Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 04.05.2018 betreffend nachträgliche Auflagen für Windkraftanlagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: In Hofbieber-Traisbach (Landkreis Fulda) hat die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Kassel laut Medienberichten vom 3. Mai 2018 die sofortige Abschaltung dreier in Betrieb befindlicher Windkraftanlagen angeordnet, weil in dem als Dichtezentrum für Rotmilane bekannten Gebiet ein weiterer Rotmilanhorst nachgewiesen wurde. Im unmittelbaren Umfeld wird das Artenschutzprojekt "Rotmilan in der Rhön" des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön durchgeführt. Schon bisher galten für diese Anlagen in der Nacht Abschaltphasen zum Schutz von Fledermäusen. Die drei Windkraftanlagen wurden 2016 von der Firma Abo-Wind errichtet und laut Medienberichten später für 14,3 Millionen Euro an die Energiegenossenschaft Eichenzell verkauft. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Hätte die Genehmigung der Windkraftanlagen angesichts des durch Naturschutzverbände nachgewiesenen Vorkommens geschützter Arten und der unmittelbaren Nähe des Artenschutzprojektes "Rotmilan in der Rhön" nicht erteilt werden dürfen? Nach Bundesimmissionsschutzgesetz sind Windenergieanlagen zu genehmigen, wenn die besonderen Anforderungen des Immissionsschutzes erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Für die zum Zeitpunkt der Genehmigung im Gebiet bekannten Brutvorkommen des Rotmilans war zu prüfen, ob die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG berührt werden. Die naturschutzfachliche und -rechtliche Prüfung zum Zeitpunkt der Genehmigung ergab, dass dies nicht der Fall ist. Dementsprechend konnte die Genehmigung am 17. Februar 2015 erteilt werden. Frage 2. Ist nach Ansicht der Landesregierung angesichts der Untersagung des Weiterbetriebes der Anlagen die Wirtschaftlichkeit des Windparks gefährdet? Eine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit des Windparks besteht nicht, da die in der Vorbemerkung angesprochene Abschaltverfügung vom 26. April 2018 bereits am 7. Mai 2018 wieder aufgehoben wurde. Frage 3. Für welche hessischen Windkraftanlagen (Standort, Betreiber) wurden nachträglich, also nach Inbetriebnahme , Genehmigungsnebenbestimmungen und Auflagen so verändert, dass es zu Einschränkungen des Betriebes kommt oder dieser zu erwarten ist? Bezogen auf den Kontext der Vorbemerkung des Fragestellers, welche sich auf die etwaige nachträgliche Ansiedlung einer Großvogelart im Anlagenumfeld bezieht, sind in Hessen keine vergleichbaren Fälle bekannt, bei denen Genehmigungsnebenbestimmungen und Auflagen nach Inbetriebnahme dahingehend verändert wurden, dass es zu Einschränkung des Betriebes gekommen ist oder diese zu erwarten gewesen wären. In den Genehmigungsbescheiden werden allerdings Vorbehaltsnebenbestimmungen zu Fledermausaktivitäten beschrieben, die nach einer Phase der Ermittlung (Fledermausmonitoring) dazu führen können, dass eine Anpassung der Betriebszeiten möglich ist. Hierdurch kann es aufgrund der Verschärfung einzelner Abschaltkriterien zu einer (weiteren) Einschränkung des Betriebs ge- Eingegangen am 15. Juni 2018 · Bearbeitet am 18. Juni 2018 · Ausgegeben am 22. Juni 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6364 15. 06. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6364 kommen sein. Dabei handelt es sich jedoch nicht um nachträgliche Anordnungen, sondern nur um die nachträgliche Anpassung der Betriebszeiten. Frage 4. Wie wird die Einhaltung nachträglicher Änderungen der Betriebsbestimmungen für Windkraftanlagen in der Praxis sichergestellt? Grundsätzlich wird die Einhaltung von Nebenbestimmungen durch Kontrollen sichergestellt. Dies gilt auch für etwaige nachträgliche naturschutzrechtliche Änderungen der Nebenbestimmungen wie z.B. der Anpassung von Abschaltvorgaben nach Durchführung eines Fledermausmonitorings. Hierbei wird zunächst die Vorlage eines Nachweises über die korrekt durchgeführte Programmierung und Konfiguration der Anlagensteuerung erforderlich. Anhand regelmäßig vorzulegender Betriebsprotokolle erfolgt dann die Kontrolle auf korrekte Einhaltung der Abschaltvorgaben. Frage 5. Haben Betreiber von Windkraftanlagen nachträgliche Änderungen der Genehmigungsnebenbestimmungen beklagt (welche konkret) und mit welchem Ergebnis? Es sind keine Fälle bekannt, in denen Bescheidinhaber oder deren Rechtsnachfolger gegen nachträgliche Änderungen der naturschutzrechtlichen Nebenbestimmungen geklagt haben. Frage 6. Wer kommt für den Rückbau von Windkraftanlagen auf, die aus genehmigungsrechtlichen Gründen nicht weiterbetrieben werden dürfen? Nach § 35 Abs. 5 Satz 2 des Baugesetzbuches müssen Vorhaben der Betreiberin einer Windenergieanlage nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückgebaut werden und die Bodenversiegelungen beseitigt werden. Diese Verpflichtung gilt für jede Windenergieanlage, die im Außenbereich nach § 35 BauGB errichtet worden ist, unabhängig davon, ob sie immissionsschutzrechtlich oder baurechtlich genehmigt wird. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird in den Genehmigungen durch entsprechende Nebenbestimmungen sichergestellt. Frage 7. Sind nach Auffassung der Landesregierung die vom Betreiber Abo-Wind bei der Genehmigung der Anlagen vorgelegten Bürgschaften ausreichend, um einen möglichen Rückbau der Anlagen durch die Energiegenossenschaft Eichenzell sicherzustellen? Im Fall des Windparks Hofbieber-Traisbach wurden für die drei Windenergieanlagen jeweils 141.000 € (Gesamtbetrag 423.000 €) als Sicherheitsleistung hinterlegt. Dabei handelt es sich um eine Bankbürgschaft der Sparkasse Bremen. Die Höhe der Sicherheitsleistung ergibt sich aus der Formel: "Nabenhöhe der Windenergieanlage (m) x 1000 = Betrag der Sicherheitsleistung (€)" und entpricht dem gemeinsamen Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (v. 17. Oktober 2011, StAnz. S. 1351, geändert am 15. März 2012, StAnz. S. 414 und am 7. November 2013, StAnz. S. 1454). Erfahrungsgemäß handelt es sich um einen ausreichenden Betrag zum Rückbau von Windenergieanlagen. Derzeit bildet die Formel eine realistische Grundlage für die Wertermittlung ab, um den Rückbau abgesichert vollziehen zu können. Frage 8. Kann die Landesregierung ausschließen, dass die Eigentümer der Flächen für den Rückbau der Windkraftanlagen aufkommen müssen, wenn der Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen zahlungsunfähig wird? Ja. Speziell zu diesem Thema wurde der in der Antwort zur Frage 7 genannte Erlass erstellt. Dieser regelt und harmonisiert die "Umsetzung der bauplanungsrechtlichen Anforderungen zur Rückbauverpflichtung und Sicherheitsleistung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Außenbereich" in der hessischen Verwaltungspraxis. Mit dem Rückbauerlass sollen die Eigentümer der Flächen, die ihren Boden den Windenergieanlagenbetreibern zur Verfügung stellen, geschützt werden. Mit dem Rückbauerlass ist gesichert , dass die Betreiberin den Rückbau der WEA mit Hilfe der bei der Behörde hinterlegten Sicherheitsleistung finanzieren kann. Lediglich Windenergieanlagen, die vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB i.V.m. § 244 Abs. 7 BauGB, also vor dem 20. Juli 2004 genehmigt wurden, fallen aus der Verpflichtung zur Abgabe einer Sicherheitsleistung heraus. Hier sind Ersatzzahlungen nicht gänzlich auszuschließen, diesbezügliche Fälle sind der Landesregierung jedoch nicht bekannt. Wiesbaden, 1. Juni 2018 Priska Hinz