher Rahmenbedingungen gehören. Die CCD werden in ihrer Arbeit deshalb eng mit der Gesamtstruktur der demografievorsorgenden Stellen- und Personalpolitik der Steuerverwaltung vernetzt sein. Sie treten neben die in jedem Finanzamt vorgesehenen DemografieBEAUFTRAGTEN (in der Regel angesiedelt im Bereich Geschäftsstelle) und die mit zentraler bzw. regionalspezifischer Zuständigkeit in der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main (OFD) tätigen DemografieLOTSEN. Insoweit wird eine kontinuierliche Abstimmung der CCD mit den maßgeblichen Linienverantwortlichen in OFD und Finanzministerium stattzufinden haben. Ziel der Einrichtung der CCD ist die Schaffung von Lernräumen für die praktische Umsetzung dienststellenrelevanter demografievorsorgender Maßnahmen und Projekte im Rahmen strategischer Vorgaben insbesondere durch die OFD. Die Einrichtung von CCD erfolgt demzufolge in Finanzämtern mit einer unterschiedlichen demografischen Ausgangslage zur Schaffung möglichst vielfältiger Erfahrungshorizonte. Die CCD begleiten entsprechende Entwicklungsprozesse, indem sie die jeweilige Dienststellenleitung sowie die Geschäftsstelle bei der Umsetzung zukunftsorientierter Beschäftigungskonzepte und Arbeitsbedingungen unterstützen und Lösungsansätze erarbeiten. Hierbei soll Neues aufgegriffen , ergebnisoffen ausprobiert, bewertet und strukturiert werden. Die einschlägigen Handlungsfelder ergeben sich aus dem DemografieLOTSEN-SYSTEM; die Bereiche sind: "Führung" (Personalführung, Führungskultur, Betriebsklima), "Gesundheit" (Stichwort "Leistungsfähigkeit erhalten"), "Arbeitsplatz" (Arbeitsorganisation, alter(n)sgerechte Arbeits(platz)gestaltung), "Lernen" (Qualifizierung, Kompetenzentwicklung) und "Nachwuchs" (Nachwuchsgewinnung, Nachfolgeplanung). Als Arbeitsschwerpunkte stehen zu Beginn zunächst die Ausarbeitung und Erprobung von Konzepten im Bereich des Wissenstransfers (in Zusammenarbeit mit einer zentral eingerichteten Unterarbeitsgruppe WissensTRANSFER) sowie die Stärkung des Fortbildungsinteresses älterer Beschäftigter im Blickpunkt. Über die eigene Dienststelle hinaus stellen die Sachbearbeiter CCD die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen anderen Dienststellen regional oder überregional begleitend zur Verfügung und betreuen dort bei Bedarf auch entsprechende Projekte. Die Sachbearbeiter-Dienstposten in den Finanzämtern Korbach-Frankenberg und Dillenburg werden dementsprechend jeweils mit Besoldungsgruppe A 12 HBesG bewertet. Frage 4. Mit welchem Mehrwert durch diese Stellenschaffung kann das Finanzamt im Detail rechnen? Das jeweilige CCD-Finanzamt hat durch die bei ihm angesiedelte Aufgabenstellung naturgemäß einen gewissermaßen "ersten Zugriff" auf die aus den selbst bzw. unter seiner Federführung durchgeführten Praxisprojekten gewonnenen Erfahrungen und deren Nutzen. Natürlich sollen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6314 3 von entsprechenden Erkenntnissen und übertragbaren Ideen nicht nur die CCD-Ämter, sondern auch alle anderen Finanzämter profitieren. Die beiden Finanzämter Dillenburg und Korbach- Frankenberg werden - ausgehend von einer sehr unterschiedlichen eigenen demografischen Ausgangslage - die hessenweite Federführung in zahlreichen der v. g. Themenfelder innehaben und sich einen Vorbildcharakter erarbeiten können. Frage 5. In der Drs. 19/5399 ist von der Einrichtung einer neuen Servicestelle mit einer Zuständigkeit für ganz Hessen mit neuen Dienstposten in Hofgeismar die Rede. a) Welche Aufgaben und Zuständigkeiten im Rahmen der Zentralisierung übernimmt diese Servicestelle ? b) Wie viele Stellen umfasst die Servicestelle und welche derzeitig bestehenden Stellen anderer Finanzamt-Standorte fallen durch die Einrichtung dieser Servicestelle (bitte konkrete Angabe für jeweilige Finanzamt-Standorte) dafür weg? Es ist vorgesehen, in der Verwaltungsstelle Hofgeismar des Finanzamts Kassel-II-Hofgeismar eine landesweit einheitlich erreichbare Servicehotline für allgemeine steuerliche Fragen einzurichten . Diese Servicehotline tritt als Ergänzung neben die bereits bestehenden Erreichbarkeiten aller hessischen Finanzämter. Damit wird der bewährte Bürgerservice der hessischen Steuerverwaltung noch weiter ausgebaut. Es ist vorgesehen, dass in einem ersten Schritt zehn Dienstposten eingerichtet werden. Die bestehenden Erreichbarkeiten der Finanzämter bleiben natürlich erhalten und stehen den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin mit Rat und Tat bei konkreten Fragen zur Steuererklärung oder zu Steuerbescheiden zur Verfügung. Da es sich bei der neuen Servicehotline um eine Ergänzung des bestehenden Bürgerservices handelt, fällt kein einziger Dienstposten in einem anderen Finanzamt deshalb weg. Frage 6. Die Landesregierung treibt die Zentralisierung der Finanzämter voran und verlagert Arbeitsplätze von einer ländlich geprägten Region in eine andere. Sie beabsichtigt, die hessische Steuerverwaltung durch eine Reihe von Maßnahmen zu stärken und die Präsenz in der Fläche noch weiter auszubauen . Wie soll die Zentralisierung mit ihren Maßnahmen die Präsenz in der Fläche stärken und wie soll das Finanzamt Frankenberg dabei im Detail profitieren? Die Einrichtung der landesweit einheitlich erreichbaren Servicehotline ist eine Maßnahme im Maßnahmenpaket SMART two. Die beiden Maßnahmenpakete SMART one und SMART two haben das Ziel, die hessische Steuerverwaltung noch besser und effektiver aufzustellen. Hierzu gehört u.a. auch die (weitere) Zentralisierung bzw. Regionalisierung von Arbeitsbereichen über Finanzamtsbezirke hinaus wie beispielsweise der Grunderwerbsteuerbearbeitung und der Finanzkasse . Diese Arbeitsbereiche werden in Finanzämtern im ländlichen Raum zusammen geführt . Dementsprechend werden die Finanzämter im ländlichen Raum und damit denklogisch auch der ländliche Raum selbst gestärkt. Die Darstellung der Fragestellerin, wonach "Arbeitsplätze [lediglich] von einer ländlich geprägten Region in eine andere" verlagert werden, ist nicht richtig. Auch die Darstellung der Fragestellerin, wonach "die Zentralisierung der Finanzämter" vorangetrieben werde, ist nicht richtig. Eine Zentralisierung ganzer Finanzämter ist gerade nicht geplant . Alle Finanzämter mit ihren Verwaltungsstellen bleiben im Rahmen der Maßnahmenpakete SMART one und SMART two erhalten, Finanzämter in ländlichen Regionen werden gezielt gestärkt , dort werden zentrale bzw. regionale Zuständigkeiten angesiedelt. So liegen beispielsweise die acht neuen Standorte für Regionalkassen allesamt außerhalb der Ballungsräume. Für viele gerade kleinere Finanzämter abseits der Ballungszentren bedeuten die Strukturmaßnahmen einen Zuwachs an Aufgaben und Arbeitsplätzen und damit verbunden attraktive Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten für die dort arbeitenden Kolleginnen und Kollegen. Das Finanzamt Korbach-Frankenberg profitiert entsprechend durch die Einrichtung eines CCD. Eine dauerhaft nicht zukunftsfähige Finanzkasse wird abgegeben und ein Competence Center für eine der zentralen Zukunftsfragen wird dort angesiedelt. Wiesbaden, 26. Mai 2018 Dr. Thomas Schäfer