Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 20.05.2018 betreffend Schwangerschaftsabbruch und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Für Frauen, die einen Beratungsschein für einen Schwangerschaftsabbruch haben, wird es zunehmend schwieriger, einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, die bereit sind, den Abbruch durchzuführen. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: In Hessen steht Frauen in diesen besonderen Konfliktsituationen ein dichtes Netz an Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen freier Träger und von Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung. Diese leisten seit Jahrzehnten auf diesem sensiblen Feld hervorragende Arbeit. Es gehört selbstverständlich zur Gesamtkonzeption der sogenannten Beratungslösung, dass man diese nicht dadurch torpediert, dass man als Betroffene, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet , nicht erfährt, wo man diesen vornehmen lassen kann. Daher ist von dem Werbeverbot nach § 219a Abs. 2 StGB ausdrücklich ausgenommen die "Unterrichtung" von Ärztinnen, Ärzten und anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen über Praxen und Einrichtungen, die bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungslösung durchzuführen. Die von der Fragestellerin behaupteten "Schwierigkeiten" sind insofern zahlenmäßig nicht belegt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister der Justiz und dem Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst wie folgt: Frage 1. Wie viele Ärztinnen und Ärzte sowie Kliniken führen in Hessen Schwangerschaftsabbrüche durch? Frage 2. Wie verteilen sich diese auf die Kreise und kreisfreien Städte? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhanges wie folgt gemeinsam beantwortet : Die der Hessischen Landesregierung bekannten und verfügbaren Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen können der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Gebietskörperschaft Verfügbare ambulante Einrichtungen (Gynäkologen) Verfügbare stationäre Einrichtungen (Kliniken) Stadt Darmstadt 4 Stadt Frankfurt 19 Stadt Offenbach 3 Stadt Wiesbaden 8 1 Lkr. Bergstraße 2 Lkr. Darmstadt-Dieburg 2 Lkr. Groß-Gerau 3 Stadt Rüsselsheim 1 Hochtaunuskreis 3 Eingegangen am 30. Juli 2018 · Bearbeitet am 30. Juli 2018 · Ausgegeben am 2. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6572 30. 07. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6572 Stadt Bad Homburg v.d.H. 1 Main-Kinzig-Kreis 3 3 Stadt Hanau 3 Main-Taunus-Kreis 5 Odenwaldkreis 1 Lkr. Offenbach 5 Rheingau-Taunus-Kreis 1 Wetteraukreis 1 Lkr. Giessen 1 Stadt Giessen 1 Lahn-Dill-Kreis 1 Stadt Wetzlar 2 Lkr. Limburg-Weilburg 1 Lkr. Marburg-Biedenkopf Stadt Marburg 1 Vogelsbergkreis 1 Stadt Kassel 16 2 Lkr. Fulda 2 Stadt Fulda 1 Lkr. Hersfeld-Rotenburg 3 Lkr. Kassel 3 1 Schwalm-Eder-Kreis 3 1 Lkr. Waldeck-Frankenberg 2 2 Werra-Meißner-Kreis 1 Land Hessen 99 15 Frage 3. In welchen Regionen gibt es Anfahrtswege von mehr als einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis eine entsprechende Praxis erreicht wird? Da bei der Wahl des Ortes für einen Schwangerschaftsabbruch nicht nur regionale Gründe, sondern ggf. auch der Wunsch nach Anonymität eine Rolle spielen, kann hierzu keine Auskunft gegeben werden. Im Übrigen gibt es keine gesetzliche Vorgabe zur Erreichbarkeit. Frage 4. Welche Ärztinnen und Ärzte bzw. Kliniken sind bereit, dass die Information über den Eingriff in ihrer Praxis oder Klinik veröffentlicht wird? (Bitte Liste mit Praxen, Kliniken, etc. aufführen) Hierüber liegen keine Informationen vor. Im Übrigen ist aufgrund des rechtshängigen Strafverfahrens einer Gießener Ärztin zurzeit unklar, ob eine solche Veröffentlichung rechtmäßig wäre. Frage 5. In welcher Form ist der Schwangerschaftsabbruch Teil der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten ? Zur Beantwortung der Frage sind die Goethe-Universität Frankfurt, die Justus-Liebig- Universität Gießen und die Philipps-Universität Marburg um Stellungnahme gebeten worden. Die Goethe-Universität Frankfurt hat mitgeteilt, dass das Thema im Blockpraktikum Gynäkologie nur kurz als Krankheitsbild angesprochen wird. Im Rahmen der Vorlesung Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin werde als Teil einer Vorlesung über den § 218 StGB und die damit zusammenhängenden Notwendigkeiten (Beratungsstelle , Scheinausstellung) gesprochen. Die Justus-Liebig-Universität Gießen hat mitgeteilt, dass im klinischen Studienabschnitt das Thema Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der Vorlesungsreihe zum Medizinrecht dargestellt werde, wobei die rechtliche Situation einschließlich der so genannten Spätabbrüche erläutert werde. Zusätzlich problematisiert werde die Frage der Einwilligungsfähigkeit minderjähriger Schwangerer in einen Schwangerschaftsabbruch. Im Wahl-Seminar zum Medizinrecht biete das Institut für Rechtsmedizin für Interessierte eine Vertiefung zur medizinrechtlichen Problematik der Schwangerschaftsabbrüche an. Die ethischen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6572 3 Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs werden in ihren Grundzügen im Rahmen der Vorlesungsreihe "Ethik in der Medizin" allgemein angesprochen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik, auch unter psychologischen Gesichtspunkten , erfolge im Rahmen eines Seminars im Blockpraktikum Pädiatrie anhand einer Kasuistik eines Kindes mit Down-Syndrom und angeborenem Herzfehler. Die Philipps-Universität Marburg hat ebenfalls mitgeteilt, dass der Schwangerschaftsabbruch im klinischen Studienabschnitt thematisiert werde. Dies geschehe zum einen in einer interdisziplinären Vorlesung mit Ethikern, Pädiatern und Gynäkologen im Rahmen der Hauptvorlesung Gynäkologie und habe den Fokus auf ethischen und rechtlichen Grundlagen von Früh- und Spätabbrüchen ; das Format besteht aus einem Impulsvortrag und einem 60-minütigen Diskussionsrahmen im Anschluss. Das medizinisch-operative Vorgehen werde nur am Rande erwähnt. Darüber hinaus werde das Thema Schwangerschaftsabbruch in der Vorlesung "Ethik in der Medizin" und in einigen Gruppen des Seminars "Klinische Ethik" behandelt und bearbeitet. Frage 6. Wie hat sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Hessen in den letzten zehn Jahren entwickelt ? Frage 7. Ist diese im Verhältnis zur gebärfähigen Bevölkerung gestiegen oder gesunken? Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhanges wie folgt gemeinsam beantwortet : Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Hessen in den letzten zehn Jahren entsprechend der nachstehenden Tabelle entwickelt: 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 9.288 8.731 8.676 8.533 8.745 8.224 8.173 8.087 7.984 8.321 Über den gesamten Berichtszeitraum ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bis auf geringe Schwankungen im Verhältnis zur gebärfähigen Bevölkerung gleich geblieben. Das heißt die Abweichungen vom Mittelwert (0,75 %) betragen maximal 5 %. Frage 8. Inwiefern ist es gesichert, dass in allen hessischen Regionen die Frauen die Möglichkeit haben einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen. Frage 9. Wie viele Anzeigen gab es in den letzten zehn Jahren gegen Ärztinnen und Ärzten aufgrund des § 219a (Bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die Anzahl der Ermittlungsverfahren, welche wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 219 a StGB eingeleitet worden sind, lässt sich anhand des vorliegenden statistischen Materials nicht ermitteln . Entsprechende Verfahren werden in der Statistik über die Geschäftsbelastung der Staatsanwaltschaften nicht gesondert ausgewiesen, sondern unter dem Sachgebiet 21 "vorsätzliche Körperverletzungen " gemeinsam mit weiteren Körperverletzungsdelikten (Straftaten gegen das Leben) nur als Gesamtzahl erfasst. Frage 10. Wie viele Gerichtsverfahren gab es in den letzten zehn Jahren gegen Ärztinnen und Ärzten aufgrund des § 219a (Bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Entsprechend den Ausführungen in der Antwort auf Frage 9 lässt sich die Anzahl der Anklageerhebungen und der Einstellungen von Verfahren wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 219a StGB aus den statistischen Daten zur Geschäftsbelastung der Staatsanwaltschaften nicht entnehmen. Die Anzahl der rechtskräftigen Verurteilungen wegen Vergehen nach § 219a StGB ist in der Strafverfolgungsstatistik gemeinsam mit den Verurteilungen nach § 219b StGB als Gesamtzahl ausgewiesen. Da diese Gesamtzahl in den Jahren 2010 bis 2017 jeweils "0" betrug, erfolgten in den genannten Jahren auch keine rechtskräftigen Verurteilungen nach § 219a StGB. Darüber hinaus erfolgten in diesen Jahren auch keine sonstigen rechtskräftigen Aburteilungen (wie zum Beispiel Strafbefehle, Freisprüche, Einstellungen durch das Gericht). 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6572 Aus den Berichten der Staatsanwaltschaften an das Hessische Ministerium der Justiz ist bekannt, dass in Hessen in den vergangenen Jahren zwei Anklagen gegen insgesamt drei Ärztinnen wegen des Verdachts des Werbens für den Abbruch einer Schwangerschaft erhoben wurden. Auf eine Anklage erfolgte im Jahre 2017 die durch die Medienberichterstattung bekannte, erstinstanzliche Verurteilung der angeklagten Ärztin zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150 €. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ist es nicht in der Strafverfolgungsstatistik erfasst. Auf die zweite Anklage gegen zwei Ärztinnen hat das Amtsgericht noch keinen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Wiesbaden, 24. Juli 2018 Stefan Grüttner