Kleine Anfrage der Abg. Waschke und Degen (SPD) vom 04.05.2018 betreffend Beteiligung des Landes Hessen am EU-Schulobstprogramm und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Seit 2009 können sich die Bundesländer an dem Schulobstprogramm der Europäischen Union (EU) beteiligen . Durch das Programm soll die Gesundheit der Kinder und die Wertschätzung für Obst und Gemüse bei Kindern gesteigert werden. Hessen hat sich bisher nicht an dem Programm beteiligt. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Kultusminister wie folgt: Frage 1. Wie gestalten sich aktuell die Konditionen, unter denen Bundesländer am EU-Schulobstprogramm teilnehmen können? Durch eine EU-Verordnung sind das bisherige Schulobstprogramm sowie das Schulmilchprogramm zu einem neuen Schulprogramm für Obst und Gemüse, Bananen sowie Milch zusammengefasst worden. Die bisherige Kofinanzierung durch die Länder fällt weg. Für das Schuljahr 2018/19 hat die KOM für das Schulprogramm insgesamt eine EU-Beihilfe in Höhe von 250 Mio. € zur Verfügung gestellt. Auf Deutschland entfallen für 2018/19 davon ca. 35,4 Mio. €. Gemäß Artikel 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/39 der Kommission reichen die Mitgliedstaaten, die am Programm der Union für die Abgabe von Obst und Gemüse, Bananen sowie Milch in Bildungseinrichtungen (im Folgenden "Schulprogramm") teilnehmen wollen, bei der Kommission jedes Jahr bis zum 31. Januar ihren Antrag auf Unionsbeihilfe für das nächste Schuljahr ein und aktualisieren gegebenenfalls den Antrag auf Unionsbeihilfe für das laufende Schuljahr. Dabei werden die Bereiche Obst und Gemüse und Bananen sowie der Bereich Milch jeweils gesondert beantragt. Für das Schuljahr 2018/19 wurden Hessen 732.233 € für das Schulprogramm/Teil Milch bewilligt . Grundlage des Verteilschlüssels bildet der jeweilige Anteil der 6- bis 10-jährigen Kinder in den Mitgliedstaaten. Zielgruppe sind aber alle Kinder und Jugendlichen in Bildungseinrichtungen. Frage 2. Welche anderen Bundesländer nehmen am Schulobstprogramm teil? Mit Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein -Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen nehmen zwölf Bundesländer an der Schulobst- und -gemüsekomponente teil. Mit Schulmilch werden Kinder in 14 Bundesländern versorgt: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen , Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Eingegangen am 5. Juli 2018 · Bearbeitet am 6. Juli 2018 · Ausgegeben am 11. Juli 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6367 05. 07. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6367 Frage 3. Hält die Landesregierung an ihrer ablehnenden Haltung zur Teilnahme am EU-Schulobstprogramm fest? Vor dem Hintergrund des sehr hohen finanziellen und bürokratischen Aufwandes sowie der Tatsache , dass nur ein Bruchteil der Schülerinnen und Schüler - und nicht einmal alle Grundschülerinnen und Grundschüler - an dem Programm teilnehmen könnten, kann eine Teilnahme am Schulobst-Programm weiterhin nicht befürwortet werden. Auf die Ausführungen zu Frage 7 wird verwiesen. Frage 4. Wie viele hessische Schulen bieten bereits kostenfrei Schulobst an, indem dies beispielsweise über einen Förderverein (wie am Beispiel Riehl-Schule Wiesbaden) realisiert wird? Die Ernährungsbildung ist in den hessischen Kerncurricula an verschiedenen Stellen verankert. Zur praktischen Umsetzung der Lerninhalte bieten sich vielfältige Möglichkeiten an, beispielsweise der Besuch von Bauernhöfen, das Betreiben eines Schulgartens oder die regelmäßige Inanspruchnahme von Schulobst. Aufgrund der regionalen Möglichkeiten und Besonderheiten entscheiden die Schulgemeinden, ob und wie sie Ernährungsbildungsmaßnahmen auch praktisch umsetzen wollen. Eine landesweite Kontrolle der Schulen hierüber erfolgt nicht. Durch die Rotary Clubs werden beispielsweise derzeit rund 30 Schulen mit Schulobst versorgt, weitere 30 Schulen haben an dem letzten Apfeltag der Rotarier teilgenommen. Frage 5. Wie viele hessische Schülerinnen und Schüler könnten schätzungsweise maximal aufgrund welcher Kriterien in den kostenfreien Genuss von Schulobst kommen, sofern sich das Land Hessen am EU-Programm beteiligen würde? Bei derzeit rund 216.000 Grundschülerinnen und Grundschülern und einem Stückpreis für Obst/Gemüse von 30 Cent ergibt sich folgende Situation: Damit jede Grundschülerin/jeder Grundschüler in Hessen zumindest eine einzige Obstgabe pro Woche bei etwa 40 Schulwochen im Jahr erhalten könnte, wären ca. 2,6 Mio. € pro Jahr EU-Schulobstbeihilfe notwendig; laut Verteilungsschlüssel stünden Hessen jedoch lediglich rund 1,9 Mio. € zu, so dass eine Finanzierungslücke in Höhe von ca. 700.000 € entstehen würde. Ohne zusätzliche Landesmittel könnten bei einer einmaligen Schulobstgabe pro Woche unter den derzeitigen Bedingungen nur gut drei Viertel der Schülerinnen und Schüler an dem Schulobstprogramm teilnehmen. Ungeachtet der Frage, ob eine einzige Obstportion pro Woche überhaupt gesundheitliche Auswirkungen hätte, müsste eine Entscheidung getroffen werden, welche Schüler einmal pro Woche Obst erhalten und welche nicht. Frage 6. Wie weit ist die auf europäischer Ebene diskutierte Zusammenlegung von Schulobst- und Schulmilchprogramm (vgl. Kleine Anfrage 19/261) vorangeschritten? Ab dem Schuljahr 2017/2018 wurde das bisherige EU-Schulobst/-Schulgemüse-Programm sowie das Schulmilchprogramm zu einem EU-Schulprogramm zusammengefasst. Frage 7. Woran macht die Landesregierung ihre Antwort auf die Kleine Anfrage 19/261 vorgebrachte Kritik in Bezug auf "bürokratisch" und "aufwendig" fest? Die Fördermaßnahme muss umgesetzt und den Anforderungen entsprechend fortwährend überwacht und dokumentiert werden. Diese Aufgaben werden durch die Beihilfe aber nicht abgedeckt und würden den Landeshaushalt zusätzlich belasten. Die WI- Bank müsste das zusätzliche komplizierte EU-Förderverfahren umsetzen und würde dafür eine finanzielle Kompensation erhalten. Da die Bewilligung der Schulobstbeihilfe - analog zur Schulmilch - dem Regierungspräsidium Gießen übertragen werden müsste, wären dort jeweils eine zusätzliche Stelle im mittleren und gehobenen Dienst erforderlich. Diese Einschätzung fußt darauf, dass hessenweit ca. 50 Lieferanten zu kontrollieren wären. Die Umsetzung des EU-Programms wäre somit extrem aufwendig , bürokratisch und sehr teuer. Frage 8. Unter welchen Voraussetzungen ist für die Landesregierung eine Beteiligung am Schulobstprogramm der EU vorstellbar? Eine Beteiligung des Landes ist nur vorstellbar, wenn die Umsetzung weniger teuer, weniger aufwendig und weniger bürokratisch wäre. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6367 3 Frage 9. Wie gestaltet sich die in der Antwort auf die Kleine Anfrage 19/261 von der Landesregierung in Aussicht gestellte "Offensive für gesunde und regionale Ernährung" derzeit in Hinblick auf Kosten und Teilnehmerzahlen? Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung, die gemeinsam vom Ministerium für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Kultusministerium kofinanziert wird und bei der Lehrkräfteakademie in Frankfurt verstetigt ist, sollte Maßnahmen für eine "Offensive für gesunde und regionale Ernährung" entwickeln. Der Lenkungsausschuss der Vernetzungsstelle Schulverpflegung wird in seiner Herbstsitzung darüber entsprechend entscheiden. Im Rahmen des Integrierten Klimaschutzplans 2025 (iKSP) stehen ferner eine ganze Reihe von Maßnahmen im Fokus, die Ernährungsbildung mit diesen Schwerpunkten in die Schulen tragen. Dazu zählen die Ausweitung der "Werkstatt Ernährung" sowie des Unterrichtsbausteins "Bauernhof als Klassenzimmer". Diese Maßnahmen werden kombiniert mit weiteren Projekten zur Ernährungsbildung. Die Maßnahmen laufen noch im Jahr 2018 an. Dafür stehen jährlich rund 1,76 Mio. € zur Verfügung. Mit diesen Projekten werden mehr Schülerinnen und Schüler als jemals zuvor mit Themen der Ernährungsbildung im Blick auf Klimaschutz, Regionalität und Gesundheit erreicht. Frage 10. Welche Summe stünde von der Seite der EU der Landesregierung jährlich für die Durchführung des Programmes zur Verfügung? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Wiesbaden, 22. Juni 2018 Priska Hinz