Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) 08.07.2014 betreffend Arbeitsplätze durch erneuerbare Energien und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Die Welt schreibt in einem Artikel vom 26. Mai 2014 mit der Überschrift "Das grüne Jobwunder fällt in sich zusammen" über die Entwicklung der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien und der vom EEG betroffenen Industrie: "Die Subventionierung von erneuerbaren Energien hat nicht zu einem nennenswerten, nachhaltigen Aufbau von Arbeitsplätzen in diesem Bereich geführt. Nach jüngsten Zahlen der Bundesregierung nahm die Bruttobeschäftigung im Bereich erneuerbare Energien im Jahr 2013 um rund 7 % ab, auf nunmehr noch 363.100 Personen. Zählt man die Beschäftigten in Behörden und wissenschaftlichen Institutionen mit, schaffen die erneuerbaren Energien Arbeit für rund 370.000 Menschen. Damit arbeiten allerdings nur rund 0,86 % der knapp 42 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland im hoch subventionierten Bereich der erneuerbaren Energien. Ein großer Teil dieser Beschäftigung beschränkt sich dabei auf Wartung und Betrieb bestehender Anlagen. Im eigentlichen Kernbereich der Zukunftsbranche, der Produktion von Anlagen für erneuerbare Energien, waren im vergangenen Jahr nur noch 230.800 Personen beschäftigt: Ein Minus von sogar 13 % innerhalb eines Jahres, das in erster Linie auf den Zusammenbruch der deutschen Solarindustrie zurückzuführen ist. Besserung ist laut dem aktuellen Bericht der Bundesregierung nicht in Sicht. Dort heißt es: "Insgesamt wird in diesem und im nächsten Jahr vermutlich weiter ein Rückgang der Beschäftigten im Ausbau der erneuerbaren Energien zu beobachten sein." Auch rund 15 Jahre nach Beginn der Ökostrom-Subventionen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hängt weiterhin der überwiegende Anteil der Arbeitsplätze in diesem Bereich von Beihilfen ab. Ein selbststragender Arbeitsmarkt ist durch das EEG ganz offensichtlich nicht entstanden. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Technische Innovationen lösen immer auch einen Strukturwandel in der Wirtschaft aus, der als dynamischer Prozess für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft zwingend erforderlich ist. Kennzeichen eines solchen Strukturwandels, wie ihn der Umbau des Energieversorgungssystems im Rahmen der Energiewende darstellt, ist es, dass einem Beschäftigungsaufbau in einem Bereich ein Abbau in anderen Bereichen gegenübersteht. Vor diesem Hintergrund sind die Beschäftigungseffekte im Zusammenhang mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ebenso wie die damit verknüpfte Wertschöpfung von erheblicher Bedeutung für die Akzeptanz der Energiewende. Allerdings werden Arbeitsplätze, die in Verbindung mit dem Thema Erneuerbare Energien in Hessen stehen, weder durch die üblichen Beschäftigungsstatistiken noch durch die Fachverbände und Standesorganisationen (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften etc.) erfasst. Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wird daher auf die von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Berichte zum Forschungsvorhaben "Beschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland: Ausbau und Betrieb - heute und morgen" zurückgegriffen. An diesem Forschungsvorhaben ist ein Konsortium verschiedener Forschungsinstitute (DLR, DIW, ZSW, GWS und Prognos) beteiligt. Nach Bundesländern differenzierte Daten liegen für die Jahre 2011 und 2012 vor. Die länderspezifischen Daten für das Jahr 2013 werden voraussichtlich im September 2014 veröffentlicht (vgl. http://www.foederal-erneuerbar.de). Eingegangen am 27. August 2014 · Ausgegeben am 28. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/633 27. 08. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/633 Nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen entstehen über 60 % der Arbeitsplätze deutschlandweit durch die Projektierung, Planung und Fertigung insbesondere von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen, gefolgt von deren Wartung und Betrieb sowie Brenn- und Kraftstoffbereitstellung (Biomasseanlagen). Die Bereiche Forschung und Entwicklung nehmen dagegen nur eine untergeordnete Rolle ein. Erneuerbare Energien generieren aber nicht nur quantitative sondern auch qualitative Beschäftigungseffekte . So benötigen Arbeitsplätze und Dienstleistungen im Bereich der Erneuerbaren Energien hoch qualifiziertes Know-how und entsprechend qualifiziertes Personal. Damit wird durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien zugleich ein Bildungsprozess angestoßen , der vor dem Hintergrund der sich weiterentwickelnden Technologien dazu beiträgt, bestehende Arbeitsplätze in Produktion, Handwerk und Dienstleistung zukunftssicher zu machen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hoch ist die Bruttobeschäftigung im Bereich der Erneuerbaren Energien in Hessen? Die nach der Methodik des in der Vorbemerkung erwähnten Forschungsvorhabens ermittelte Bruttobeschäftigung im Bereich der Erneuerbaren Energien in Hessen belief sich im Jahr 2012 auf 20.460 Beschäftigte. Hierbei ist zu ergänzen, dass für die bundesweit ca. 7.300 Beschäftigten in der öffentlich geförderten Forschung bzw. in der Verwaltung keine Regionalisierung nach Bundesländern möglich war. Diese haben bundesweit einen Anteil von knapp 2 % an der Bruttobeschäftigung. Frage 2. Wie hoch ist der Anteil der Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien in Hessen an der Gesamtbeschäftigung? Dieser Anteil lag im Jahr 2012 bei 0,71 %; auf 1.000 Arbeitnehmer kamen demnach 7,1 Beschäftigte im Bereich der Erneuerbaren Energien. Frage 3. Wie viele dieser Arbeitsplätze hängen von der Subventionierung durch das EEG ab? Eine Differenzierung in vom EEG abhängige bzw. nichtabhängige Arbeitsplätze wird in den Studien nur für die bundesweite Betrachtung vorgenommen. Danach lag im Jahr 2012 der bundesweite Anteil der EEG-abhängigen Arbeitsplätze bei 73 %. Für Hessen liegen hierzu keine quantitativen Untersuchungen vor. Frage 4. Wie verteilen sich die Arbeitsplätze auf die Bereiche Windkraft, Fotovoltaik und Geothermie? Nach einer unveröffentlichten Untersuchung des Kompetenznetzwerks dezentrale Energietechnologien (deENet) e. V. im Auftrag der Hessischen Landesregierung aus dem Jahr 2013 und anderen Datenquellen betrugen die Beschäftigtenzahlen im Jahr 2012 - für die Windkraft: 3.450 (davon Bau/Produktion: 2.710, Betrieb/Wartung 740), - für die Solarenergie: Fotovoltaik 7.730 und Solarthermie 2.340 (Gesamt: 10.070, davon Bau/Produktion 9.430, Betrieb/Wartung 640), - für die Geothermie: 760 (davon Bau/Produktion 524, Betrieb/Wartung 236). Frage 5. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Arbeitsplätze durch steigende Strom- kosten im Gegenzug bei Industrie, Handel und Dienstleistung nicht entstanden bzw. verloren gegangen sind? Hierzu liegen der Hessischen Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Frage 6. Wie bewertet die Landeregierung die Aussage des ifo-Chefs, dass es keinen positiven Nettoef- fekt des EEG auf die Beschäftigung gebe und durch Subventionen für unwirtschaftliche Technologien kein einziger neuer Arbeitsplatz entstehe bzw. vielmehr Wohlstand vernichtet werde? Bezüglich der Beschäftigungswirkungen der Erneuerbaren Energien in Deutschland gibt es eine kontroverse öffentliche Diskussion, in der man sich je nach Standpunkt auf unterschiedliche Untersuchungen beruft. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/633 3 Insgesamt ist die Förderung der Erneuerbaren Energien in erster Linie ein energie- und umweltpolitisches und weniger ein beschäftigungspolitisches Instrument. Dies wird auch durch den im Vergleich zur Gesamtzahl der Beschäftigten sehr geringen Anteil der direkt Beschäftigten im Bereich der Erneuerbaren Energien deutlich (auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.). Unabhängig davon scheint sich aber ein Trend abzuzeichnen, der darauf hin deutet, dass bis 2020 die Gesamtzahl der Vollzeitbeschäftigten im Bereich der Erneuerbaren Energien im Vergleich zum Jahr 2012 abnehmen wird. Ursächlich sind hierfür zu einem wesentlichen Teil die zur Begrenzung der Kostendynamik bei der EEG-Umlage notwendigen Ausbaubeschränkungen des EEG 2014. Diese führen bei fast allen Sparten der Erneuerbaren Energien zu deutlich geringeren Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten, als dies bei fortgeführten Ausbauanstrengungen entsprechend dem Szenario C des Netzentwicklungsplans der Fall gewesen wäre. In einzelnen Sparten der Erneuerbaren Energien ist - entgegen dem allgemeinen Trend - eine deutliche Zunahme bei den Beschäftigtenzahlen zu erwarten. So lassen Szenarienvergleiche, die in einer Kurzstudie des IÖW zu den möglichen Auswirkungen des Referentenentwurfs zum EEG 2014 auf Wertschöpfungs-und Beschäftigungseffekte durch Erneuerbare Energien bis 2020 vorgenommen wurden, eine signifikante Zunahme der Beschäftigtenzahlen bei der Windenergie On- und Offshore erwarten. Dieser positiven Entwicklung steht die Erwartung eines massiven, bereits jetzt beobachtbaren Rückgangs der Investitionen und damit der Beschäftigtenzahlen in der Fotovoltaikindustrie gegenüber, der die Zuwächse in der Windbranche deutlich übertrifft und letztlich die Gesamtentwicklung bestimmt. Allerdings bezogen sich die diesbezüglichen Untersuchungen für das Jahr 2013 allein auf die Bruttobeschäftigung. Ob Nettobeschäftigungseffekte zu Stande gekommen sind, soll eine weitere Untersuchung ergeben, die voraussichtlich im Herbst veröffentlicht wird. Bis dahin sind die Aussagen des ifo-Chefs zu den Nettoeffekten des EEG auf die Beschäftigtenzahlen als unbelegt anzusehen. In der langfristigen Perspektive ist sehr wohl davon auszugehen, dass Bevölkerung und Wirtschaft in Deutschland in vielerlei Hinsicht von der Energiewende profitieren können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Ausbau der Erneuerbaren Energien konsequent fortgeführt wird. Nach der Leitstudie des BMU aus dem Jahr 2011 ist damit zu rechnen, dass eine durch die Energiewende im Strom- und Wärmesektor induzierte Aufstockung des volkswirtschaftlichen Investitionsvolumens zu erheblich mehr Steuereinnahmen und zu mehr Beschäftigung führen wird. Frage 7. Wie will die Landesregierung die Abhängigkeit der Arbeitsplätze von der EEG-Subven- tionierung zukünftig verringern? Voraussetzung für die Verringerung der Abhängigkeit der Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien ist die Entstehung eines selbsttragenden Arbeitsmarktes im Zuge der zunehmenden Marktintegration der Erneuerbaren Energien. Die Rahmenbedingungen hierzu werden mit dem EEG 2014 deutlich verbessert. Insgesamt könnten die arbeitsmarktpolitischen Wirkungen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien insbesondere durch die Ausweitung des Exports von regenerativer Energietechnologie verbessert werden. Hierfür wird sich die Hessische Landesregierung auch in Zukunft einsetzen. Wiesbaden, 11. August 2014 In Vertretung: Mathias Samson