Kleine Anfrage der Abg. Hofmann, Lotz, Löber, Schmitt, Warnecke (SPD) vom 09.05.2018 betreffend Wald im Hessischen Ried und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Vor ca. 60 Jahren wurden bedeutende Teile der Wälder des Hessischen Rieds als Landschaftsschutzgebiet unter besonderen Schutz gestellt. Die Forstliche Flächenschutzkarte wies dem gesamten Hessischen Ried besondere Klima- und Wasserschutzfunktionen zu. Mit der Natura 2000-Richtlinie wurden sehr große Teile als Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebiete europarechtlich gesichert. Neben diesem unbeschränkt gültigen öffentlich-rechtlichen Schutzstatus (laut. UNDeklaration) ist die zivilisatorisch bedingte Ressourcennutzung durch Grundwasserförderung, was forstökologische Gutachten nachweisen , Ursache für die ökologischen Standortveränderungen prioritär geschützter Waldlebensräume. Wie die Arbeitsgruppe II des Runden Tisches Ried erhoben hat, befinden sich inzwischen über 13.500 Hektar dieses besonders schützenswerten Waldökosystems in Auflösung. Der materielle Schaden wird auf mindestens 70 Mio. € beziffert. Alle Landtagsfraktionen haben sich mit diesem Konflikt befasst und in gemeinsamen Entschließungen die Landesregierung aufgefordert, für die beschriebenen Konflikte tragfähige Lösungen bereit zu stellen. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : In Ausführung des Beschlusses des Hessischen Landtags vom 28.06.2016 (Drucksache 19/3539) hat das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 13.07.2016 ein abteilungsübergreifendes Projekt Hessisches Ried unter der Leitung von Frau Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser eingesetzt, um eine tragfähige Konzeption für die Sanierung der Waldbestände im Hessischen Ried zu entwickeln. Im November 2016 legte das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) eine Expertise vor, die die Voraussetzungen und Potenziale für den Erhalt und eine günstige Entwicklung des Lebensraumtyps 9160 (Eichen-Hainbuchenwald) untersucht und das Vorhandensein feuchter Böden als grundlegende Biotopeigenschaft beschreibt. Zur Konkretisierung zielführender Maßnahmen wurden mehrere Projektbegleitkreissitzungen mit Experten, Kommunen und Behörden durchgeführt . Erstes Ergebnis sind die Umsetzung waldbaulicher Maßnahmen (13.07.2017 Erlass an den Landesbetrieb Hessen-Forst, 28.11.2017 Rahmenvertrag mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund und dem Hessischen Städtetag). Diese Vorbemerkungen vorangestellt beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die grundlegenden Konflikte zwischen Natur -, Wald- und Ressourcenschutz auf Dauer zu lösen? Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) entwickelt erstmals ein Gesamtkonzept, das die im Abschlussbericht des Runden Tisches zur Verbesserung der Grundwassersituation im Hessischen Ried identifizierten Handlungsfelder aufgreift und unter Beachtung der Beschlusslage des Hessischen Landtages die Empfehlungen des Abschlussberichts umsetzt. Das Gesamtkonzept soll den politischen Willen zur Sicherung der Wald- und Naturschutzfunktionen zum Ausdruck bringen und eine nachhaltige Verbesserung des Waldzustands im Hessischen Ried erreichen. Basierend auf den Empfehlungen des Runden Tischs prüft der Lenkungsausschuss des Projektes Hessisches Ried aktuell im Rahmen eines genehmigungsvorbereitenden Gutachtens die konkrete Umsetzung eines optimierten Aufspiegelungszentrums, um im FFH-Gebiet 6217-308 "Jägersburger und Gernsheimer Wald" europarechtlich geschützte und von durchfeuchteten Böden ab- Eingegangen am 19. Juni 2018 · Bearbeitet am 19. Juni 2018 · Ausgegeben am 22. Juni 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6404 19. 06. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6404 hängige Lebensräume auf Dauer zu sichern. Das Gutachten wird nach eingehender Variantenbetrachtung ein integrativ entwickeltes Konzept zur Realisierung vorschlagen: Integrativ meint hier die umsichtige Abwägung der Anforderungen der Erhaltungsziele der Natura-2000-Gebiete, insbesondere des grundwasserabhängigen Waldökosystems (LRT 9160), mit dem notwendigen Schutz von Siedlungen und Ackerflächen vor Vernässung sowie eines bedarfsgerechten und nachhaltigen Wassermanagements. Mit Ergebnissen wird im Frühjahr 2019 gerechnet. Frage 2. Die Bewirtschaftungsplanung der Landesregierung aus dem Jahre 2015 testiert dem Ried ein mengenmäßig und qualitativ gesichertes Grundwasservorkommen. Warum werden die nach der Grundwasserverordnung bestimmten Weiser der ungeschädigten Landökosysteme für einen mengenmäßig gesicherten Grundwasservorrat auch im Hinblick auf die Klimaveränderungen bei diesem eindeutigen Schadensszenario in der Bewirtschaftungsplanung des Jahres 2015 nicht berücksichtigt ? Nach dem Waldzustandsbericht 2017 des HMUKLV (Seite 12) sowie auf der Basis der Waldentwicklungsszenarien für das Hessische Ried der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt 2013 kann man feststellen, "dass die Wälder im Ballungsraum Rhein-Main zu den forstlichen Brennpunkten in Mitteleuropa gehören. Flächenverbrauch, Zerschneidung, Stoffeinträge aus der Luft, steigender Wasserbedarf und Erholungsdruck führen zu einer schleichenden Destabilisierung der Wälder". Die Schädigung der Waldökosysteme dauert weiter an. Diese fachliche Zustands- und Ursachenbeschreibung ist aber für die Beurteilung nach den bundesweit anerkannten Bewertungsverfahren für den mengenmäßigen Zustand der Grundwasserkörper unerheblich. Die wasserwirtschaftliche Beurteilung des mengenmäßigen Zustands der Grundwasserkörper erfolgte nach dem zwischen den 16 Bundesländern und dem Bund abgestimmten Verfahren zur Umsetzung der Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Wie bereits beim ersten Bewirtschaftungsplan 2009 bis 2015 wurde auch im zweiten Bewirtschaftungsplan nach den wasserwirtschaftlichen Maßstäben der gute mengenmäßige Zustand in allen Grundwasserkörpern attestiert, da sich in den Beurteilungszeiträumen der beiden Bewirtschaftungspläne keine negativen Trends hinsichtlich abnehmender Grundwasserstände ergeben haben. Somit liegt seit Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Jahre 2000 für ganz Hessen der gute quantitative Grundwasserzustand vor. Die in der Vergangenheit erfolgten Grundwasserabsenkungen sind nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht Tatbestand dieser Beurteilung. Die (jahrzehnte-)lang zurückliegende Schädigung eines Ökosystems (vor Inkrafttreten der WRRL im Jahre 2000) fließt daher nicht in die wasserwirtschaftliche Beurteilung des mengenmäßigen Zustandes der Grundwasserkörper nach WRRL ein. Die Auswirkungen des Klimawandels können derzeit in den Absenkungstrichtern der Grundwasserentnahmen der Großwasserwerke durch die Infiltrationsmaßnahmen kompensiert werden und haben gegenwärtig noch keinen Einfluss auf der Ebene der Grundwasserkörper. Es wird davon ausgegangen, dass jährliche bzw. jahreszeitliche Schwankungen der Grundwasserstände, insbesondere in der Folge von zunehmenden Witterungsextremen, zukünftig stärker ausfallen. Wichtige Zielsetzung des Leitbilds für ein Integriertes Wasserressourcen-Management des Rhein-Main-Raums ist es, den landschaftsökologischen Ansprüchen von grundwassergeprägten Ökosystemen an den Grundwasserstand auch zukünftig unter Beachtung der Klimaeffekte einzuhalten . Derzeit bewegen sich die Grundwasserstände im Hessischen Ried auf einem leicht überdurchschnittlichen Niveau im Vergleich zu den letzten zwei bis drei Jahrzehnten. Frage 3. Warum erteilt derzeit die Obere Wasserbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt in Anbetracht der hohen Schäden an geschützten Landökosystemen, ohne Ausgleich der signifikanten Standortbeeinträchtigungen prioritärer Lebensräume und im Auge der durch Klimaveränderungen verringerten Grundwasserneubildungsrate, langfristige wasserrechtliche Bewilligungen, die das von den forstökologischen Gutachtern und der Bewirtschaftungsplanung für die Natura 2000- Gebiete prognostizierte weitere Fortschreiten der Versteppung der Wälder grundsätzlich und wirksam nicht stoppen? Im Hessischen Ried sind die Grundwasserkörper, trotz der oben beschriebenen Waldschäden, in einem mengenmäßig guten Zustand eingestuft. In derzeit neu erteilten bzw. neu zu erteilenden Wasserrechten wird den Begünstigten ein wasserwirtschaftlich-hydrogeologisches, naturschutzfachliches und forstökologisches Monitoring auferlegt. Im Rahmen des hydrogeologischen Monitorings werden auch die Grundwasserstände bzw. deren Entwicklung überwacht, das forstökologische Monitoring dient der Beobachtung des Waldes, das naturschutzfachliche dem Erhalt und Schutz der grundwassergeprägten Biotope. Wesentlich für die Erteilung von wasserrechtlichen Zulassungen ist, dass die Einhaltung der Richtwerte unterer Grenzgrundwasserstände zum Schutz und Erhalt der grundwassergeprägten Ökosysteme, welche im Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried festgeschrieben sind, sichergestellt ist. Diese Richtwerte stellen einen Kompromiss zwischen den sehr unterschiedlichen Belangen im Hessischen Ried dar und sind daher aus forstlicher und naturschutzfachlicher Perspektive notwendiger Weise unbefriedigend. Hierzu werden im Rahmen der Ge- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6404 3 nehmigungsverfahren umfangreiche Antragsunterlagen gefordert. Dies umfasst auch die Vorlage von instationären Grundwasser-Modellrechnungen, um nachzuweisen, dass auch in Trockenphasen die unteren Grenzgrundwasserstände eingehalten werden können. Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung, im Kontext der Umwelthaftungsrichtlinie der EG, die Klage der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald gegen das Land Hessen, die beim Verwaltungsgericht Darmstadt anhängig ist und die diesen großen Umweltschaden unter Einbeziehung der Verursacher justiziell aufgearbeitet wissen will? Im laufenden Verfahren können hierzu keine Auskünfte erteilt werden. Frage 5. Wie stellt sich die Landesregierung zu ihrer Verantwortung, dass die Wiederherstellung gesunder Wälder, guter Erhaltungszustände der Natura-2000-Gebiete nur im Einklang mit der standort- und ressourcenschonenden Wassernutzung im Hessischen Ried erfolgen kann? Das Regierungspräsidium Darmstadt befindet sich in der finalen Abstimmung zur Aufstellung des Bewirtschaftungsplanes für das FFH-Gebiet 6217-308 "Jägersburger und Gernsheimer Wald" und das Vogelschutzgebiet 6217-404 "Jägersburger/Gernsheimer Wald". Der Bewirtschaftungsplan erläutert in Ziffer 5 die Planungsgrundlagen, die Maßnahmen im Rahmen der ordnungsgemäßen Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie die Maßnahmen, die zur Gewährleistung eines aktuell günstigen Erhaltungszustands und zur Wiederherstellung und Entwicklung von Lebensraumtypen und Arten bzw. deren Habitaten erforderlich sind. Frage 6. Inwieweit stellt die Landesregierung zeitnah sicher, dass in diesem Kontext die Handlungsempfehlungen des Runden Tisches Hessisches Ried und die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie , dass zu jedem Wasserrechtsverfahren eine umfassende FFH-Verträglichkeitsprüfung sowie ein Umweltmonitoring und ein Ausgleich der Schäden durch die Verursacher zu erfolgen habe, umgesetzt werden, um endlich wirksam zukünftigen Umweltschäden entgegenwirken zu können? Wenn sie dies nicht tut, warum nicht? In jedem einzelnen wasserrechtlichen Zulassungsverfahren für eine Grundwasserentnahme ist eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne des § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes durchzuführen, soweit eine Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebietes nicht ausgeschlossen werden kann. Hierbei ist die Rechtsfortentwicklung durch den Europäischen Gerichtshof zu berücksichtigen. Soweit erforderlich werden zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der für die Erhaltungsziele der Natura-2000-Gebiete maßgeblichen Bestandteile Nebenbestimmungen festgesetzt. Zum Umweltmonitoring siehe Antwort zur Frage Nr. 3. Frage 7. Wann stellt sich die Landesregierung endlich ihrer Verpflichtung einen verbindlichen integrierten Fachplan aufzustellen, um die Belange der Wasserwirtschaft, des Naturschutzes, der Forstökologie , sowie der Betroffenen auch im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes langfristig zu lösen ? Entsprechende Ausführungen wurden mit dem schriftlichen Bericht der Landesregierung zum Berichtsantrag der Fraktionen CDU und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN betreffend Waldsanierung im Hessischen Ried - Drucksache 19/6080 - bereits gegeben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Wiesbaden, 11. Juni 2018 Priska Hinz