Kleine Anfrage des Abg. Schalauske (DIE LINKE) vom 07.05.2018 betreffend Gewinnausschüttung der hessischen Sparkassen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: Die in öffentlich-rechtlicher Gewährsträgerschaft geführten Sparkassen sind am Gemeinwohl orientiert und dienen der Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen. Nach § 2 des Sparkassengesetzes gehört es zur Aufgabe der hessischen Sparkassen, die kommunalen Belange - insbesondere im wirtschaftlichen, regionalpolitischen , sozialen und kulturellen Bereich - zu fördern. Nach § 16 Abs. 3 des Sparkassengesetzes (HSpG) können die hessischen Sparkassen in "einem angemessenen Umfang" Abführungen von Überschüssen an den Träger unternehmen. Auf seiner Jahrespressekonferenz am 26.02.2018 stellte der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen die Geschäftszahlen für das Jahr 2017 vor. Erneut konnte der Verband auf erfreuliche Zahlen verweisen. Das Betriebsergebnis in Höhe von gut 1 Mrd. € stellte sich trotz leichter Verluste deutlich besser dar, als vor der Bewertung angenommen. Dennoch fällt die Abführung an die kommunalen Träger regional höchst unterschiedlich aus und liegt häufig unter den Erwartungen der Träger oder findet trotz wirtschaftlicher Möglichkeiten gar nicht statt. Die Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. In welcher Höhe wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 Abführungen von Überschüssen nach § 16 Abs. 3 HSpG an die kommunalen Träger durch die Sparkassen vorgenommen? (Ich bitte um Aufschlüsselung nach Jahr und kommunalen Trägern) Die erbetenen Informationen können aus der anliegenden Übersicht entnommen werden. Da viele Sparkassen ihren Jahresabschluss für 2017 noch nicht festgestellt und daher über eine Ausschüttung noch nicht entschieden haben, werden die Angaben für die Jahre 2015 und 2016 aufgeführt . Frage 2. Die Sparkassen in Hessen und Thüringen haben nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 330 Mio. € Gewinn erwirtschaftet - ein Viertel mehr als im Jahr davor. Wie erklärt sich die Landesregierung angesichts dieses insgesamt sehr guten Ergebnisses, dass es zum Teil sehr große regionale Unterschiede bei der Gewinnausschüttung an Kommunen gibt und die Sparkassen mitunter deutlich höhere Sicherungsrücklagen bilden als von der Bundesanstalt für Dienstleistungsaufsicht gefordert werden, obwohl alle hessischen Sparkassen gleichermaßen gemäß des Sparkassengesetzes das öffentliche Wohl und damit auch das Wohl ihrer kommunalen Träger im Blick behalten sollten? Gemäß § 16 Abs. 3 S. 1 HSpG ist mindestens ein Drittel des Jahresüberschusses den Rücklagen zuzuführen. Soweit der verbliebene Betrag nicht zur weiteren Stärkung der Rücklagen benötigt wird, können aus ihm in angemessenem Umfang Abführungen an den Träger erfolgen. Mit dieser Regelung stellt der Gesetzgeber die besondere Bedeutung der Gewinnthesaurierung für die Sparkassen in den Vordergrund. Sie ist in der Praxis für die Institute die einzige Möglichkeit zur Stärkung ihres Eigenkapitals, da Kapitalzuführungen seitens des Kapitalmarkts für die Sparkassen ebenso wenig in Betracht kommen wie Zuführungen durch den Träger. Nach der Pflichtzuführung von einem Drittel hat der Verwaltungsrat bei seiner Entscheidung über die Verwendung des übrigen Jahresüberschusses die jeweilige Situation der Sparkasse und hier insbesondere ihren künftigen Kapitalbedarf zu berücksichtigen. Dieser hängt wiederum von den in der Regel steigenden, für jedes Institut individuell berechneten aufsichtlichen Vorgaben und den weiteren Planungen der Sparkasse ab. Hierbei spielen u. a. auch Aufsichtsanforderungen sowie Zins- und Konjunkturprognosen eine Rolle. Eingegangen am 10. Juli 2018 · Bearbeitet am 10. Juli 2018 · Ausgegeben am 13. Juli 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6371 10. 07. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6371 Wesentliches Ziel des Verwaltungsrates muss es dabei sein, dass die Kapitalausstattung so bemessen ist, dass die Erfüllung der Hauptaufgaben der Sparkasse nach § 2 HSpG auch für die Zukunft sichergestellt werden kann. Dementsprechend besteht der Zweck der Trägerschaft einer Sparkasse aus Sicht der Kommune darin, dass diese für ihren kommunalen Träger in dessen Gebiet Aufgaben der Daseinsvorsorge im Bereich der finanz- und insbesondere kreditwirtschaftlichen Versorgung erfüllt. Die Erwirtschaftung von Gewinnabführungen an den kommunalen Träger ist demgegenüber kein originärer Zweck der Geschäftstätigkeit einer Sparkasse. Dabei ist es in der Praxis nicht ausreichend, die individuellen aufsichtlichen Kapitalanforderungen gerade so zu erfüllen. Um künftigen Erwartungen auch bei ungünstigen Wirtschafts- und Marktentwicklungen genügen zu können, ist eine weitergehende Kapitalplanung über die Mindestanforderungen hinaus erforderlich. Die Verwaltungsratsmitglieder entscheiden über die Gewinnverwendung gemäß § 5d Abs. 8 S. 2 HSpG nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl und die Aufgaben der Sparkasse bestimmten Überzeugung und sind dabei an Weisungen nicht gebunden. Die jeweilige Ausschüttungspraxis ist somit Folge der unterschiedlichen Ausgangssituation der Institute und der hierauf bezogenen autonomen Entscheidung des jeweiligen Verwaltungsrates. Frage 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass im Sparkassengesetz ein Rechtsanspruch der Eigentümer an Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Sparkassen verankert werden soll? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass das Gesetz zurecht eine Mindestthesaurierung vorsieht und die Entscheidung, ob und in welcher Höhe eine Sparkasse darüber hinaus aus ihrem Jahresgewinn Ausschüttungen vornimmt, vom Verwaltungsrat getroffen werden sollte. Frage 4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Abführung an die kommunalen Träger, die nach § 16 Abs. 3 S. 1 HSpG bis zu zwei Drittel des Überschusses umfassen kann, von den Sparkassen bis zur gesetzlichen Höchstgrenze geleistet werden sollte? Hauptzweck der Sparkasse ist die Erfüllung ihrer in § 2 HSpG vorgesehenen Aufgaben zum Nutzen der Bürger, der Unternehmen und der öffentlichen Hand und damit auch und insbesondere zum Nutzen ihres Trägers. Hierbei steht Gewinnerzielung ausdrücklich nicht im Vordergrund . § 16 Abs. 3 HSpG gibt neben der Pflichtzuführung zu den Rücklagen deren Stärkung bei Erforderlichkeit vor und erlaubt ansonsten eine angemessene Abführung. Diese Regelung ist nach Auffassung der Landesregierung angemessen und gibt dem Verwaltungsrat einen ausreichenden Entscheidungsspielraum bei der Berücksichtigung der jeweiligen Situation der Sparkasse . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zudem erfüllen die Sparkassen ihre in § 2 Abs. 1 S. 3 HSpG normierte Verpflichtung, die kommunalen Belange insbesondere im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich zu fördern, dies u. a. mit Stiftungen und Spenden. Frage 5. Wie könnte aus Sicht der Landesregierung die Bemessungsgrundlage zum Eigenkapital der Banken verändert werden, so dass die Gewinnausschüttung an Kommunen zukünftig überall in Hessen gleichermaßen im Sinne des öffentlichen Wohls durchgeführt wird? Die bestehenden Regelungen werden als ausreichend und flexibel erachtet. Diese ermöglichen dem entscheidenden Verwaltungsrat die Berücksichtigung sowohl der Belange der Sparkasse als auch des Trägers. Frage 6. Kann die Landesregierung darlegen, in welcher Form die Vorstandsvergütungen der Sparkassen offengelegt werden, um auch hier eine bessere Übersicht und Vergleichbarkeit zu schaffen? Sollte auch deren Berechnungsgrundlage erneuert werden? Alle Sparkassen in Hessen machen im Anhang des Jahresabschlusses die in § 285 S. 1 Nr. 9 Buchstabe a HGB vorgesehenen Angaben. Diese erfolgen ganz überwiegend in individualisierter Form. Die Jahresabschlüsse einschließlich Anhang werden im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und sind für jedermann zugänglich. Dies bedeutet einen hohen Grad an Transparenz . Nach § 20 Abs. 5 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 2 HSpG erlässt der Sparkassen- und Giroverband Richtlinien für die Vergütung und Versorgung der angestellten Vorstandsmitglieder. Dem Verband gehören sowohl die Sparkassen als auch die kommunalen Träger als Mitglieder an. Auf der Grundlage dieser Richtlinien werden die jeweiligen individuellen Anstellungsbedingungen zwischen dem Vorstandsmitglied und dem Verwaltungsrat, vertreten durch dessen Vorsitzenden, vereinbart. Eventueller Anpassungsbedarf wird im Rahmen dieser Richtlinien durch den Verband umgesetzt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6371 3 Frage 7. Wie bewertet die Landesregierung die Leitlinienvorschläge der europäischen Bankenaufsicht von 2017, die für die Verwaltungsräte der Sparkassen eine Ausbildung im Finanzsektor oder nachgewiesene Fachkompetenz und Praxiserfahrung einfordert? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Besetzung des Verwaltungsrates mit Vertreterinnen und Vertreter der Träger in besonderem Maße geeignet ist, den kommunalen Versorgungsauftrag der Sparkassen zu gewährleisten? Sieht die Landesregierung die Sparkassen langfristig gewappnet für Zinsänderungsrisiken? Überprüft sie das regelmäßig und leitet gegebenenfalls entsprechende Gegenmaßnahmen ein? Die Landesregierung hat sich zu den Leitlinienentwürfen der europäischen Bankenaufsicht kritisch geäußert. In einem von Hessen initiierten Antrag hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, bei den Anforderungen an Mitglieder von Aufsichtsorganen auf die Berücksichtigung der besonderen Struktur von Sparkassen hinzuwirken und hierbei insbesondere zwischen den Anforderungen an Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleiter und Aufsichtsorganmitglieder zu differenzieren sowie den Proportionalitätsgedanken zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollen die Leitlinien den Vertretern des Trägers einer Sparkasse, die regelmäßig aus der Lokalpolitik oder aus dem öffentlichen Dienst stammen, nicht allein aufgrund dieser Tatsache Interessenkonflikte unterstellen (BR-Drucksache 38/17, Nr. 18 ff.). Gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen (BMF), der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank hat die Landesregierung diese Punkte ebenfalls deutlich gemacht und darauf hingewiesen, dass die kommunalen Vertreter in den Verwaltungsräten kraft ihrer Stellung öffentliche Belange verfolgen und dadurch die Erfüllung des öffentlichen Auftrags der Sparkassen gewährleisten. Insofern bestehe in dieser besonderen Konstellation kein Interessenkonflikt, dem zu begegnen wäre. Wie für alle Kreditinstitute kommt auch für die Sparkassen in der derzeitigen Zinssituation dem Zinsänderungsrisiko eine besondere Bedeutung zu. Die Beobachtung und Steuerung dieses Risikos ist Bestandteil des obligatorischen Risikomanagements. Der sachgerechte Umgang mit diesem Risiko ist Gegenstand der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Prüfungsstelle als gesetzlicher Abschlussprüfer. Deren Prüfungsberichte werden von der BaFin und der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Bankenaufsicht ausgewertet. Auch die Sparkassenaufsicht als Rechtsaufsicht erhält diese Prüfberichte. Hieraus ergibt sich, dass die Sparkassen ihre Zinsänderungsrisiken verantwortungsvoll überprüfen und steuern und ein aufsichtlicher Handlungsbedarf derzeit nicht besteht. Frage 8. Überprüft die Landesregierung, wie viele Wertpapiergeschäfte die Sparkassen auf eigene Rechnung tätigen, obwohl das nicht zu ihren zentralen Aufgaben gehört und für die Kunden und deren Einlagen ein zusätzliches Risiko bedeuten kann? Wie jedes Kreditinstitut legen auch die Sparkassen ständig im Rahmen der Eigenanlage Mittel an, die ihnen auf der Passivseite der Bilanz zufließen und nicht als Kredite wieder ausgereicht werden. Die von der obersten Sparkassenaufsicht herausgegebene Mustersatzung sieht diese Anlagemöglichkeiten für die Sparkassen demnach ausdrücklich vor. Sich hieraus möglicherweise ergebende Risiken werden im Rahmen des Risikomanagements definiert, beobachtet und gesteuert . Die Wirksamkeit des Risikomanagements und der verantwortungsvolle Umgang mit diesen Risiken ist Bestandteil der Jahresabschlussprüfung und der Beurteilung der Aufsicht. Frage 9. Bundesweit hat es mehrere Fälle gegeben, bei denen Sparkassen Personalabbau betreiben und bei Abfindungssummen auch Sozialleistungen einkalkulieren. Sie arbeiten dabei oft mit der Beratungsfirma Bertschat und Hundertmark aus Bad Nauheim zusammen. Gibt es solche Fälle auch in Hessen und sieht die Landesregierung diese Vorgehensweise kritisch? Weder aus der Begleitung der Institute durch die Sparkassenaufsicht noch nach Auskunft des Sparkassen- und Giroverbandes sind Hinweise bekannt, dass hessische Sparkassen mit dem genannten Beratungsunternehmen zusammenarbeiten oder anderweitig entsprechend verfahren. Frage 10. Die hessischen Sparkassen haben ihr Filialnetz im vergangenen Jahr deutlich ausgedünnt und 122 Filialen geschlossen beziehungsweise durch Selbstbedienungsfilialen ersetzt. Ist nach Meinung des Landes Hessen die Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen nach § 2 HSpG, insbesondere in ländlichen Regionen, noch sichergestellt? Und gibt es bereits Konzepte, wie man im Falle weiterer Filialschließungen diese Dienstleistungen anderweitig bereitstellen will? Die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung, die Versorgung ihres Geschäftsgebiets mit Finanzdienstleistungen zu gewährleisten, stellt die Sparkassen vor besondere Herausforderungen. Wesentliche Gesichtspunkte hierbei sind ein sich veränderndes Kundenverhalten, Auswirkungen der Demografie, insbesondere im ländlichen Raum, Kosten für die Umsetzung der Regulatorik 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6371 und der Digitalisierung sowie abnehmende Zinserträge. Beratungsdienstleistungen werden in den Filialen immer seltener nachgefragt. Die Erwartungen der Kunden aber auch der Aufsicht an die Qualität der Beratung steigen. Die Nutzung digitaler Wege der Kommunikation mit den Instituten nimmt rasant zu. Auf diese für alle Kreditinstitute geltenden Entwicklungen müssen auch die Sparkassen reagieren. Dies geschieht in allen Instituten in einem fortlaufenden Prozess. Aus der Begleitung der Sparkassen durch die Aufsicht besteht dabei der Eindruck, dass sich Vorstände und Verwaltungsräte der Bedeutung des Versorgungsauftrags bewusst sind und das Ziel haben, bezogen auf die jeweilige Struktur des Geschäftsgebiets ihres Instituts diese Entwicklungen sowie die sich daraus ergebenden betriebswirtschaftlichen Erfordernisse mit dem Versorgungsauftrag in Einklang zu bringen. Die Landesregierung wird auch weiterhin darauf achten, dass die Sparkassen ihren öffentlichen Auftrag erfüllen. Wiesbaden, 29. Juni 2018 Tarek Al-Wazir Anlage Kleine Anfrage 19/6371Anlage zu Frage 1Sparkasse Jahr Tsd. EuroBad Hersfeld 2015 500Bad Hersfeld 2016 700Darmstadt 2015 5000Darmstadt 2016 5000Dieburg 2015 3000Dieburg 2016 3000Fulda 2015 887Fulda 2016 970Gießen 2015 258Gießen 2016 257Groß-Gerau 2015 1485Groß-Gerau 2016 1485Hanau 2015 6000Hanau 2016 6000Kasseler Spk. 2015 6500Kasseler Spk. 2016 6500Langen-Seligenstadt 2015 1250Langen-Seligenstadt 2016 1250Marburg-Biedenkopf 2015 4693Marburg-Biedenkopf 2016 4708Odenwaldkreis 2015 200Odenwaldkreis 2016 200Starkenburg 2015 2000Starkenburg 2016 2000Werra-Meißner 2015 891Werra-Meißner 2016 475Hessen 2015 32664Hessen 2016 32545Ausschüttungen an den kommunalen Träger