Kleine Anfrage der Abg. Faulhaber (DIE LINKE) vom 02.05.2018 betreffend bedarfsgerechte Aufnahme von Geflüchteten mit Behinderungen - Teil II und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Im März 2018 veröffentlichte das Deutsche Institut für Menschenrechte einen Bericht über die Situation von Geflüchteten mit Behinderungen in Deutschland und formulierte Empfehlungen für eine bedarfsgerechte Flüchtlingsaufnahme. Dieser Bericht, der auf Ergebnissen einer Untersuchung der Monitoring-Stelle UN- Behindertenrechtskonvention basiert, offenbart schwere Defizite bei der Erfassung und bedarfsgerechten Versorgung von Geflüchteten mit Behinderungen. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Neben den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (EU-Aufnahmerichtlinie), die Mitgliedstaaten, schutzbedürftige Personen zu identifizieren und ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen sowie die besondere Situation bei der Unterbringung zu berücksichtigen. Schutzbedürftige Personen im Sinne der Richtlinie sind dabei u.a. Personen mit Behinderungen sowie Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Die hessische Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung im Umgang mit behinderten Geflüchteten und anderen schutzbedürftigen Personen bewusst und trägt den Bedürfnissen dieser Menschen bei der Aufnahme und Unterbringung Rechnung. Das hessische "Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und anderen ausländischen Personen" verpflichtet die Landkreise und Gemeinden, die aufzunehmenden Personen in Unterkünften unterzubringen, die einen menschenwürdigen Aufenthalt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung gewährleisten. Dabei sind auch bei der kommunalen Unterbringung die Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU durch die Landkreise und kreisfreien Städte zu berücksichtigen . Die Aufsicht über die Kreise und kreisfreien Städte wird konsequent und in kollegialem Umgang mit den Gebietskörperschaften ausgeführt. Es existiert jedoch kein gesetzgeberischer Auftrag Statistiken über bestimmte Sachverhalte im Rahmen dieser Aufsicht vorzuhalten. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welchen Einfluss auf die Entscheidung zur Gewährung behinderungsbedingter Leistungen hat die sogenannte Bleibeperspektive des Antragstellers? Keinen. Frage 2. Wie wird sichergestellt, dass die Sachbearbeitenden der Kommunen über das notwendige medizinische und rehabilitationswissenschaftliche Fachwissen verfügen, um die Bedarfe zu beurteilen? Bezüglich der Gebietskörperschaften wird auf die Vorbemerkung des Hessischen Ministers für Soziales und Integration verwiesen. Frage 3. Wie werden Menschen, die stationär oder durch 24-Stunden-Assistenz betreut werden müssten, da sie pflegebedürftig oder schwer- und mehrfachbehindert sind, versorgt? Diese Personen können in den speziell für die Unterbringung von pflegebedürftigen und behinderten Asylsuchenden ausgestatteten Aufnahmeeinrichtungen des Landes Hessen versorgt und Eingegangen am 12. Juni 2018 · Bearbeitet am 14. Juni 2018 · Ausgegeben am 18. Juni 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6352 12. 06. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6352 betreut werden und erhalten die für ihre Gesundheit erforderlichen bzw. im Einzelfall unerlässlichen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der Regel sind pflegebedürftige Personen in Begleitung von Angehörigen, die sie mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste betreuen können. Der Pflegedienst wird von dem zuständigen Fachdezernat des Regierungspräsidiums Gießen beauftragt. Schwer- und mehrfachbehinderte Personen werden zumeist ebenfalls durch ihre Angehörigen begleitet bzw. versorgt und können regelmäßig durch Dritte unterstützt werden. An den Standorten in Gießen wird zum Beispiel die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. bei Fragen zur Frühförderung, Beschulung und allgemeinen Unterstützung kontaktiert und es finden Besuche durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebenshilfe e.V. in den Einrichtungen statt. Soweit die betroffenen Personen nicht von Angehörigen begleitet werden, erhalten sie Hilfe und Unterstützung durch den sozialen Dienst, den medizinischen Dienst sowie durch die ambulanten Pflegedienste. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter koordinieren die Hilfsmaßnahmen in Kooperation mit dem Fachdezernat des Regierungspräsidiums Gießen und sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für alle Beteiligten. Eine 24-Stunden-Assistenz wird in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes Hessen in der Regel nicht durchgeführt. Je nach Versorgungsmöglichkeit erfolgt diese durch Einrichtungen der Regelversorgung (z.B. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen). Bezüglich der Gebietskörperschaften wird auf die Vorbemerkung des Hessischen Ministers für Soziales und Integration verwiesen. Frage 4. Welche Möglichkeiten für eine stationäre Versorgung außerhalb der Flüchtlingsheime bestehen? Eine stationäre Versorgung ist in den Einrichtungen der Regelversorgung möglich. Im Bedarfsfall kann, mit Unterstützung durch den medizinischen Dienst der Erstaufnahmeeinrichtung bzw. den Sozialdiensten, abhängig von der individuellen Notwendigkeit, eine Krankenhauseinweisung oder die Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung sowie die Koordinierung der Aufnahme erfolgen. Bezüglich der Gebietskörperschaften wird auf die Vorbemerkung des Hessischen Ministers für Soziales und Integration verwiesen. Frage 5. Welche Hilfeleistungen bestehen für Asylsuchende, die spezielle Dolmetscher brauchen, etwa weil sie nicht hören und/oder nicht sprechen können? Die Bereitstellung von erforderlichen Sprachmittlerdiensten ist vom Leistungsumfang nach §§ 4, 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes umfasst, sodass ein Dolmetscher nach Einzelfallentscheidung gewährt wird. Für Asylsuchende in den Erstaufnahmeeinrichtungen besteht die Möglichkeit eine speziell ausgebildete Gebärdendolmetscherin/einen speziell ausgebildeten Gebärdendolmetscher zu bestellen. Weiterhin kann mit einem "Ohne-Wörter-Buch" bereits vor dem Eintreffen einer Gebärdendolmetscherin /eines Gebärdendolmetschers eine erste Kommunikation aufgenommen werden. Frage 6. Wie werden Geflüchtete mit Behinderungen über ihre Rechte informiert? Grundsätzlich werden Asylsuchende mit Behinderungen ebenso wie Geflüchtete ohne Behinderungen informiert und belehrt. Hierfür steht ihnen bei Bedarf eine Gebärdendolmetscherin/ein Gebärdendolmetscher zur Verfügung. Wenn Asylsuchende weitergehende Fragen bezüglich ihrer Rechte haben, können sie sich jederzeit an die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie die Asylverfahrensberatung wenden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die nach dem Bundesteilhabegesetz eingerichteten unabhängigen Beratungsstellen oder auch die durch das Land Hessen unterstützten Sozialberatungsstellen der Organisationen von Menschen mit Behinderungen (z.B. des Landesverbandes der Gehörlosen und Hörbehinderten) aufzusuchen. Hinzu kommt das Beratungsangebot der Leistungsbehörden (z.B. Versorgungsamt, Integrationsamt etc.). Diese Beratungsstellen fokussieren sich dabei auf die durch die Behinderung gegebenen Teilhabeeinschränkungen , ein Migrationshintergrund spielt dabei keine Rolle. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6352 3 Frage 7. Wie bzw. durch welche Stelle im Ankunftszentrum werden schutzbedürftige Asylsuchende im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie, insbesondere Personen mit psychischen Störungen und traumatisierte Personen, identifiziert? Die besondere Schutzbedürftigkeit von Asylsuchenden sowie vorhandene Behinderungen werden regelmäßig bereits zu Beginn des Aufnahmeverfahrens im Rahmen der Registrierung und medizinischen Erstuntersuchung durch das medizinische Personal des Ankunftszentrums festgestellt und dokumentiert. Da Behinderungen und ein besonderer Schutzbedarf nicht immer äußerlich erkennbar sind und diese auch seitens der Betroffenen nicht immer zu Beginn ihres Aufenthalts mitgeteilt werden, werden besondere Bedürfnisse auch während des Aufenthalts durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , insbesondere solche des sozialen Dienstes, festgestellt und erfasst. In einem solchen Fall wird das medizinische Personal informiert. Frage 8. Wie ist das Personal im Ankunftszentrum, das schutzbedürftige Asylsuchende im Sinne der EU- Aufnahmerichtlinie, insbesondere Personen mit psychischen Störungen und traumatisierte Personen , identifizieren soll, qualifiziert? Die in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes Hessen tätigen Ärztinnen und Ärzte weisen aufgrund ihrer akademischen und praktischen Ausbildung sowie der regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungen das benötigte Fachwissen auf, um psychische Störungen oder Traumatisierungen feststellen zu können. Zur Sensibilisierung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen werden regelmäßige Schulungen angeboten und durchgeführt. Frage 9. Welchen Einfluss auf den Verfahrensablauf im Ankunftszentrum, insbesondere auf die Asylantragstellung , hat die Identifikation eines Asylsuchenden als schutzbedürftig im Sinne der EU- Aufnahmerichtlinie? Bei der Identifikation als schutzbedürftig im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie wird im Verfahrensablauf im Ankunftszentrum den individuellen besonderen Bedürfnissen der Betroffenen Rechnung getragen. Die Zuständigkeit für das Asylantragsverfahren liegt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge . Wiesbaden, 4. Juni 2018 Stefan Grüttner