Kleine Anfrage der Abg. Özgüven, Hofmann, Di Benedetto, Müller (Schwalmstadt), Lotz (SPD) vom 20.06.2018 betreffend Betreuung und Unterstützung inhaftierter Elternteile, der Kinder und des anderen Elternteils und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragesteller: Eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Inhaftierten haben minderjährige Kinder. Kinder inhaftierter Eltern wachsen häufig in belasteten Verhältnissen auf und benötigen daher besondere qualifizierte Hilfsangebote. Der inhaftierte Elternteil selbst bzw. der andere Elternteil benötigen ebenfalls professionelle Unterstützung um zu lernen, das Kind in dieser Lebensphase zu unterstützen. Auch für die Vorbereitung und Durchführung von Umgangskontakten zwischen dem inhaftierten Elternteil und dem Kind ist professionelle Unterstützung notwendig. Soweit bekannt ist gibt es bundesweit nur vereinzelte und nicht flächendeckende Angebote für betroffene Kinder und Eltern. Baden-Württemberg und Sachsen haben diesbezüglich eine Vorreiterrolle angenommen und entsprechende Projekte auf den Weg gebracht. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: Wie bereits in der Antwort auf den Berichtsantrag Drucksache 19/5459 betreffend Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug ausgeführt, hat die Angehörigen- und Familienarbeit im hessischen Justizvollzug in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung zugenommen und nimmt inzwischen einen hohen Stellenwert ein. Hintergrund der Maßnahmen für die Gefangenen und ihre Familien ist die aus entsprechenden Studien gewonnene Erkenntnis, dass die Inhaftierung eines Elternteils auf die Lebenssituation der Kinder Inhaftierter vielfältige und zum Teil negative Auswirkungen hat. Deshalb ist der hessische Vollzug bestrebt, den Kontakt der Inhaftierten mit ihren Angehörigen und insbesondere ihren Kindern zu fördern. Dabei arbeitet der Vollzug mit externen Trägern, aber auch mit dem Jugendamt, den Pflegefamilien oder dem Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, eng zusammen. Der Vollzug ermöglicht dem inhaftierten Elternteil im Rahmen der regulären Besuche, aber darüber hinaus auch im Rahmen von Familien - und Sonderbesuchen, den Kontakt zu den Kindern zu erhalten und zu fördern. Im hessischen Justizvollzug wurden zur Abmilderung der Inhaftierungsfolgen für die Familien darüber hinaus verschiedene Angebote und Maßnahmen wie beispielsweise Familientage, Paarwochenenden , Eltern-Kind-Gruppen und Familienfreizeiten entwickelt, um schädigende Auswirkungen auf die Angehörigen bzw. die Kinder zu minimieren, eine Entfremdung in der Zeit der Inhaftierung zu vermeiden und den Erhalt der Familie zu fördern. Im August 2017 wurde im hessischen Justizvollzug das anstaltsübergreifende Projekt "Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug" gestartet. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Mütter und Väter von minderjährigen Kindern sind derzeit in hessischen Justizvollzugsanstalten inhaftiert und wie viele Kinder sind von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen? Zu dieser Frage stehen zwar keine statistischen Daten zur Verfügung. Jedoch liegen die Ergebnisse einer für die Justizvollzugsanstalten aufwendigen Erhebung zur Situation von Kindern inhaftierter Eltern zum Stichtag 31. März 2017 vor. Diese Daten dürften weiterhin aussagekräftig sein, da signifikante Änderungen der Ergebnisse angesichts des kurzen Zeitablaufs seit der Datenerhebung und vergleichbarer Belegungszahlen nicht zu erwarten sind. Bei einer Gesamtbelegung von 4826 Personen in den hessischen Justizvollzugsanstalten gaben zum Stichtag 31. März 2017 insgesamt 1420 Gefangene an, ein Elternteil minderjähriger Kinder Eingegangen am 31. Juli 2018 · Bearbeitet am 31. Juli 2018 · Ausgegeben am 2. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6580 31. 07. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6580 zu sein. Davon waren 1330 Gefangene Väter, 90 Gefangene Mütter. Die Gesamtzahl der angegebenen Kinder (unter 18 Jahren) von Inhaftierten betrug 2391. Zur Erläuterung ist anzumerken, dass diese Daten auf den Angaben der Gefangenen beruhen. Eine individuelle Überprüfung seitens des Vollzugs kann nur erfolgen, sofern dies für konkrete vollzugliche Entscheidungen von Bedeutung ist (z.B. bei der Berechnung des Überbrückungsgeldes hinsichtlich der Angaben zu unterhaltsberechtigten Personen). Aus den Daten lässt sich auch nicht ableiten, ob die angegebenen Kinder vor der Inhaftierung bei dem inhaftierten Elternteil gelebt haben, ob der inhaftierte Elternteil das Sorgerecht tatsächlich inne hatte bzw. ob die Kinder nach der Haftentlassung mit dem inhaftierten Elternteil zusammen leben werden; auch insofern müssen im Einzelfall ggf. weitere Informationen erhoben werden. Frage 2. Wie werden die betroffenen Familien (Mütter/Väter/Kinder) von wem betreut, um mit dieser Lebenslage zurecht zu kommen (Angehörigenarbeit)? Im hessischen Justizvollzug werden die Inhaftierten umfassend im Hinblick auf ihre gesamte Lebenssituation betreut. Hinsichtlich der familiären Aspekte erfolgt dies vor allem im Rahmen der Vollzugsplanung durch die Fachdienste. Zur Milderung der Inhaftierungsfolgen für die Familien gibt es verschiedene Angebote und Maßnahmen, um nachteilige Auswirkungen auf die Angehörigen zu minimieren. Im Einzelnen: Besuchsregelungen Neben den gesetzlichen Vorgaben in den Hessischen Vollzugsgesetzen, die die Mindestdauer der Besuchszeit regeln, haben die einzelnen Vollzugsanstalten - je nach Vollzugsform - zusätzliche Besuchsregelungen für Gefangene mit minderjährigen Kindern und andere Angehörige erlassen . Dauer und Häufigkeit hängen vom Einzelfall ab. So können beispielsweise Eltern zusätzlich zu den Regelbesuchen, die regelmäßig vom allgemeinen Vollzugsdienst durchgeführt werden , Sonderbesuche oder Langzeitbesuche von ihren Kindern oder Familienbesuche erhalten, die je nach Bedarf von den Fachdiensten wie zum Beispiel dem Sozialdienst oder der Seelsorge betreut werden. Darüber hinaus bieten die Justizvollzugsanstalten auch verschiedene, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Anstalt und/oder der Seelsorge gestaltete Familien- oder Besuchsprojekte an, zu denen Angehörige und/oder Kinder Gefangener eingeladen werden. Telefonregelung In allen hessischen Vollzugsanstalten gibt es Gefangenentelefonie. Sofern nicht Gesichtspunkte der Sicherheit und Ordnung entgegenstehen, haben die Gefangenen das Recht, bestimmte Telefonnummern freischalten zu lassen und regelmäßig 120 Minuten monatlich zu telefonieren. Zusätzlich besteht bei nachgewiesenem Bedarf die Möglichkeit der Verlängerung von Telefonzeiten oder die Möglichkeit, z.B. in besonderen Familienangelegenheiten, über die Fachdienste und über die Seelsorge zusätzliche Telefonate zu führen. Familienprojekte Zu den in den hessischen Justizvollzugsanstalten angebotenen familienorientieren Maßnahmen und Projekten zur Stärkung der familiären Kontakte ist bereits im Zuge der Antwort auf den Berichtsantrag Drucksache 19/5459 betreffend Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug eine detaillierte anstaltsbezogene Aufstellung erfolgt (dort Anlage zu Frage 4). Gemeinsame Unterbringung Sofern eine gemeinsame Unterbringung während der Inhaftierung dem Kindeswohl entspricht und das zuvor angehörte zuständige Jugendamt diese befürwortet, besteht im hessischen Justizvollzug die Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung von Gefangenen mit ihren noch nicht schulpflichtigen Kindern in der Justizvollzugsanstalt. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 74 HStVollzG, 65 HUVollzG und 70 HessJStVollzG. Üblicherweise kommt die gemeinsame Unterbringung bei Müttern von Säuglingen und Kleinkindern zum Tragen, wobei die Mütter entweder im Vollzug entbunden oder sich vor der Inhaftierung als wesentliche Bezugsperson verantwortlich um ihre Kinder gekümmert haben und bei denen die Kinder durch eine Trennung Schaden erleiden würden. Die Unterbringung erfolgt regelmäßig im Mutter-Kind-Heim der JVA Frankfurt am Main III, die sowohl im geschlossenen als auch im offenen Vollzug über eine separate Mutter-Kind-Einrichtung verfügt. Im geschlossenen Vollzug ist die gemeinsame Unterbringung bis zum 3. Lebensjahr, im offenen Vollzug bis zum 6. Lebensjahr des Kindes möglich. Angehörigenprojekt Maßnahmen zur Förderung eines familienfreundlichen Vollzugs wurden vom Hessischen Ministerium der Justiz schon im Zuge der Teilnahme an dem Europäischen Lernprojekt "Family learning in Prisons" (2010 - 2014) fortentwickelt. Aus den dort gewonnenen Erkenntnissen und den mehrjährigen Erfahrungen aus familienorientierten Angeboten in einigen Justizvollzugsanstalten Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6580 3 wurde im hessischen Justizvollzug das anstaltsübergreifende Projekt "Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug" konzipiert. Als Träger für die Durchführung des Projekts konnte der Verein "AKTION - Perspektiven für junge Menschen und Familien e.V." in Gießen gewonnen werden. Der Fliedner-Verein Rockenberg e.V. hat das Pilotprojekt mit einer aus Geldbußen erhaltenen Zuweisung in Höhe von 150.000 Euro finanziell unterstützt. Bei der Durchführung einzelner Maßnahmen, insbesondere bei der Fortbildung, kooperiert der Projektträger mit dem Nürnberger Verein "treffpunkt e.V.", der aus der Durchführung der Coping-Studie bekannt ist und dem Projektträger beratend und unterstützend zur Seite steht. Das Projekt ist ab August 2017 in ausgewählten hessischen Justizvollzugsanstalten gestartet worden. Ziele des Projekts sind: Entwicklung von Qualitätsstandards für die Angehörigen- und Familienarbeit, Unterstützung der Anstalten bei der Entwicklung neuer/bestehender Projekte, Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Entwicklung eines Konzepts "Angehörigentreff", Begleitung und Beratung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, Entwicklung von Gruppenmaßnahmen mit dem Inhalt "Stärkung der Erziehungskompetenz", Beratung und Begleitung der Kontaktpersonen, Bereitstellung von Informationsmaterial für Angehörige. Über das Projekt ist bereits in der Antwort auf den Berichtsantrag Drucksache 19/5459 betreffend Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug berichtet worden. Nach der ersten Projektphase im Jahr 2017, in der eine Bestandsaufnahme und Bedarfserhebung in den beteiligten Justizvollzugsanstalten durchgeführt wurde, konnten seit Beginn des Jahres 2018 eine Reihe von Maßnahmen erfolgreich (weiter-)entwickelt und zum Teil bereits durchgeführt werden. Beispielhaft sind zu nennen: Väterkurs "Mein Kind und ich - ein starkes Team!" in der JVA Darmstadt zur Förderung der Erziehungskompetenz in Zusammenarbeit mit der Seelsorgerin. Kurs für inhaftierte Frauen "Mütter stärken" in der JVA Frankfurt am Main III, die Maßnahme wird auf der Behandlungsstation durchgeführt und die Teilnahme als Behandlungsmaßnahme in den Vollzugsplan aufgenommen. Mutter-Kind-Wochenendseminar zum Thema "Die draußen sind, stark machen!" in der Familienferienstätte Mücke-Flensungen. Zwei Seminartage für Eltern von inhaftierten Jugendlichen in der JVA Rockenberg zum Thema "Wie gehe ich mit der Straffälligkeit meines Sohnes um?". Workshops zur Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vollzugs zum Thema Angehörigenarbeit, die Workshops fanden in Kooperation mit dem Verein Treffpunkt e.V., Nürnberg statt und wurden sowohl als interne Workshops in den Justizvollzugsanstalten Weiterstadt und Rockenberg als auch in Form offener Seminare für interessierte Bedienstete in Frankfurt am Main angeboten. Weitere Maßnahmen sind in Planung. Ein Projektbeirat, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Professionen, berät die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins "AKTION - Perspektiven für junge Menschen und Familien e.V." bei der Umsetzung der Projektziele und begleitet fachlich den Prozess. Zusammenarbeit mit der Seelsorge Zu den Aufgaben der Gefängnisseelsorge gehört nach der vereinbarten Dienstordnung auch der seelsorgerische Beistand für die Gefangenen und deren Angehörige in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten. Dies schließt im Bedarfsfall die Kontaktaufnahme zu den Angehörigen , die Durchführung von Besuchen aus seelsorgerischem Anlass sowie die Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre Familien mit ein. Vor diesem Hintergrund gibt es in den hessischen Justizvollzugsanstalten gerade im Bereich der Angehörigenarbeit eine enge Zusammenarbeit mit der katholischen und evangelischen Kirche und es werden - religionsübergreifend - seit vielen Jahren regelmäßig besondere Maßnahmen für Partner, Kinder und Angehörige von Inhaftierten durchgeführt. Einzelfallarbeit Wann immer es im Zusammenhang mit der Inhaftierung notwendig ist, werden Eltern in der Wahrnehmung ihrer Elternrolle unterstützt. Dies kann in Form von Einzelgesprächen mit dem Sozialdienst, dem psychologischen Dienst und ggf. externen Therapeuten geschehen oder auch mit der Seelsorge, der seitens der Inhaftierten aufgrund ihrer besonderen Stellung oft ein besonderes Vertrauen in persönlichen oder familiären Fragen entgegengebracht wird. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6580 Die Unterstützung kann aber auch durch Einbindung zuständiger externer Stellen erfolgen. Bei konkreten familiären Problemen werden im Rahmen sozialarbeiterischen Betreuung Kontakte zum Jugendamt oder anderen Stellen hergestellt. Wenn notwendig, werden Gefangene im Rahmen von vollzugsöffnenden Maßnahmen zu Hilfeplangesprächen begleitet. Befinden sich minderjährige Kinder in Pflegefamilien und bestehen von Seiten des Jugendamtes keine Bedenken gegen eine Kontaktaufnahme, gibt es auch hier die Möglichkeit von Sonderbesuchen. Vollzugsöffnende Maßnahmen Bei Eignung der Gefangenen können zur Erfüllung des Eingliederungsauftrags vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden (§ 13 HStVollzG), in deren Rahmen auch der Kontakt zur Familie intensiviert werden kann. Zusätzlich können Gefangene aus wichtigem Anlass (z.B. Taufe eines Kindes, Pflege eines Angehörigen, etc.) die Anstalt verlassen (§ 15 HStVollzG). Im Rahmen der Entlassungsvorbereitung können Gefangene bei entsprechender Eignung vollzugsöffnende Maßnahmen erhalten, zu denen z.B. die Verlegung in den offenen Vollzug oder Freistellungen aus der Haft gehören. Neben den originären Aufgaben des offenen Vollzugs (z.B. Arbeits- und Wohnungssuche, Einüben des Einhaltens von Regeln, Umgang mit Geld, etc.), wird es im offenen Vollzug als wesentlich angesehen, prosoziale familiäre Kontakte der Gefangenen zu unterstützen , entsprechende Beziehungen zu intensivieren oder ggf. wieder aufzunehmen. Frage 3. Welche Rolle spielt die Betreuung inhaftierter Elternteile vor und bei der Entlassung sowie bei der Reintegration in das gesellschaftliche Leben in Freiheit? Die sozialen Bindungen der Gefangenen haben für das Resozialisierungsziel, auf das der Strafvollzug auszurichten ist, in der Regel wesentliche Bedeutung. So sind Bestand und Stärkung dieser Beziehungen, wenn sie nicht in einem kriminell be-lasteten Umfeld stattfinden, fast immer förderlich für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Den Belastungen, die der Vollzug einer Freiheitsstrafe für die familiären Beziehungen naturgemäß bedeutet, sucht die Ausgestaltung des Vollzugs in Hessen daher nicht nur mit Rücksicht auf das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch im Hinblick auf eine gelingende Resozialisierung der Gefangenen entgegenzuwirken. Familienorientierte Projekte, die die Resozialisierungschancen der Inhaftierten einerseits durch eine Verbesserung der Verhaltenskompetenzen stärken und zugleich dazu beitragen, Familien in dieser Situation zu unterstützen, werden über die Kontrakte mit den Justizvollzugsanstalten ausdrücklich gefördert und unterstützt. Im Vordergrund der vollzuglichen Bemühungen stehen die Sicherung der Existenz in Form von Integration in den Arbeitsmarkt und die Vermittlung einer Wohnung oder Unterkunft. Im Rahmen der Entlassungsvorbereitungen wird Wert darauf gelegt, förderliche soziale Kontakte der Gefangenen - insbesondere zu ihren Angehörigen - in die Entlassungs- und Zukunftsplanung mit einzubeziehen und ggf. schon während der Haft mit diesen Personen zusammenzuarbeiten. Entsprechend werden gemäß §§ 33 Abs. 1 S. 2 HStVollzG, 25 Abs. 1 S. 2 HUVollzG, 32 Abs. 1 S. 2 HessJStVollzG und 33 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG Kontakte der Gefangenen zu ihren Angehörigen besonders gefördert. Frage 4. Gibt es Beratungsangebote für jugendliche Väter im Jugendstrafvollzug? Je nach Bedarf und Notwendigkeit werden jugendliche Väter in beiden Jugendanstalten beraten. In beiden Jugendanstalten gibt es auch Gruppenangebote für junge Väter. Das Gruppenangebot in der JVA Rockenberg wird nach Bedarf durchgeführt, da sich dort aufgrund des Alters der jungen Gefangenen (14-19 Jahre) in der Regel nur wenige inhaftierte Väter (2 bis 5 Gefangene pro Jahr) befinden. Das letzte Gruppenangebot fand im Herbst 2017 statt. Das nächste Gruppenangebot ist für Herbst 2018 geplant. Die Maßnahme wird vom evangelischen Anstaltsseelsorger durchgeführt und verfolgt das Ziel, die jungen Gefangenen mit ihrer Situation als Vater vertraut zu machen und einen Raum des gemeinsamen Austauschs zu bieten. Inhalte sind u.a. die Themen "Ich, mein Kind und die Mutter", "Was ist Erziehung?", "Entwicklung von Kindern", "Was braucht ein Kind?", "Was habe ich als Kind erlebt?" und "Wie stelle ich mir mein Vatersein weiterhin vor?". In der JVA Wiesbaden wird das Projekt "Vater werden, ist nicht schwer - Vater sein, dagegen sehr" im monatlichen Turnus angeboten. Das Unterstützungsangebot wird von zwei Fachkräften des Sozialdienstes durchgeführt und soll Erziehungs- und Beziehungskompetenzen durch das gemeinsame Erleben von Übungen und Spielen fördern. Ein Kerngedanke der Maßnahme ist die Stärkung der Erziehungskompetenz durch wertschätzendes, anerkennendes und stützendes Coaching der Väter. Des Weiteren werden in Einzelfällen therapeutische Gespräche mit den jungen Vätern geführt. Themenbezogen werden die Kindesmütter und gegebenenfalls andere Familienmitglieder mit einbezogen. Zur Vorbereitung der Entlassung werden Unterstützungsangebote für Familienangehörige, Partnerinnen und Freundinnen durch den zuständigen Sozialdienst geprüft und im Rahmen von gemeinsamen Gesprächen während vollzugsöffnenden Maßnahmen oder Hausbesuchen in die Entlassungsvorbereitungen integriert. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6580 5 Frage 5. Welche Mittel setzt das Land Hessen ein, um die Familien inhaftierter Elternteile zu betreuen? Gibt es Modellprojekte, liegen entsprechende Erfahrungen vor? Eine detaillierte Kostenaufstellung aller finanziellen Aufwendungen für die Durch-führung der familienbezogenen Maßnahmen in den Justizvollzugsanstalten ist nicht möglich, da diese sowohl durch verschiedene Bedienstete der Justizvollzugsanstalten (Sozialdienst, AVD, Sportlehrkräfte, Seelsorge) als auch durch externe Personen durchgeführt werden. Neben den Sachkosten für die einzelnen Maßnahmen, die je nach Ziel und Dauer der Maßnahmen unterschiedlich hoch sind und entweder aus dem Budget der Anstalt finanziert oder den Anstalten zugewiesen werden, entstehen regelmäßig Personal- und sonstige Kosten (Verwaltung, Raumnutzung etc.), die nicht einzeln oder gesondert erfasst werden, sondern in den Gesamtkosten für die Behandlung und Betreuung der Gefangenen enthalten sind. Für das anstaltsübergreifende Modellprojekt "Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug", das im Zeitraum August 2017 bis Oktober 2018 durchgeführt wird, stehen dem Projektträger "AKTION - Perspektiven für junge Menschen und Familien e.V." Mittel in Höhe von 150.000 Euro zur Verfügung, die sowohl für Personalausgaben (Projektmitarbeiterinnen und - mitarbeiter) als auch für Sachaufwendungen (Organisation, Fortbildung, Beratung, Supervision, Reisekosten, Bücher etc.) eingesetzt werden. In dieser Summe sind diejenigen Sach- und Personalkosten , die den beteiligten Justizvollzugsanstalten darüber hinaus für einzelne projektbezogen durchgeführte Maßnahmen entstehen, nicht bzw. nicht in vollem Umfang enthalten. Diese können - wie oben dargelegt - nicht projektbezogen aufgeschlüsselt werden, da sie in den Gesamtkosten für die Behandlung und Betreuung der Gefangenen enthalten sind. Frage 6. Gibt es in Hessen eine für die vorgenannten Zwecke eingerichtete oder mit diesen Aufgaben betraute zentrale Beratungsstelle, an die sich betroffene Familien wenden können? Falls nein, warum nicht? Die Erfahrung hat gezeigt, dass für viele Angehörige die Inhaftierung des Partners, Ehemanns oder Kindes mit Scham behaftet ist, so dass das persönliche Aufsuchen einer Beratungsstelle eine nicht unerhebliche Hürde für die Betroffenen darstellt. Einige externe Träger haben insoweit niederschwellige Online-Angebote geschaffen, die sich speziell an Angehörige von Inhaftierten richten. Der kostenfreie und anonyme Zugang zu Informationen und zu Online- Beratungsangeboten ermöglicht insoweit eine behutsame Annäherung und Auseinandersetzung mit der Thematik. Diese Angebote sind allgemein zugänglich und werden durch die Anstalten bekannt gemacht. Als Beispiele sind die Online-Beratung der Caritas (https://www.caritas.de/hilfeundberatung/onlineberatung/angehoerige-von-straffaelligen/haft, für Kinder: http://besuch-im-gefaengnis.de/) oder des Vereins Treffpunkt e.V. (http://www.treffpunkt-nbg.de/bai.html, für Kinder: https://www.juki-online.de/) zu nennen. Das Hessische Ministerium der Justiz arbeitet an der Herausgabe einer Informationsbroschüre für Angehörige von Inhaftierten, die über Hilfsangebote informieren und auch ein Adressverzeichnis hessischer Einrichtungen und Vereinigungen der Sozialarbeit aus den Bereichen der Haftentlassenenhilfe, der Bewährungshilfe und des Justizvollzugs enthalten wird. Außerdem sind anstaltsspezifische Flyer in Arbeit, die einen ersten Überblick darüber geben, welche Hilfen unmittelbar nach der Inhaftierung eines Angehörigen in Anspruch genommen werden können . Frage 7. Ist das Land Hessen bereit, die Betreuung von Familien mit inhaftiertem Elternteil zum festen Bestandteil eines Resozialisierungsprogrammes zu entwickeln und regelmäßig allen inhaftierten Elternteilen anzubieten? Wie in den Antworten zu den Fragen 2. bis 5. bereits dargelegt, nimmt die Angehörigen- und Familienarbeit im hessischen Justizvollzug bereits seit längerem einen besonderen Stellenwert ein; insbesondere wurde im August 2017 das anstaltsübergreifende Modellprojekt "Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug", gestartet. Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben sich auf ihrer 89. Konferenz am 6. und 7. Juni 2018 ebenfalls mit der Thematik auseinandergesetzt und einstimmig die Befassung mit der Situation inhaftierter Eltern in Bezug auf die Umsetzung der UN- Kinderrechtskonvention und der "Recommendation CM/Rec(2018)5 of the Committee of Ministers to member States concerning children with imprisoned parents" für notwendig gehalten. Sie haben in ihrem Beschluss den Strafvollzugsausschuss der Länder gebeten, die für den Justizvollzug relevanten Empfehlungen zu prüfen, best practices zu beschreiben und ggf. Vorschläge zur Umsetzung der Empfehlungen zu unterbreiten. In diesem Zusammenhang wird sich Hessen mit seinen Erfahrungen auch an der länderoffenen Arbeitsgruppe "Kinder von Inhaftierten" beteiligen und an der Erarbeitung von Vorschlägen mitwirken. 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6580 Sowohl das Ergebnis des länderübergreifenden Austauschs als auch die Erfahrungen aus dem Modellprojekt "Angehörigenarbeit im hessischen Justizvollzug" werden in die Fortentwicklung der Maßnahmen zur Betreuung und Förderung von Angehörigen und Familien mit inhaftiertem Elternteil einfließen. Wiesbaden, 24. Juli 2018 Eva Kühne-Hörmann