Kleine Anfrage der Abg. Alex, Gnadl und Dr. Sommer (SPD) vom 22.06.2018 betreffend Schwangerschaftsabbrüche in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Schwangerschaftsabbrüche sind immer mit psychischen und körperlichen Belastungen für die betroffenen Frauen verbunden, die sich zudem persönlich zum Zeitpunkt des Abbruchs häufig in einer Extremsituation befinden. Umso wichtiger ist es, dass die Abtreibung nach höchsten medizinischen Standards durchgeführt wird. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Das Schwangerschaftskonfliktgesetz, das vor mehr als 25 Jahren in Kraft getreten ist, bezweckt u. a. auch, dass Frauen gerade nicht auf sogenannte "Hinterhofmedizin" angewiesen sind. Hessische Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, tun dies seit Jahrzehnten äußerst verantwortungsbewusst und unter Wahrung der medizinischen Qualitätsstandards. Zweifel daran, wie die Vorbemerkung der Fragestellerinnen impliziert, sind daher in keiner Weise angebracht. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst wie folgt: Frage 1. Wie viele Schwangerschaftsabbrüche wurden in Hessen in den Jahren 2012 bis 2017 jeweils durchgeführt? Bitte nach Indikationen aufschlüsseln. Laut Statistischem Bundesamt wurden in Hessen in den Jahren 2012 bis 2017 folgende Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, aufgeschlüsselt nach Indikationen: Grund des Abbruchs 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Medizinische Indikation 262 286 293 230 292 342 Kriminologische Indikation 2 5 1 4 4 Beratungsregelung 8.481 7.938 7.875 7.856 7.688 7.975 Schwangerschaftsabbrüche insgesamt 8.745 8.224 8.173 8.087 7.984 8.321 Frage 2. Welche Methoden wurden in welchem Umfang dabei angewendet? Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden nachfolgend aufgeführte Methoden angewendet : Art des Eingriffs 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Curettage 977 828 751 978 1.292 1.230 Eingegangen am 30. Juli 2018 · Bearbeitet am 30. Juli 2018 · Ausgegeben am 2. August 2018 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/6584 30. 07. 2018 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6584 Vakuumaspiration 6.398 5.942 5.619 5.399 4.993 5.316 Hysterotomie/ Hysterektomie 6 4 2 1 1 Mifegyne/Mifepriston 1.117 1.161 1.497 1.477 1.406 1.444 Medikamentös / sonstige Arzneimittel 229 245 261 198 257 300 Fetozid bei Mehrlingsschwangerschaft 2 5 2 1 4 5 Fetozid bei sonstigen Fällen 16 39 41 34 31 25 Frage 3. Wie viele Schwangerschaftsabbrüche wurden aufgrund welcher Indikation in diesem Zeitraum an den Universitätskliniken durchgeführt? Frage 4. Welche Methoden wurden in welchem Umfang dabei angewendet? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhanges wie folgt gemeinsam beantwortet : Zur Beantwortung der Fragen sind die hessischen Universitätskliniken um Stellungnahme gebeten worden. Das Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) hat Angaben der Klinik für Frauenheilkunde sowie der Abteilung Geburtshilfe und Pränatalmedizin übersandt. An der Klinik für Frauenheilkunde werden zwei Techniken angewandt, und zwar zum einen die Saugcurettage, ggf. nach medikamentösem Priming des Muttermundes, zum anderen die durch Prostaglandin-Gabe provozierte Ausstoßung mit nachfolgender Ausschabung. Letztere Technik wird vor allem in der geburtshilflichen Abteilung angewandt (siehe separate Zahlen). Im Bereich der Frauenheilkunde werden nach Mitteilung keine regelmäßigen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Der Eingriff werde nur sporadisch und damit äußerst selten durchgeführt , oft in Kombination mit anderen umfangreicheren Eingriffen. Die Prozedur "Kürettage zur Beendigung der Schwangerschaft (Abruptio), 5-751" sei während des genannten Zeitraums zusammen mit dem Diagnose Code ICD O 04.9 "Ärztlich eingeleiteter Abort: Komplett oder nicht näher bezeichnet, ohne Komplikationen" insgesamt 33-mal durchgeführt worden. 2012 5 2013 4 2014 6 2015 6 2016 9 2017 3 Summe 33 In der Abteilung Geburtshilfe und Pränatalmedizin seien in dem genannten Zeitraum ausschließlich Schwangerschaftsabbrüche mit der medizinischen Indikation durchgeführt wurden. 2012 14 2013 18 2014 13 2015 14 2016 15 2017 15 Summe 89 Alle Schwangerschaftsabbrüche seien unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen durchgeführt worden. Bezogen auf Frage 4 antwortet die Abteilung Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKF: Ausschließlich medikamentös (Prostaglandin-Applikation), ggf. anschließend bei Plazentaretention zusätzliche Abrasio. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6584 3 Die Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM) hat für ihre beiden Standorte Gießen und Marburg getrennt geantwortet. An der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des UKGM-Standortes Gießen wurde die folgende Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen durchgeführt: 2012 75 2013 -- * 2014 46 2015 30 2016 21 2017 41 Summe 237 * die Zahl für das Jahr 2013 konnte nicht ermittelt werden Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Abbrüche aufgrund einer medizinischen Indikation durchgeführt. Da die Patientinnen meist über die Abteilung für Pränataldiagnostik in einer über die 16. Schwangerschaftswoche hinaus gehenden Schwangerschaftswoche vorgestellt werden, erfolge die Beendigung der Schwangerschaft durch Fetozid, der von einer Geburtseinleitung durch Prostaglandine , Ausstoßung des Fetus und meist einer Kürettage gefolgt wird. Bei den vereinzelten niedrigen Schwangerschaftswochen wurde eine lokale Prostaglandin-Applikation durchgeführt, die wiederum von einer Kürettage gefolgt wurde. Am UKGM-Standort Marburg wurden aufgrund der Diagnose "Ärztlich eingeleiteter Abort (ICD O04)" stationär behandelt: 2012 8 2013 18 2014 16 2015 9 2016 9 2017 32 Summe 92 Es wurden dabei folgende Methoden angewendet: Klassische Abortabrasio, Vakuumkurretage, medikamentöse Aborteinleitung mit Prostaglandinen. Eine zahlenmäßige Erhebung der Methoden erfolgt nicht. Wie beim Standort Gießen wurden die Abbrüche bis auf wenige Ausnahmen aufgrund einer medizinischen Indikation durchgeführt. Frage 5. Wie wird die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche in Hessen sichergestellt? Hierzu sind die Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg im Hinblick auf ihre Fachbereiche Medizin um Stellungnahme gebeten worden. Die Goethe-Universität Frankfurt hat mitgeteilt, dass im Rahmen der Vorlesung Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin über den § 218 StGB und die damit zusammenhängenden Notwendigkeiten (Beratungsstelle, Scheinausstellung) gesprochen werde. Die Justus-Liebig-Universität Gießen hat mitgeteilt, dass im klinischen Studienabschnitt das Thema Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der Vorlesungsreihe zum Medizinrecht dargestellt werde, wobei die rechtliche Situation erläutert werde einschließlich der so genannten Spätabbrüche . Zusätzlich problematisiert werde die Frage der Einwilligungsfähigkeit minderjähriger Schwangerer in einen Schwangerschaftsabbruch. U.a. werden zum Thema Spätabbrüche aktuelle Forschungsdaten aus Deutschland präsentiert. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/6584 Im Wahl-Seminar zum Medizinrecht biete das Institut für Rechtsmedizin für Interessierte eine Vertiefung zur medizinrechtlichen Problematik der Schwangerschaftsabbrüche an. Die ethischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs werden in ihren Grundzügen im Rahmen der Vorlesungsreihe "Ethik in der Medizin" allgemein angesprochen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik, auch unter psychologischen Gesichtspunkten , erfolge im Rahmen eines Seminars im Blockpraktikum Pädiatrie anhand einer Kasuistik eines Kindes mit Down-Syndrom und angeborenem Herzfehler. Fragen des operativen, interventionellen oder medikamentösen Vorgehens seien Teil der fachärztlichen Weiterbildung. Die Philipps-Universität Marburg hat mitgeteilt, dass der Schwangerschaftsabbruch im klinischen Studienabschnitt thematisiert werde. Dies geschehe zum einen in einer interdisziplinären Vorlesung mit Ethikern, Pädiatern und Gynäkologen im Rahmen der Hauptvorlesung Gynäkologie und habe den Fokus auf ethischen und rechtlichen Grundlagen von Früh- und Spätabbrüchen ; das Format besteht aus einem Impulsvortrag und einem 60-minütigen Diskussionsrahmen im Anschluss. Darüber hinaus werde das Thema Schwangerschaftsabbruch in der Vorlesung "Ethik in der Medizin" und in einigen Gruppen des Seminars "Klinische Ethik" behandelt und bearbeitet. Frage 6. In welchem Umfang und in welcher Form wird die Fortbildung der Ärzteschaft im Bereich Schwangerschaftsabbrüche in Hessen angeboten? Nach Auskunft der Landesärztekammer Hessen schreibt die Weiterbildungsordnung im Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe auch das Thema Schwangerschaftsabbruch vor. Im Sinne der anschließenden Fortbildung sei im Repetitorium Frauenheilkunde und Geburtshilfe auch das Thema "Frühgravidität, Aborte, Schwangerschaftsabbruch" vorgesehen. Frage 7. Welchen Anteil haben dabei die Universitätskliniken? Nach Auskunft der hessischen Universitätsklinika bieten diese keine Fortbildungen im Sinne der Heilberufe- und Kammergesetze im Bereich Schwangerschaftsabbrüche an. Wiesbaden, 23. Juli 2018 Stefan Grüttner