Kleine Anfrage der Abg. Faulhaber (DIE LINKE) vom 24.04.2018 betreffend Störfallbetriebe im Wetteraukreis und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche Störfallbetriebe gibt es im Wetteraukreis nach der Störfall-Verordnung (Zwölfte Verordnung zur Durchführung des BImSchG vom 15.03.2017)? Angaben bitte unter Nennung des genauen Standortes. Auflistung der Betriebsbereiche im Wetteraukreis: a) Auenhof Bioenergie GmbH & Co. KG, 63688 Gedern, Kirchbrächter Weg 16a, b) DHL Solutions Fashion GmbH, 61197 Florstadt, Stadastraße 11, c) Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG, 61169 Friedberg (Hessen), Raiffeisenstr.18, d) Sauerwein Biogas GbR, 63688 Gedern, Kefenröder Str. 11, e) Kraupatz GmbH, 35516 Münzenberg, Am Römerhof 3, f) Altenstadt C4 Energie GmbH & Co. KG; 63674 Altenstadt; Am Bioenergiezentrum 1, g) Biogas Oberhessen GmbH & Co. KG, 61200 Wölfersheim, Auf dem Hals 16 - 20, h) Farr Biogas GmbH & Co. KG, 63654 Büdingen, Preiserlenweg 6, i) Karbener Biogasanlage GmbH & Co. KG, 61184 Karben, An der Biogasanlage 1, j) UDI Biogas Kaichen GmbH & Co. KG, 61194 Niddatal, Flur 8, Flurstück 27/28 (im Bau). Frage 2. Welche Gefahrenstoffe werden dort gelagert und welche Gefahren für die Bevölkerung gehen davon aus? Die Antwort sollte eine Zuordnung zu den unter 1. genannten Störfallbetrieben ermöglichen . Generell werden Anlagen, die unter die StörfallVO fallen, so genehmigt, errichtet und betrieben , dass sich durch eine nicht auszuschließende Betriebsstörung (z.B. kleiner Riss in Rohrleitung durch Materialermüdung) kein Störfall ereignen kann. Durch die im Betrieb getroffenen Maßnahmen sind Gefahren für die Bevölkerung vernünftigerweise auszuschließen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 3 "Allgemeine Betreiberpflichten" der StörfallVO: "§ 3 Allgemeine Betreiberpflichten (1) Der Betreiber hat die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern; Verpflichtungen nach anderen als immissionsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. (2) Bei der Erfüllung der Pflicht nach Absatz 1 sind 1. Betriebliche Gefahrenquellen, 2. Umgebungsbedingte Gefahrenquellen, wie z.B. Erdbeben oder Hochwasser, und 3. Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen, es sei denn, dass diese Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen vernünftigerweise ausgeschlossen werden können." Bei einem exzeptionellen Ereignis (dessen Ursache vernünftigerweise auszuschließen ist, z.B. Rohrleitungsabriss) könnte die Bevölkerung in der direkten Nachbarschaft durch austretende toxische Stoffe (Vergiftung) bzw. durch Brände (Wärmestrahlung) oder Explosionen (Druckwelle, Eingegangen am 15. Juni 2018 · Bearbeitet am 19. Juni 2018 · Ausgegeben am 22. Juni 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6327 15. 06. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6327 Trümmerflug) gefährdet sein. Solche Ereignisse spielen in der Regel allerdings nur im Rahmen der Notfallplanung (Katastrophenschutz) eine Rolle. In den Biogasanlagen (a, d, f, g, h, i und j) wird Biogas (ca. 50 % Methan-Gehalt) als "extrem entzündbares Gas" gehandhabt. In b) werden akut toxische, entzündbare und gewässergefährdende Stoffe gelagert. In c) werden akut toxische, entzündbare, zersetzliche und gewässergefährdende Stoffe gelagert. In e) werden akut toxische, entzündbare, brandfördernde, ätzende und gewässergefährdende Stoffe gelagert. Frage 3. Wie wird die Bevölkerung jeweils über die Existenz von Störfallbetrieben in ihrer Kommune informiert ? Die Bevölkerung wird seit der Änderung des BImSchG im Dezember 2016 bei störfallrelevanten Errichtungen/Änderungen im Betriebsbereich, die Auswirkungen auf die angemessenen Sicherheitsabstände haben, durch Veröffentlichung dieser Vorhaben informiert. Eine Veröffentlichung des Vorhabens ist im Staatsanzeiger des Landes Hessen und in den örtlich verbreiteten Tageszeitungen vorzunehmen. Im Einvernehmen mit dem Betreiber kann auch eine Veröffentlichung des Vorhabens im Internet vorgenommen werden. Die Auslegung der Unterlagen soll ca. 1 Woche nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger, in den örtlichen Tageszeitungen bzw. im Internet beginnen. Auslegungsorte sind i.d.R. bei der Genehmigungsbehörde (Auslegungsraum) sowie in öffentlichen Einrichtungen (z.B. auch Amtsgerichte) in der Nähe des Standortes des geplanten Vorhabens . Die Betreiber müssen seit Umsetzung der Seveso III Richtlinie Informationen vor Ort und im Internet zu den Betriebsbereichen bereithalten (§ 8a in Verbindung mit Anhang V Teil 1 bzw. §11 in Verbindung mit Anhang V Teil 1 und 2 der 12. BImSchV). Die erweiterten Pflichten (§§ 9-12 der 12. BImSchV) gelten nur für Anlagen der oberen Klasse (hier Betriebsbereiche b) und c)). Diese Betreiber sind nach § 11 Abs. 3 verpflichtet, alle Personen und alle Einrichtungen mit Publikumsverkehr, die von einem Störfall betroffen sein könnten, vor Inbetriebnahme über die Sicherheitsmaßnahmen und das richtige Verhalten im Fall eines Störfalls in einer auf die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Adressatengruppe abgestimmten Weise zu informieren . Dies geschieht in der Regel durch eine Broschüre, die an den Adressatenkreis verteilt wird. Auf der Homepage des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist unter: "https://umwelt.hessen.de/sites/default/files/media/hmuelv/ueberwachungsprogramm_hessen_st oerfallvo_-_zusammenstellung_bb_hessen_22-12-2017_korr_ni.pdf" eine Liste alle Betriebsbereiche in Hessen veröffentlicht. Frage 4. Welche Unternehmen sind nach §8a·(2) der "Störfall-Verordnung" von der Informationspflicht ausgenommen? Kein Unternehmen unter 1. wurde ausgenommen. Frage 5. Ist für jeden Störfallbetrieb im Wetteraukreis sichergestellt, dass der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 1,5 km zu Wohngebieten und öffentlichen Einrichtungen eingehalten wird? Wenn nein: Mit welcher Ausnahmeregelung (Begründung) wurde der vorgeschriebene Sicherheitsabstand an welchen Standorten unterschritten? Es gibt keinen "vorgeschriebenen Sicherheitsabstand" von 1,5 km zwischen Betriebsbereichen und Wohngebieten oder öffentlichen Einrichtungen. Der "angemessene Sicherheitsabstand" nach § 3 Abs. 5c ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich und einem benachbarten Schutzobjekt , der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt beiträgt und dient der Umsetzung des Artikel 13 "Überwachung der Ansiedlung" der Seveso III Richtlinie. Artikel 13 der Seveso III Richtlinie richtet sich in erster Linie an das Bauplanungsrecht und soll dazu beitragen, dass langfristig - und soweit möglich - ein angemessener Sicherheitsabstand zwischen einem Betriebsbereich und einem Schutzobjekt gewahrt bleibt. In Ermangelung einer verbindlichen Definition des "angemessenen Sicherheitsabstands" in der Seveso III Richtlinie, hat das BMU beschlossen, zum "angemessenen Sicherheitsabstand" nach § 48 Abs. 1 Nr. 6 BImSchG, eine Verwaltungsvorschrift zu erlassen. Derzeit wird in einem BLAK an einer Verwaltungsvorschrift gearbeitet, die voraussichtlich Anfang 2019 verabschiedet wird. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6327 3 Da es derzeit keinen definierten "angemessenen Sicherheitsabstand" gibt, orientiert man sich an Leitfäden, die die Kommission für die Anlagensicherheit (KAS) zu dieser Thematik erstellt hat. Diese Leitfäden (KAS-18 "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" und KAS-32 "Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS- 18") wurden in erster Linie für die Bauleitplanung erstellt. In den Leitfäden wird unterschieden zwischen einem Achtungsabstand, der stoffspezifisch auf die Abstandsklassen 200m, 500m, 900m und 1.500m festgelegt wird, und einem angemessenen Abstand, der in der Regel durch ein Gutachten ermittelt wird. Für die Biogasanlagen (a, d, f, g, h, i und j) gibt der KAS-32 ohne Detailkenntnisse 200 m als Achtungsabstand vor. Für die Betriebsbereiche b, c und e wurden Berechnungen nach dem KAS-18 Leitfaden erstellt und dabei die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort mitberücksichtigt. In der Regel sind die "Achtungsabstände" aufgrund konservativer Annahmen größer als die berechneten "angemessenen Abstände". Die einzelnen Abstände sind: a) 200 m (Achtungsabstand), b) 100 m (angemessener Abstand), c) 300 m (angemessener Abstand), d) 200 m (Achtungsabstand), e) 550 m (angemessener Abstand), f) 200 m (Achtungsabstand), g) 200 m (Achtungsabstand), h) 200 m (Achtungsabstand), i) 200 m (Achtungsabstand), j) 200 m (Achtungsabstand). Wiesbaden, 1. Juni 2018 Priska Hinz