Kleine Anfrage der Abg. Hofmann (SPD) vom 21.06.2018 betreffend kriminelle Machenschaften im Frankfurter Westend und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Im Frankfurter Bahnhofsviertel soll es zu Schutzgelderpressungsversuchen seitens u.a. der Gruppierung "Hells Angels Frankfurt Westend" kommen. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Das Frankfurter Bahnhofsviertel steht seit jeher aufgrund der Nähe zu einem der größten Verkehrsknotenpunkte Deutschlands und der damit einhergehenden negativen Begleiterscheinungen im Fokus der Sicherheitsbehörden. Insbesondere war eine Zunahme des öffentlichen Konsums von Betäubungsmitteln (BtM) mit den entsprechenden Begleiterscheinungen, dem Anstieg von Straftaten aus dem Bereich der Straßenkriminalität - hauptsächlich der Eigentums- und Körperverletzungsdelikte - festzustellen. Dies hat deutliche Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Menschen, die sich dort aufhalten. Die Frankfurter Polizei hatte bereits seit August 2015 die polizeilichen Maßnahmen im Bahnhofsbereich verstärkt. Nachdem keine Besserung eintrat, wurde im November 2016 der Kontroll - und Verfolgungsdruck nochmals erhöht, indem eine besondere Aufbauorganisation eigens für das Frankfurter Bahnhofsviertel eingerichtet wurde (sog. Besondere Aufbauorganisation "BAO" Bahnhofsgebiet). Jene arbeitete im Rahmen von groß angelegten Kontrollen und verdeckten Maßnahmen so erfolgreich (beispielsweise über 6.900 gefertigte Anzeigen), dass diese temporäre Verstärkung der Polizeikräfte im Bahnhofsgebiet in eine dauerhafte Einrichtung überführt wurde. In der "Regionalen Einsatz- und Ermittlungseinheit (REE)" sorgen seit 01.12.2017 mehr als 120 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte rund um die Uhr für die Sicherheit im Bahnhofsviertel. Möglich wird der Zuwachs durch interne Personalverlagerungen des Polizeipräsidiums Frankfurt sowie Dauerabordnungen von 15 Beamten der Hessischen Bereitschaftspolizei. Außerdem sind zwei Schutzmänner vor Ort hinzugekommen und ein zusätzlicher Streifenwagen. Somit kann auch zukünftig die offene Präsenz der Einsatzkräfte aufrechterhalten und noch weiter verstärkt werden . Ebenso werden operative Kontrollmaßnahmen, ein täterorientierter Ermittlungsansatz, verdeckte Aufklärung und spezialisierte Ermittlungskompetenzen für den Bereich des Handels mit BtM vor Ort gebündelt. Die Präventionsmaßnahmen im Bahnhofsviertel und die Zusammenarbeit mit den Sicherheitspartnern, z.B. im Rahmen von gemeinsamen Streifengängen, werden fortgesetzt. Ziel ist es dabei, mit den gebündelten Kompetenzen, die Drogenszene aufzuklären, mit zielgerichteten Kontrollmaßnahmen zu zerschlagen und letztendlich dem kriminellen Milieu den Nährboden zu entziehen. Die hessische Polizei hatte bis zur Jahresmitte 2018 über 42.000 Kräfte mit mehr als 320.000 Stunden im Bahnhofsgebiet im Einsatz und kann eine herausragende Bilanz vorweisen: Mehr als 95.000 Personenkontrollen, fast 48.000 Durchsuchungen von Personen und über 6.900 Festnahmen . Außerdem wurden bisher 95 Kilogramm Rauschgift sichergestellt. Aufgrund des verstärkten Einsatzes ist es gelungen, die Drogen-Szene zu schwächen, kriminelle Strukturen aufzuhellen und den offenen Handel mit Rauschgift spürbar einzudämmen. Die polizeilichen Maßnahmen haben beispielsweise zu einer deutlichen Reduzierung der Diebstahlskriminalität geführt . Die Fallzahlen in den Deliktsbereichen Diebstahl in/aus Gaststätten/Hotel pp., Taschendiebstahl und Diebstahl von unbaren Zahlungsmitteln sind um bis zu 49 % zurückgegangen. Eingegangen am 14. August 2018 · Bearbeitet am 14. August 2018 · Ausgegeben am 20. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6583 14. 08. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6583 Aber auch bei der Betäubungsmittelkriminalität, einem klassischen Kontrolldelikt, konnte eine Steigerung der Erfassungsquote erzielt werden: Bei den allgemeinen Verstößen gegen das BtMG wurde ein Anstieg um 56 %, beim illegalen Handel/Schmuggel sogar um 165% erreicht. Diese positiven Resultate verdeutlichen bereits jetzt, dass die Überführung der BAO Bahnhofsgebiet in die Regelorganisation als REE der richtige Schritt war. Das Vorgehen gegen Rockergruppierungen im Speziellen zeigt ebenfalls Wirkung. Seit dem Verbot der beiden Ortsvereine (Charter "Westend" und "Frankfurt") durch das HMdIS im September 2011 wegen unüberbrückbarer Differenzen mit dem Strafgesetzbuch sowie der Novellierung des Vereinsgesetzes im März 2017 ist das Tragen der Kutten verboten und jene sind auch optisch aus dem Bahnhofskiez verschwunden. Die hessische Polizei setzt Verbote mit aller Konsequenz durch und entzieht den kriminellen Akteuren systematisch ihre Symbolik und Aktionsräume . Der Kontrolldruck auf diese Gruppierungen wird konsequent hochgehalten, um Machtdemonstrationen von Rockerclubs zu unterbinden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist der Landesregierung bekannt, dass es im Frankfurter Bahnhofsviertel Schutzgelderpressungsversuche seitens der Gruppierung "Hells Angels Frankfurt Westend" gibt? Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport und das örtlich zuständige Polizeipräsidium Frankfurt am Main stehen in Kontakt und betreiben einen engen Informationsaustausch, so dass auch die besondere Situation des Bahnhofsviertels generell bekannt ist. Insbesondere auch im Hinblick auf die Rockerkriminalität wird weiterhin in diesem Bereich ein polizeilicher Schwerpunkt gesetzt. Hinsichtlich der in der Frage 1 genannten Gruppierung stellt das Vereinsverbot aus 2011 einen wichtigen strategischen Baustein dar. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport sprach am 29.09.2011 gegen den "Hells Angels Motorradclub (HAMC) Charter Westend" ein Vereinsverbot aus und setzte dieses durch. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof Kassel bestätigte das Vereinsverbot mit Urteil vom 21.02.2013. Derzeit liegen keine aktuellen Erkenntnisse über versuchte Schutzgelderpressungen durch ehemalige Mitglieder des verbotenen "HAMC Charters Westend" vor. Vorhandene Hinweise auf derartige Straftaten werden von der polizeilichen Fachdienststelle aufmerksam entgegengenommen, um erforderliche strafverfolgende Maßnahmen gemeinsam mit der zuständigen Staatsanwaltschaft einleiten zu können. Frage 2. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, dass insbesondere die oben genannten kriminellen Aktivitäten im Frankfurter Bahnhofsviertel bekämpft werden bzw. diesen präventiv begegnet wird? Bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität hat die hessische Polizei im Themenfeld Rockerkriminalität nachhaltig einen Schwerpunkt gesetzt. Die Befassung mit Rockerkriminalität erfolgt grundsätzlich deliktsübergreifend mit einem täterorientierten Ansatz, der Komponenten der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung beinhaltet. Das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) und die Polizeipräsidien beobachten weiterhin intensiv das Phänomen Rockerkriminalität . Dabei pflegen die genannten Dienststellen einen engen Informationsaustausch und bewerten die Lage fortwährend. Das HLKA und die Polizeipräsidien sind gehalten, die Bekämpfung der Rockerkriminalität durch Initiieren von Ermittlungsverfahren unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zu intensivieren. Hierbei wird der verdeckten und offenen Informationsgewinnung eine wichtige Rolle beigemessen. Die polizeiliche Fachdienststelle des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main initiiert und führt im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten verschiedenste offene und verdeckte Maßnahmen zur Informationsgewinnung durch. Damit wird eine möglichst umfassende Aufklärung bei allen im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main ansässigen relevanten Gruppierungen angestrebt. Darüber hinaus werden bei entsprechenden Anhaltspunkten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Personen aus dem Rockermilieu eingeleitet und durch die Fachdienststelle geführt. Zudem werden im Bahnhofsviertel Brennpunktkontrollen durchgeführt, um den Kontrolldruck bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität zu erhöhen. Einschlägig bekannte Objekte werden Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6583 3 mit Maßnahmen (u.a. Razzien) bedacht, um Erkenntnisse zu gewinnen und die Szene zu verunsichern . Des Weiteren verweisen wir auf die Vorbemerkung. Frage 3. Falls sie keine Maßnahmen ergreift: Warum nicht? Wie bereits in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 ausgeführt, werden durch die Polizei Gefahren abwehrende Maßnahmen und Strafverfolgung im Bahnhofsviertel gewährleistet. Größere Kontrollmaßnahmen werden grundsätzlich anlassbezogen durchgeführt, z.B. bei Veranstaltungen oder Feierlichkeiten in den Clubräumen der Rockergruppierungen. Kontrollen einzelner Mitglieder finden regelmäßig anlassunabhängig statt. Wiesbaden, 3. August 2018 Peter Beuth